Overtourism plagt Oberbayern
„Münchner, bleibt daheim!“ titelte die Süddeutsche vor einiger Zeit und beschrieb darin den Unmut der Bewohner im Fünfseenland: viel zu volle Strände, verstopfte Straßen und Chaos durch parkende Autos. Und es nimmt kein Ende. Denn die bayerische Landeshauptstadt wächst nicht nur ungebremst, sondern zieht auch immer mehr Touristen an, die sich gegenseitig auf die Füße treten. Aber auch andernorts in Oberbayern strömen Reisende in Städte und Natur – einerseits ein Plus für den Wirtschaftszweig, andererseits Dilemma für Anwohner, deren Akzeptanz schwindet. Es droht der Overtourism. Doch erste Maßnahmen werden bereits ergriffen.
So sind zum Beispiel am Walchensee Ranger des Landratsamtes Bad Tölz-Wolfratshausen mit Forstmitarbeitern, Polizei und freiwilligen Helfern der örtlichen Feuerwehr in Einsatz. Zum Teil seien 3.000 bis 4.000 Autos am See, berichtete der Jachenauer Bürgermeister Georg Riesch kürzlich. Teils kämen Rettungsdienste nicht mehr durch. Man spüre, dass München jährlich um 30.000 Einwohner wachse. „Man kann es den Leuten nicht verdenken, dass sie raus wollen aus der Stadt.“
Und auch am Tegernsee geht es regelmäßig nur im Schritt voran. Von „Overtourismus“ will Bürgermeister Johannes Hagn aber nicht sprechen. „Wer entscheidet, wann es zu viel ist? Ist es der genervte Anwohner, weil alle Parkplätze zu sind, oder der Biergartenbesucher der keinen Platz bekommt?“ Hagn setzt auf Regelungen wie Anwohnerparken, bessere Zugverbindungen und Radschnellwege. „Wir sind das Naherholungsgebiet für die Münchner. Wir Kommunen vor Ort müssen überlegen, wie wir damit umgehen.“ Dabei wünscht er sich nicht noch mehr Tagesgäste, aber mehr Urlauber in den Hotels.
100 Euro Parkgebühr
Ähnliche Probleme herrschen auch am Eibsee am Fuß der Zugspitze. „Das Schlimmste ist der Parkplatzmangel und der Verkehr – und das Umweltbewusstsein der Besucher“, sagt der Grainauer Bürgermeister Stephan Märkl. Der Bund Naturschutz in Oberstdorf schlug kürzlich vor, die Parkgebühr für Tagestouristen auf 100 Euro anzuheben – von bisher vier bis sechs Euro. „Vor allen an den Wochenenden erkennt man die massive Zunahme des Verkehrs: An Samstagen fahren dort etwa 20.000 bis 25.000 Autos innerhalb von 24 Stunden – etwa 5.000 bis 8.000 davon sind Tagestouristen“, sagt Michael Finger, Vorsitzender der BN-Ortsgruppe Oberstdorf. „Das zeigt das Problem des Overtourism, den wir in Oberstdorf haben.“
Der Deutsche Alpenverein (DAV) baut keine neuen Hütten mehr, obwohl der Outdoortrend immer mehr Menschen in die Berge zieht. Besonders überlaufen ist der Europäische Fernwanderweg E5 von Oberstdorf nach Meran. Der Wirt der Memminger Hütte stellte zeitweise ein Zelt auf, um Gäste unterzubringen. Andernorts schlafen Wanderer notfalls im Gastraum. „Die Infrastruktur ist an der Kapazitätsgrenze“, sagt DAV-Sprecher Thomas Bucher. „Die spannende Frage wird sein: Wie machen wir es in Zukunft, dass das alles nicht auf Kosten der Umwelt und der Einheimischen geht.“ Der DAV setzt auf Projekte wie die Bergsteigerdörfer mit nachhaltigem Tourismus ohne neue Lifte und Hotelburgen. (dpa/Nordbayern.de/KP)