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Ein Reisebüro von Thomas Cook
Die Bundesregierung will alle Thomas Cook-Opfer entschädigen. Doch zu welchem Preis?(© OceanProd/stock.adobe.com)
Es klingt wie ein Weihnachtsgeschenk für Hunderttausende gefrustete Urlauber: Der Bund springt ein, damit Betroffene der Thomas-Cook-Insolvenz ihr Geld zurückbekommen. Doch so schnell wird’s nicht gehen.
Donnerstag, 12.12.2019, 09:40 Uhr, Autor: Thomas Hack

Die Insolvenz des Reiseveranstalters Thomas Cook hat viele gleich doppelt getroffen: Zuerst verdarb sie Hunderttausenden Urlaubern die langersehnte Traumreise. Dann drohten sie auch noch, auf einem Teil der Kosten sitzenzubleiben – weil die gesetzlich vorgeschriebene Versicherungssumme lange nicht ausreicht. Zumindest diese Befürchtung ist jetzt vom Tisch: Der Bund springt mit Steuergeld in die Bresche.

Wie viel Geld bekommen die Reisenden zurück?

Am Ende sollen sie den Reisepreis oder ihre Anzahlung komplett zurück erhalten: Einen Teil, nach Rechnung der Versicherung Zurich 17,5 Prozent, aus der Versicherungssumme und den Rest vom Bund. „Schäden, die nicht von anderer Seite ausgeglichen werden, wird der Bund ersetzen“, so lautet das Versprechen.

Was müssen Thomas-Cook-Kunden tun, um an das Geld zu kommen?

Erstmal gar nichts, versichert die Bundesregierung. Noch weiß man nämlich nicht genau, wie das Geld zurückgezahlt werden soll. Auch wann die Verbraucher Geld sehen, ist noch völlig unklar. Hauptsache sei ja erstmal die Gewissheit, nicht auf den Kosten sitzenzubleiben, betonte Verbraucherschutzministerin Christine Lambrecht (SPD). Alles andere werde derzeit mit dem Insolvenzverwalter und der Versicherung besprochen. Bisher sagt der Bund nur, dass das Verfahren möglichst einfach und kostenlos sein soll. Weitere Informationen soll es Anfang 2020 geben.

Was kosten die Hilfen den Bund?

Auch das ist noch unklar, die Bundesregierung stellt quasi einen Blankoscheck aus. Laut Zurich liegt die Schadensumme nach vorläufigen Berechnung bei 287,4 Millionen Euro. Die Versicherung hat allerdings bereits fast 60 Millionen für das Zurückholen der gestrandeten Urlauber ausgegeben, was sie mit der Versicherungssumme von 110 Millionen verrechnet. Es bleiben 237 Millionen Euro, für die der Bund einspringen könnte. Das Justizministerium will allerdings vorher einige rechtliche Fragen klären. So ist man der Meinung, dass die Versicherung die Rückhol-Kosten aus einem anderen Topf selbst bezahlt müsste. Das würde die Summe für den Bund deutlich reduzieren. Vereinzelte Kunden könnten auch noch Forderungen anmelden, nach Einschätzung von Zurich dürfte es in Summe aber nur um einen kleinen zusätzlichen Betrag gehen.

Wie will der Bund das Geld aufbringen?

Es soll aus dem normalen Bundeshaushalt kommen, Lambrecht sprach von „außer- und überplanmäßigen Ausgaben“. Es ist zu erwarten, dass Finanzminister Olaf Scholz (SPD) die nötigen Mittel locker machen kann, ohne neue Schulden aufzunehmen. Zum einen hat der Bund noch eine Rücklage, die nach der Flüchtlingskrise angespart wurde. Zum anderen gibt es im Bundeshaushalt immer versteckte Spielräume, die man in solchen Notfällen ziehen kann.

Warum springt die Bundesregierung jetzt ein?

Lambrecht betonte, man habe die Kunden mit der schwierigen Rechtslage nicht allein lassen wollen. „Wir reden hier über Menschen, die zum Teil sehr lange auf einen wohlverdienten Urlaub gespart haben und deren Anzahlungen ansonsten größtenteils verloren wären.“ Zugleich will die Bundesregierung eine Prozesslawine verhindern, die die Gerichte wohl in Atem gehalten hätte. Erste Anwälte haben sich bereits in Stellung gebracht. Sie werfen dem Gesetzgeber vor, geltendes EU-Recht nicht korrekt umgesetzt zu haben. Die EU-Richtlinie verpflichte Mitgliedstaaten dazu, Pauschalreisenden im Falle einer Insolvenz des Veranstalters „vollumfänglichen Schutz“ zu bieten. Das habe der deutsche Staat versäumt. „Es geht uns darum, eine Flut von Klagen und langen Verfahren abzuwenden, die auch ein sehr großes Prozesskostenrisiko mit sich bringen“, sagte Lambrecht. Den Kunden sei nicht zumutbar, solche langjährigen Rechtsstreitigkeiten mit entsprechend hohen Anwalts- und Verfahrenskosten bei ungewissem Ausgang selbst zu führen.

Gilt das auch für künftige Insolvenzen von Reiseveranstaltern?

Nein, der Bund will künftig nicht jedes Mal selbst einspringen – stattdessen wird gerade an einer besseren Absicherung im Reiserecht gearbeitet. Diskutiert werden zwei Varianten: Die Versicherungssumme könnte erhöht oder ein Fonds eingeführt werden. Einen solchen Reisegarantiefonds gibt es derzeit beispielsweise in Dänemark. Hier zahlen die Veranstalter für jeden ihrer Kunden einen gewissen Betrag in einen Topf ein, auf den man dann im Notfall zugreifen kann. Lambrecht rechnet im Frühjahr mit Ergebnissen. Die Urlauber müssten auch in Zukunft darauf vertrauen können, abgesichert zu sein, betonte sie.

Wie wird der Schritt der Bundesregierung bewertet?

Verbraucherschützer finden gut, dass die Bundesregierung einspringt. Der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller, kritisiert aber zugleich, dass nun der Steuerzahler „für einen politischen Fehler und einen Lobbyerfolg der Tourismus- und Versicherungsbranche“ haften müsse. Schon vor Jahren hätte die Versicherungssumme hochgesetzt werden müssen, weil klar gewesen sei, dass sie niemals ausreiche. Auch die Opposition ist nicht begeistert, dass nun der Steuerzahler einspringen soll. Das sei „ein Schuldeingeständnis der großen Koalition“, sagte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer. „Es kann nicht angehen, dass Risiken verstaatlicht und Gewinne privatisiert werden.“ Der Deutsche Reiseverband dagegen sorgt sich vor allem um die Reiseveranstalter: Das neue Modell der Insolvenzabrechnung müsse für sie auch wirtschaftlich tragbar sein, warnte er. (dpa/TH)

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