Die meisten Gastronomen müssen dennoch mit einem kleineren Team weiterarbeiten. Wie kann das funktionieren?

Am besten erklärt sich das mit einem Beispiel: Zurzeit betreuen wir unter anderem ein Projekt in Österreich. Hier sind der Pandemie-Abwanderung sämtliche Köche und Leitungspositionen zum Opfer gefallen. Das Team setzt sich nun aus nur noch knapp der Hälfte der Mitarbeiter zusammen. Bis auf einen verfügen sämtliche Mitarbeiter über keinerlei Deutschkenntnisse. Durch das vorherige System war der Gastronom nicht mehr in der Lage den Betrieb aufrecht zu erhalten, geschweige denn sie Qualität zu halten. Resultat: auch sie anderen Mitarbeiter, der Service und die Inhaber waren frustriert und kurz vor Kündigung und Aufgabe des Geschäftsbetriebes, der wohlgemerkt an sich doch lukrativ war. Hier gibt es nur eine Antwort: volle Automatisierung und Standardisierung. Sämtliche Prozesse werden ganz genau analysiert und so verändert und beschrieben (gescriptet), dass im Prinzip innerhalb eines Tages ein neuer Mitarbeiter ganz und gar ohne Vorkenntnisse den Arbeitsplatz und Arbeitsauftrag übernehmen kann. Das ermöglicht dem Gastronom Unabhängigkeit vom Fachkräftemangel. Diesen gibt es damit faktisch nicht mehr. Das hilft nicht nur der Fluktuation entgegenzuwirken. Die Mitarbeiter sind auch auf jegliche Situation vorbereitet. Jeder hat seine konkrete Rolle und zugehörige Ansprechpartner. Die Kontrolle über das Chaos und dem dazugehörenden Stress wird zurückerlangt. Kein Königswissen oder Abhängigkeit von Mitarbeitern mehr.

Auch wenn es sich keiner wünscht, Krisensituationen wie die aktuelle Pandemie wird es auch in Zukunft geben. Was können Gastronomen aus den vergangenen Monaten lernen, um ihren Betrieb widerstandsfähiger zu machen?

Als erstes ist es wichtig Resilienz zu fördern und zu stärken. Nur mit einem dicken Fell und einer guten Portion Optimismus trifft man die richtigen Entscheidungen in Krisenzeiten. Da, wie wir die letzten Monate gesehen haben, quasi alles möglich ist, gibt es jedoch kein pauschales Rezept. Auch sind nahezu alle Betriebe individuell. Welche Erfahrung allerdings wir gemacht haben (und das lässt sich letztlich auf jeden Betrieb, ob Hotel, Restaurant, Biergarten usw. umlegen) sind folgende: Der Gastronom sollte in möglichst vielen Bereichen versuchen sich unabhängig zu machen. Das funktioniert nur durch die Standardisierung von Prozessen. Das heißt: Prozesse erkennen, standardisieren und automatisieren, damit ‚der Laden auch ohne ihn läuft‘. Denn erst dann schafft er sich den Freiraum und vor allem den Überblick von außen auf sein Unternehmen zu blicken und nicht mehr als gestresster Mitschwimmer, sondern als objektiver Unternehmer Entscheidungen zu treffen. Das entledigt massiv Angst und Druck. Selbst wenn dann, wie vielerorts in den Betrieben geschehen, eine Abwanderung von Personal stattfindet, ist der Unternehmer sehr schnell mit neuem Personal, was kein Fachpersonal sein muss, wieder genauso leistungsfähig wie vorher und erlangt dadurch einen erheblichen Wettbewerbsvorteil. Anders formuliert ist die Priorisierung das Wichtigste – beruflich wie privat. Denn die Zeit mit dem Partner oder den Kids ist äußerst vergänglich und später durch kein Geld zurückzukaufen. Viele Kollegen stehen von morgens bis abends selbst in den Betrieben und meinen nur sie können die Aufgabe so gut erledigen und ohne sie bleibt die Welt. Das stimmt nicht. Nach 10 Jahren Geschäftsaufbau mit mehreren Betrieben und mittlerweile über 200 Mitarbeitern kann ich sagen, dass es anders geht und ich sehr viel Zeit mit meiner Familie verbringe – und trotzdem erfolgreich in dem bin, was ich tue.

Vielen Dank für das Gespräch!

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