Christine Schäfer
Foto: GDI Gottlieb Duttweiler
Institute, Fotografin: Sandra
Blaser

Christine Schäfer ist Researcher am Schweizer Gottlieb Duttweiler Institute (GDI) in Rüschlikon/Zürich.

Im Fokus ihrer Forschungen: die gesellschaftlichen und technologischen Veränderungen im Food-Bereich. Mit HOGAPAGE hat sie über die hohen Erwartungen der Konsumenten an die Angebote in der Gastronomie gesprochen.

Individuelle Wünsche bündeln und so erfolgreich sein, so könnte man die moderne Form der Extrawurst beschreiben. Wie sollten Gastronomiekonzepte sich heute aufstellen, um Erfolg zu haben?
Wir beobachten den Wunsch der Konsumenten nach individuell designten Produkten nicht nur bei Nahrungsmitteln. Auch Nike bietet Käufern z.B. schon an, dass sie ihre Sneakers selbst online gestalten können. Trotzdem bleibt der Schuh ein Massenprodukt. Man spricht in diesem Fall von Mass Customization. Wir haben immer mehr Bedürfnisse in unserer Gesellschaft, die abgedeckt werden müssen – von vegan über glutenfrei bis laktosefrei usw. Und am Ende muss jeder Gastronom für sich entscheiden, ob er es schafft, diese Vielfalt an Bedürfnissen abzudecken, oder ob er sich eine Zielgruppe herauspickt und sich in einer kleinen Nische einrichtet.

Dabei fällt auf, dass viele Konzepte, die individuelle Speisen anbieten, auch den Healthy-Food-Trend aufgreifen.
Gesundheit ist heute zu einem Lifestyle geworden, in dem die Ernährung eine zentrale Rolle spielt. Wir wollen uns gesund und glücklich essen. Unser Essen wird deswegen vermehrt auf das Mikrobiom, die Blutwerte oder sogar die DNA abgestimmt und soll so perfekt auf unsere körpereigenen Bedürfnisse eingehen. Ein Beispiel aus den USA ist ein Unternehmen namens Habit, ein Online-Start-up, das die individuellen Bluttestwerte, z.B. Cholesterol etc., der Kunden als Basis nimmt und einen Nutrition-Plan erstellt.

Wie hat sich unsere Ernährung bzw. unsere grundsätzliche Einstellung zu Nahrungsmitteln verändert?
Wir beobachten, dass Essen heute oft religionsähnliche Züge annimmt. Wie ich mich ernähre, macht heute einen großen Faktor meiner Identität aus. Ich definiere mich über das, was ich esse – oder eben über das, was ich NICHT esse. Und dann spielt heute auch das Wo, Wann und Mit-Wem eine Rolle – also der soziale Kontext. Essen kann als gemeinsamer sozialer Nenner dienen – und wird damit in gewisser Hinsicht tatsächlich zur Ersatzreligion für manchen.

Werden in Zukunft Gastronomen nur noch erfolgreich sein können, wenn sie sich dem Individualitäts-Hype beugen?
Wir betrachten Individualisierung nicht als Hype, sondern als Megatrend, der unsere Gesellschaft schon über längere Zeit beeinflusst und weiterhin beeinflussen wird. Wie bei jedem Trend gibt es aber auch hier einen Gegentrend. In der Gastroszene beobachten wir, dass einige Restaurantsgenau das Gegenteil versuchen und ihr Angebot wieder bewusst schmaler gestalten. Back to Basics sozusagen. Da ist die Rückbesinnung deutlich spürbar.

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