Kennen Sie Fribourg?
Warum der kleine Kanton Fribourg in der Westschweiz eine große Entdeckung ist
von Gabriele GugetzerIn der Westschweiz gelegen, lockt der Kanton Fribourg mit herzigen Landschaften und seine gleichnamige Hauptstadt mit einer atmosphärischen, heiteren Ausstrahlung. Fribourg hat die meisten AOPs (Appellation d’Origine Protégée, ein europäisches Qualitätszeichen für landwirtschaftliche Erzeugnisse) unter den 26 Kantonen der Schweiz, obwohl er die kleinste touristische Region ist. Die kleinste Weinregion des Landes, das Vully am Murtensee, ist hier ebenfalls beheimatet. Das gilt auch für einen einer der bekanntesten Käse der Welt: Der Greyerzer oder Gruyère (der Kanton ist zweisprachig) wird in Großmolkereien oder in schwindelnder Höhe auf der Alp hergestellt und ist wie der Vacherin Fribourgeois ein AOP-Produkt.
Es gibt auch einen Senf mit AOP-Signet und mit dem Jambon de la Borne und der Rohwurst Boutefas zwei Fleischprodukte. Dann ist da noch das AOP-Thema Büschelibirne, deren Anbau anspruchsvoll ist, die sich nicht gut lagern lässt und einen unbeständigen Ertrag liefert, also längst hätte von der Bildfläche verschwinden müssen. Aber wir sind ja in der Schweiz. Regionales Storytelling, die aktuelle Catchphrase in der Hospitality, könnte in Fribourg erfunden worden sein.
Kilbi, Cuchaule und Chäsfondue
Nur hier isst man Chäsfondue auch im Hochsommer, genauer gesagt, am Strand des Neuenburger Sees, der größte ganz in der Schweiz gelegene See. Am Rand des Dörfchens Estavayer-le-lac liegt ein riesiger, sehr gepflegter Campingplatz. Die Spezialität im Strandbadrestaurant ist Chäsfondue, selbstredend mit der Fribourg-Käsemischung Moitié-Moitié, also hälftig Gruyère und Vacherin Fribourgeois. Klar kann man ein Käsefondue auch in den Alpen essen, wo der Käse wie auf Vounetz bei Charmey noch nach alter Tradition gemacht wird.
Dieses Käsegucken lohnt übrigens wirklich den Besuch, danach der Einkauf und der neiderfüllte Blick ins Tal. Den haben die 50 Kühe, die Käser Beat Piller die Milch liefern, jeden Tag. Aber dann fehlte doch eine gewisse Schrägheit, die Schweizer sehr wohl besitzen. Nein, wenn man es einmal probiert hat, ist klar: Käsefondue muss mit Sand zwischen den Zehen.
KÄSEFONDUE AM STRAND? IN FRIBOURG IST DAS KEINE MAROTTE, SONDERN GELEBTE GENUSSKULTUR.
Die AOP-Appellationen sind kein Klamauk, sondern fest verankert im Lebensgefühl. So ist die Cuchaule, ein von Hand gebackenes Briochebrot mit Safran, mit etwa 1 Million verkaufter Brote im Jahr ein regionaler Renner, wird aber von kleineren Bäckereien und in Handarbeit gefertigt. Nur echt mit aufgeklebtem AOP-Siegel! Suard, das seit 1947 existiert und 135 Mitarbeiter beschäftigt, beliefert sechs kleinere Bäckereien in Fribourg und die Migros sowie das Spital Fribourg.
Die Chuchaule wird inzwischen das ganze Jahr über gebacken, war einst aber nur zur Kilbi (auf Französisch: Bénichon) erhältlich, dem Erntefest, das die Rückkehr der Viehherden aus den Bergen markiert. Die Kilbi war lange in Vergessenheit geraten. Einige Restaurants begannen aber vor etwa zehn Jahren damit, diese Tradition mit speziellen Erntedankfestmenüs wieder aufleben zu lassen.
Mittlerweile sind die mehrgängigen, überaus sättigenden und vielstündigen Menüs so wie der Alpabtrieb ein identitätsstiftendes Moment im Kalenderjahr. Je nach Bezirk finden die Feste zwischen Ende August bis Mitte November statt. Spezielle Kilbi-Menüs werden neben den klassischen Restaurants auch in allen Sternern aufgetischt, von denen es im Kanton fünf gibt.