
Knappe Ressource
Damit in Sachen Wasserverbrauch in der Huerta alles mit rechten Dingen zugeht, setzte Kalif Abderraman schon im 10. Jahrhundert ein Wassergericht ein. Mittlerweile ist es ein immaterielles Weltkulturerbe, aber als ältestes Gericht ganz Europas noch aktiv. Es ist besetzt mit acht Landwirten, deren Entscheidungen bindend sind. Getagt wird beim „Tribunal de las Aguas“ öffentlich jeden Donnerstag um 12 Uhr vor der Kathedrale von Valencia. Das Wassergericht verwaltet das Wasser, schlichtet Streitigkeiten zwischen Bauern und kümmert sich um die Pflege der Wasserwege.

Kulinarische Kaderschmieden
Sternerestaurants gibt es zuhauf. Vorne am Bug steht Quique Dacosta, aktuell auf Platz 25 der World’s 50 Best. Bei ihm haben viele gelernt, darunter die Nachwuchskünstlerin Carito Lourenço und ihr aus Argentinien stammender Partner Germán Carrizo. Ihr Restaurant Fierro ist winzig, gekocht wird modern-mediterran in mehreren Menüs und mit Manifest-Zungenschlag.
Dacosta selbst betreibt in Valencia direkt neben der Experimentierküche des Zweisterners El Poblet ein lässig-erschwingliches Restaurant für alle, die sich an unterhaltsam begrünten Interieurs nicht sattsehen können. Im Vuelva Carolina werden im Sharing-Prinzip seine Klassiker (beispielsweise mit Foie Gras) aufgetischt, aber auch Patatas Bravas, für die er im letzten Jahr auf der Madrid Fusion einen Preis gewann. Jeder Gast bekommt ein Miniöfchen, das eher an Obi als einen Robata-Grill erinnert und viel Kochspaß macht.
Im Riff kocht sternebekrönt der gebürtige Deutsche Bernd Knöller. Ein pfiffiges Kerlchen: „Im Gegensatz zu den Kollegen habe ich keinen Fischhändler, sondern gehe jeden Tag auf die Versteigerungen. In Valencia fahren täglich 19 Boote raus, keiner hat den regionalen Zackenbarsch dann so frisch wie ich, der ihn um 16 Uhr ersteigert hat.“ Zu solchen Qualitäten gibt’s selbst gemachte Vermouths (sonst auf der Karte fast nur Naturweine), im aktuellen Menü auch eine Bloody Mary auf Basis einer weißen Tomatenconsommé, Koji zu Imperial Kaviar, hauchdünnes Iberico zu Waldspargel und Macadamianuss, natürlich eine Paella, aber „schmutzig“, zudem feine Desserts.
Kopf in den Nacken und staunen
Gegründet von den Römern im Jahr 183 v. Chr., war Valencia schon im Mittelalter ein bedeutender Handelsplatz. Die prächtige Seidenbörse ist ein UNESCO-Weltkulturerbe und stammt wie die Kathedrale aus gotischer Zeit. Nebenan regieren Renaissance und Barock und der hier als Modernismus gehandelte Jugendstil, der im ausgehenden 19. Jahrhundert ganze Straßenzüge verschönerte. Für einen Besuch des Nationalen Keramikmuseums empfiehlt sich eine Reservierung, alternativ geht man ums atemberaubend gestaltete Gebäude herum. Barock vom Feinsten, man denkt, man ist beschwipst!
Doch Valencia kann auch zeitgenössisch. Santiago Calatrava, ein gebürtiger Valencianer, hat sich mit mehreren Brücken verewigt, auch über das Flußbett des Turia. Dieses wurde nach einer verheerenden Überschwemmung in den 1980er Jahren umgeleitet und darüber ein überaus ansprechender, von Landschaftsarchitekten gestalteter Grüngürtel von neun Kilometern Länge gebaut.
Die Jardín del Turia sind für die Valencianer eine Mischung aus Sportplatz, Flaniermeile und Abkühlstation, die an der avantgardistischen Stadt der Künste und Wissenschaften endet, die ebenfalls von Calatrava entworfen wurde. Nach langer Rumlauferei und Fassadenguckerei empfiehlt sich der Blick von oben nach unten von der Dachterrassenbar Atenea Sky. Es ist rummsvoll, aber supernett. Jeder trinkt Agua de Valencia aus frisch gepressten Valencia-Orangen, Cava, Wodka und Gin. Schmeckt alkoholleichter als es ist, so viel muss gesagt werden.
Eine herausragende Privatsammlung zeitgenössischer Kunst, das Hortensia Herrero Art Centre, ist in einem Barockpalast in der Altstadt untergebracht und lohnt unbedingt einen Besuch. Es birgt nicht nur fabelhafte Kunst in überraschenden Räumen, sondern ist architektonisch von den Lokalmatadoren ERRE so geschickt gestaltet, dass auch ein Blick in die Archäologiegeschichte der Stadt gelingt. Kurz: Valencia ist so viel mehr als Mandelmilch, Michelins und Meeresfrüchte.
Drei Tipps zu Valencia
- Bei den Sternern vier Stunden Minimum einrechnen und die abendlichen Öffnungszeiten (nicht vor 21 Uhr) bedenken.
- Es gibt mehr als 200 Kilometer Radfahrwege. Mehr dazu nachzulesen in: Valeria Valdebenito, „Die besten Radtouren durch Valencia“. Valeria ist nicht nur Reiseleiterin, sondern auch geprüfte Sommelière und Weinhändlerin.
- Architekturführungen auf deutsch macht Stadtführer und Architekt Boris Strzelczyk (info@ga-valencia.es).