HOGAPAGE-Interview

Fünf Sterne für den Veganismus

Johannes Nicolay
Johannes Nicolay freut sich über die Fünf-Sterne-Auszeichnung durch Peta. (Foto: © Vegan Hotel & Restaurants Nicolay 1881)
Vor Kurzem wurden die Ergebnisse des ersten Peta Vegan Hotel Ranking bekannt gegeben. Das Vegan Hotel Nicolay 1881 in Zeltingen erhielt dabei als einziges Haus die höchste Auszeichnung von fünf Sternen. HOGAPAGE sprach mit dem Manager Johannes Nicolay über die Bedeutung dieser Spitzenbewertung und die Besonderheiten, die zu dieser herausragenden Anerkennung führten. 
Freitag, 30.08.2024, 12:58 Uhr, Autor: Sarah Kleinen

Herr Nicolay, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zur Fünf-Sterne-Auszeichnung durch Peta! Was bedeutet Ihnen und Ihrem Team diese Auszeichnung?

In erster Linie ist es eine willkommene, schöne Wertschätzung für unseren tagtäglichen Einsatz und die langjährige Pionierarbeit in der veganen Hotel-Gastronomie.

Wieso haben Sie sich überhaupt für die Auszeichnung beworben? Wie kam es dazu?

Peta hat uns angeschrieben, ob wir am ersten veganen Hotel Ranking teilnehmen wollen. Wir fanden, dass dieses Ranking eine tolle Idee ist, um den Fokus – insbesondere den Fokus der „Allesesser“ – einmal auf die hervorragenden, veganen Hotels in Deutschland zu lenken. 

Das Vegan Hotel Nicolay 1881
Das Vegan Hotel Nicolay 1881 in Zeltingen wurde beim ersten Peta Vegan Hotel Ranking mit fünf Sternen ausgezeichnet. (Foto: © Vegan Hotel & Restaurants Nicolay 1881)

Ihr Hotel ist als einziges mit fünf Sternen ausgezeichnet worden. Welche Aspekte Ihrer veganen Ausrichtung haben Ihrer Meinung nach besonders zu dieser Spitzenbewertung beigetragen?

Es gibt sicher Vorteile, die sich aus den großzügigen Räumlichkeiten ergeben, die das Haus schon immer zu bieten hatte. So verfügen wir über gleich fünf verschiedene vegane Restaurants mit ganz unterschiedlicher Thematik und unterschiedlichem Preisniveau. Unsere Familien- und Hundefreundlichkeit spielte sicher auch eine Rolle. Letztlich wurden wir jedoch für die Konsequenz ausgezeichnet, die wir hier erlebbar machen.

Was hat Sie überhaupt dazu bewogen, Ihr Hotel vegan auszurichten?

Wie so viel Gutes hinter dem positiven Wandel eines Mannes, war es auch bei mir eine bereits vegan lebende Frau hier im Haus, die mir einen besseren Weg aufzeigte. Zunächst wollte ich mich nur auf eine Diskussion auf Augenhöhe mit dieser Mitarbeiterin vorbereiten – ganz unvorbereitet wollte ich nämlich nicht mit einer flammenden Veganerin diskutieren. Bei der Recherche wurde mir jedoch schnell bewusst, dass vieles – nicht nur in meinem Köche-Leben – falsch ist und dass ich zu wenig Verantwortung für die anderen Lebewesen dieses Planeten übernommen habe. Mir wurde klar, dass es einfach nur falsch sein kann, fühlende Lebewesen, die genauso Schmerz empfinden wie wir, für einen kurzen Gaumenkitzel das Wertvollste zu nehmen, dass wir alle haben: Das Recht am Leben. Es steht uns als Mensch nicht zu, die einen Tiere als „zum Essen“ und andere als „zum Streicheln“ einzuteilen. Ich entwickelte eine Art Selbsthass, dass ich das nicht vorher begriffen hatte und wollte vom nächsten Tag an, gleich nach meiner Recherche-Nacht, drei Monate vegan ausprobieren. Der Rest ist Geschichte und maßgeblich dem Satz „Du bist, was Du isst“ geschuldet. Wollte ich zunächst nur selbst vegan leben und ganz regulär weiter kochen, entwickelte sich rasant eine tiefe Abneigung in mir, weiterhin tote Lebewesen zu verarbeiten. Ich hatte gar keine Wahl und folgte meinem Herzen in die vegane Gastronomie. 

Gibt es Herausforderungen, die Ihnen beim Betrieb Ihres veganen Hotels begegnen?

Zahlreiche unvorhergesehene. Ich möchte nur einen kleinen Einblick geben: Die Konzession wurde uns kurzzeitig entzogen, als bei einer Kontrolle festgestellt wurde, dass wir kein Fisch-, kein Fleisch-, kein Eier- und kein Milchkühlhaus vorweisen konnten. Wir durften nicht mehr ausbilden. Das Schwierigste war aber: Wir hatten keine Plattform, keine gewohnten Wege, unser Haus zu bewerben. Eine Anzeige für ein veganes Hotel in gängigen Printmedien war damals nicht das Papier wert, auf das es gedruckt wurde. Es gab keine kundenspezifischen Printmedien. Und wir hatten ein Produkt – das vegane Hotel – von dem sich zwar viele damals schon gewünscht haben, dass es existiert, von dem aber niemand dachte, dass es tatsächlich längst existiert. In Zeltingen-Rachtig, einem kleinen Dorf an der Mosel, hätte wohl auch niemand mit einem solchen Hotel gerechnet. Der Anteil an der Suche mit der Wortkombination „vegan und Hotel“ betrug bei Google im jahr 2012 exakt 46 – im gesamten Jahr! Davon waren wahrscheinlich 30 dieser Suchanfragen von mir selbst.

Kommen wir zurück zur Auszeichnung: Würden Sie sich noch einmal für das Peta Vegan Hotel Ranking bewerben?

Ja, sicher. Es ist natürlich schön, einen solchen Preis zu gewinnen, wenn er zum ersten Mal vergeben wird. Aber letztlich sind wir in der veganen Hotellerie auch alle darauf angewiesen, eine eigene Lobby aufzubauen. Noch einmal zu gewinnen wäre also nicht der Haupt-Antrieb einer erneuten Teilnahme.

Was wäre denn dann Ihr Ziel?

Gemeinsam! Ich denke nicht, dass das Ranking ein Konkurrenzkampf ist. Jeder tut sein Bestes, hat besondere Merkmale und oft auch eigenes Publikum. Es gibt in der veganen Hotellerie mehr gemeinsame Ziele als Konkurrenzdenken. Dazu gibt es auch ein vermeintlich kleines Zielpublikum. Wenn man mal von ca. 1,5 Millionen nur in Deutschland vegan lebender Menschen ausgeht, könnten die zwei größten veganen Hotels alleine damit schon fast 30 Mal ausgebucht sein. Und das pro Tag, 365 Tage lang! 

Wie zuvor angedeutet, gibt es Themen genug, die noch zu lösen sind, bevor es eine annähernd große Anzahl veganer Hotelbetten gibt, um Konkurrenzdenken überhaupt auszulösen. Die brennenden Themen sind das Schaffen veganer Ausbildungsberufe zum Beispiel. Seit 12 Jahren wurde hier im Haus kein Koch mehr ausgebildet. Es gibt den Beruf der vegan kochenden Person einfach nicht – immer noch nicht! Das Interesse daran ist aber riesig. Und der Anteil vegan lebender Menschen wächst ständig. Das hat mit einem Trend nichts mehr zu tun. 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Nicolay!

(SAKL)

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