Das Grandhotel: Grande Dame der Hotellerie
Im 19. Jahrhundert entstanden die Grandhotels, vor denen wir heute den Hut ziehen. Ihre Geschichte fußt im Bürgertum und entwickelte sich weit darüber hinaus. Habbo Kochs Buch „Grandhotels. Luxusräume und Gesellschaftswandel in New York, London und Berlin um 1900“ ist mehr als eine Hommage an die Championsleague der internationalen Hotellerie. Es beleuchtet die gesellschaftspolitische Wandlung der Hotels und setzt sie in einen polaren Kontext aus mondäner Tradition und „Laboratorium der Moderne“. Wenn die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt, dass das Grandhotel „das Schloss nachahmt und es zugleich ersetzt“, so greift sie im kulturphilosophischen Regal der Eitelkeiten kein Fach zu hoch. Grandhotels entwickeln sich zum Spiegelbild der aristokratischen und gutbürgerlichen Emanzipation – als wohl riechender Leuchtturm ragte das Grandhotel aus dem stickigen Moloch der Industrialisierung heraus. Es schmückt Seebäder, Meerespromenaden und Innenstädten. Ein sozialer Brennpunkt für Aristokraten, Unternehmer und Künstler.
Entstehungsgeschichte des Grandhotels
Was macht ein Haus des gehobenen Standards zu einem Grandhotel? Das Rahmenprogramm – Historiker Habbo Knoch nennt das „City Hotel“ in New York City als Referenz für die Entstehungsgeschichte der „großen“ Hotellerie. Mit seinem Ballsaal und Theater imitierte dieses Haus die atmosphärischen Ausdrucksstärke eines Schlosses sowie den Anspruch der republikanischen Bürgergesellschaft.
In Deutschland bereitete der Verleger Johan Friedrich Cotta Ende des 18. Jahrhunderts den roten Teppich für die Grandhotels. Er beauftragte den Architekten Friedrich Weinbrenner, das Kapuzinerkloster in Baden-Baden zu einem Hotel umzubauen – die Geburtsstunde des „Badischen Hofs“. Mit einem Ball- und Speisesaal im ehemaligen Kirchenraum, einem Theater und Casino schickte sich der prominente Verleger an, den Glamour in das nordbadische Städtchen an der Oos zu bringen. Der „Badische Hof“ sollte die Standesgrenzen zwischen Adel und Bürgertum überwinden, wie die FAZ schreibt.
In Deutschland brillieren das „Adlon“ und der „Kaiserhof“
Im Zuge der Industrialisierung sowie Globalisierung von Handel und Verkehr wuchs auch der Wohlstand der Unternehmer. Immer mehr Grandhotels pflasterten fortan die Straßen von Metropolen und Kurorten – vor allem in den USA. Wer z. B. das nötige Kleingeld für das „Tremont House“ in Boston hatte, wurde seit 1829 mit einem dorischen Säulengang empfangen. 170 Zimmer boten reichlich Platz für den Wohlstand der Stadt im Bundesstaat Massachusetts. Das Aushängeschild des „Park Hotel“ am Broadway in New York, das bald den Namen „Astor House“ erhielt, war die französische Küche und die große Anzahl der Zimmer. Knapp 70 Jahre später entstand 1897 das „Waldorf-Astoria“. In Berlin zog man mit dem „Adlon“ und „Kaiserhof“ ebenfalls in den Kampf für die ausschweifende Gelassenheit der gehobenen Gastlichkeit.
Phänomenologie der Moderne
Die Faszination an Habbo Kochs Buch besteht darin, dass der Autor nicht nur historisch fundierte Fakten stilsicher präsentiert, sondern auch der „Phänomenologie des Grandhotels eine Phänomenologie der Moderne unterschiebt: soziale Verwandlungsdynamik, Verfall und Fortschritt, dialektische Struktur von herkömmlicher Ordnung und neuen Formen der Individualität – die Geburt der Moderne aus der Perspektive des Grandhotels.“ GRANDios. (FAZ.net / FL)