Autonomie

Venetien steht vor der Abspaltung von Italien

Italienische Flagge Hand mit NO-Zettel
© kaitune / FOTOLIA
Die Tourismusregion Venetien hat genug von der Regierung in Rom und will sich ganz von Italien lösen – politisch autonom und mit eigener Sprache. Erste Erfolge für die Separatisten gibt es bereits. 
Montag, 12.12.2016, 14:47 Uhr, Autor: Felix Lauther

Reich geworden ist die Region Venetien mit ihrer Hauptstadt Venedig durch den Handel auf dem Land und Seeweg. Trotzdem sind die stolzen Veneter unzufrieden: Schuld daran ist der Rest Italiens, der sie unterdrückt und ausbeutet. 20 Milliarden Euro überweist Venetien jährlich an Steuereinnahmen an die Staatskasse. Eine Interessensvertretung haben die Veneter in Rom nicht. Geld, das die Veneter rückwirkend für den Ausbau der Infrastruktur und Bildung aus der Hauptstadt erhalten, sei verhältnismäßig niedrig, so die Klagen aus dem reichen Nordosten des Landes. „Wir sind diese Trinkgelder leid, die uns dieser Schurkenstaat graziös zubilligt“, erklärt Riccardo Barbisan, Abgeordneter im venetischen Regionalparlament, gegenüber Spiegel Online. „Wir müssen mit allen Mitteln unsere bedeutende Geschichte und Kultur verteidigen.“ Den Ärger macht sich nun dessen rechtspopulistische Partei Lega Nord zu Nutzen. Anfang Dezember erklärte sie mit ihrer Mehrheit im Regionalparlament die Bürger Venetiens zur nationalen Minderheit, wodurch Venetien kulturell und sprachlich durch eine Konvention des Europarates geschützt würde – vergleichbar etwa mit den deutschsprachigen und rätoromanischen Minderheiten in Südtirol. Nach Plänen der nationalistischen Propaganda der Lega Nord sollen Schilder und Ausweise zweisprachig werden sowie Italienisch und Venetisch in Schulen und Behörden gleichberechtigt sein. Wer im öffentlichen Dienst einen neuen Job anfängt, der muss die neue „Lingua Venetica“ verstehen, sprechen und schreiben können. 65 Prozent der Einwohner beherrscht die Sprache bereits.

Unabhängigkeit Venetiens
Regionale Spitzenpolitiker wie Veneto-Präsident Luca Zaia von der Lega Nord arbeiten mit Hochdruck an einer Abspaltung Venetiens vom Rest Italiens. Mithilfe eines Referendums will er einen Autonomiestatus für Venetien erzwingen. Südtirol und Sizilien waren mit diesem Vorhaben bereits erfolgreich. Diese beiden Regionen dürfen einen Großteil ihrer Steuereinnahmen behalten und ihre eigenen Projekte selbst finanzieren. Politische Entscheidungen müssten hierbei auch nicht von der Staatsregierung in Rom abgesegnet werden. Dem Referendum werden nach Umfrageergebnissen gute Chancen eingeräumt. Mehr als 80 Prozent der Veneter sprachen sich nach Informationen von Spiegel Online für eine Autonomie aus. Die Zeichen stehen auf „Arrivederci Roma“ – die Lega Nord hat mit ihren ausländer- und europafeindlichen Parolen separatistische und protektionistische Emotionen bei den Einheimischen geweckt. Sie gewinnt Wahlen und macht Stimmung auch gegen die eigene Staatsregierung in Rom: „Roma Iadrona“ heißt ihre Schlachtruf: „Roma, die Diebin“. Ob die „diebische Elster“ vom Tiber ihren goldenen Touristen-Esel in Venetien weiter melken oder Venetien vornehmlich alleine von ihren Einnahmen profitieren darf, wird und muss sich politisch entscheiden. (Spiegel Online /fl)

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