Tourismusbarometer

Wachstum im Tourismus gefährdet

Eine Gruppe Köche und Servicemitarbeiter
Vor allem im Westen Österreichs gibt es nur wenige Hotels, die genügend Mitarbeiter haben. (© fotolia.com/Andrey Popov)
Eine aktuelle Umfrage  von Deloitte und ÖHV verzeichnet eine überwiegend gute Stimmung in Österreichs Tourismus. Ein großes Manko stellt jedoch der immer drängendere Fachkräftemangel dar.
Mittwoch, 11.07.2018, 10:26 Uhr, Autor: Clemens Kriegelstein

Das Beratungsunternehmen Deloitte und die Österreichische Hoteliervereinigung (ÖHV) haben erneut die Stimmungslage im österreichischen Tourismus analysiert. Für den Tourismusbarometer wurden 206 Unternehmer aus ganz Österreich befragt. Das Ergebnis: Die aktuell gute wirtschaftliche Gesamtsituation wirkt sich positiv auf die heimische Tourismusbranche aus. Mit einem Indexwert von 2,83 nach Schulnotensystem lässt sich eine leichte Verbesserung gegenüber dem Vorjahr (2,99) erkennen.

„Die wirtschaftliche Lage hat sich innerhalb des letzten Jahres für die Hälfte der Befragten verbessert. Die rekordverdächtige Wintersaison brachte ein Nächtigungsplus von rund 5 %. Folglich waren österreichweit 69 Prozent der Befragten mit den Winterumsätzen zufrieden. Entsprechend zuversichtlich blickt man auf die Sommersaison: 62 Prozent rechnen mit einer Umsatzsteigerung“, analysiert Andreas Kapferer, Partner bei Deloitte Tirol.

Dringend benötigt: Konzepte zur Besetzung offener Stellen
Die Studie verweist aber auch auf ein latentes Risiko: Offene Stellen können nicht mit geeigneten Mitarbeitern besetzt werden. Österreichweit hat bereits fast ein Drittel der Befragten das Angebot wegen unbesetzter Stellen zurückgeschraubt. Manche mussten aufgrund des Mitarbeiterengpasses sogar einen Teil des Betriebes schließen.

„In 37 Prozent der heimischen Tourismusbetriebe stehen weitere Arbeitsplätze auf dem Spiel. Sie können das aktuelle Angebot aufgrund fehlender Mitarbeiter nicht aufrechterhalten“, erklärt Markus Gratzer, Generalsekretär der ÖHV. „Viele Arbeitgeber versuchen den Mangel durch Digitalisierung auszugleichen. Bei der Rezeption und im Reservierungsmanagement funktioniert das, in der Küche nicht. Hier braucht es gezielte Impulse von der Politik.“

Am schwierigsten sei die Lage im Westen Österreichs: In Vorarlberg sehen laut der Studie die Betriebe rund die Hälfte der Arbeitsplätze gefährdet, weil sie ihr Angebot zurückfahren müssen. In Tirol seien es 43 Prozent. Die Situation in Wien oder im Burgenland sei hingegen deutlich entspannter.

Politik und Unternehmen gleichermaßen gefordert
Die Mitarbeitersituation habe sich österreichweit zugespitzt. Vom Gesetzgeber erhoffe sich die Tourismusbranche deshalb gezielte Arbeitsmarktoffensiven und entlastende Maßnahmen. So würden 72 Prozent die Regionalisierung der Mangelberufsliste befürworten. Doch auch die Unternehmen selbst schöpften ihr Potenzial nicht zur Gänze aus. „Ein 17-jähriger Küchenlehrling hat andere Anforderungen an den Arbeitsplatz als eine teilzeitbeschäftigte Mutter mit Betreuungspflichten im Service. Viele Touristiker bieten bereits individualisierte Mitarbeiterangebote an. Das ist wichtig, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein“, betont Andreas Kapferer. „Auch kooperative Zusammenschlüsse einzelner Betriebe zahlen sich langfristig für die Unternehmen aus. Zahlreiche Erfolgsbeispiele aus der Praxis beweisen das.“ (CK)

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