„Wie ein Pinkelbereich im Pool“
Dass Passivrauch ein relevantes Gesundheitsrisiko ist, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits vor etlichen Jahren belegt. Dass deutlich erhöhte Konzentrationen an Feinstaub aber nicht nur in Raucher-, sondern auch in Nichtraucherbereichen messbar sind, zeigt eine aktuelle Erhebung in Wiener Raucher-/Nichtraucherbetrieben. Diese Studie wurde von der IBO Innenraumanalytik OG in Zusammenarbeit mit Ärzten für eine gesunde Umwelt (ÄGU) in gemischten Wiener Raucher-/Nichtraucherlokalen durchgeführt.
Die neuen Erkenntnisse der quantitativ untersuchten Raucher-/Nichtraucherlokale im 15. Wiener Gemeindebezirk sind ernüchternd: Beinahe alle – und zwar 27 von 28 – untersuchten Wiener Gaststätten verstoßen gegen die Vorgaben des aktuell geltenden Tabakgesetzes. Die gefährlichen, feinen Nanopartikel – also Teilchen deutlich kleiner als 1 Mikrometer – sind nicht nur in Raucherbereichen, sondern auch in Nichtraucherbereichen in stark erhöhter Konzentration vorhanden. Bis zu 110.000 Feinstaub-Teilchen pro cm³ wurden in Nichtraucherbereichen gemessen. Zum Vergleich: In einem reinen Nichtraucherlokal befinden sich meist unter 5.000 Partikel pro cm³. Diese enorme Verschmutzung der Luft birgt gesundheitliche Risiken für Gäste wie auch Arbeitnehmer, wobei vor allem letztere Gruppe den Tabakrauchinhaltsstoffen stundenlang ausgesetzt ist.
Nichtraucherbereiche sinnlos?
Untersucht wurden insbesondere die drei Säulen des Nichtraucherschutzes:
- Sind die Raucher- und Nichtraucherbereiche sichtbar gekennzeichnet?
- Gibt es eine räumliche Trennung zwischen den Bereichen?
- Und ist man im Nichtraucherbereich vor schädlichen Rauchinhaltsstoffen geschützt?
Das Ergebnis: Nur ein Betrieb der ausgewählten Stichprobe erfüllte bei der aktuellen Untersuchung alle Vorgaben. Bei rund 64 Prozent der Betriebe gab es aufgrund fehlender Türen oder Trennwände (11 Prozent) bzw. ständig offen stehender Türen (54 Prozent) keine effektive räumliche und lufttechnische Trennung. Drei Viertel der Unternehmen kennzeichneten die Bereiche nicht bzw. nicht gut sichtbar und das prekärste Ergebnis: In 26 Betrieben – also rund 93 Prozent – gab es gesundheitsschädliche Konzentrationen an Feinststaub in den Nichtraucherbereichen, ausgelöst durch Passivrauch. „Die Konzentration an feinstem Nanostaub ist in den Nichtraucherbereichen der Mischbetriebe besonders schwerwiegend, denn sie ist meist deutlich – bis zum Zehnfachen – höher als an viel befahrenen Straßen und oft nicht wahrnehmbar“, hält Dipl. Ing. Peter Tappler, Innenraumklimatologe und Geschäftsführer IBO Innenraumanalytik OG, fest.
Handlungsbedarf in Österreich
Feinste Nanopartikel sind besonders gefährlich, weil sie tief in die Lunge vordringen können. Im Hinblick auf die Studienergebnisse kommentiert Facharzt Prof. DI Dr. Hans-Peter Hutter, ÄGU-Sprecher: „In Österreich besteht schon rein aus gesundheitlichen Gründen seit Jahren dringender Handlungsbedarf – Stichwort Arbeitnehmerschutz.
„Da der Nichtraucherschutz in den von uns untersuchten Lokalen de facto kaum gegeben ist, muss die gegenwärtige Gesetzeslage in Österreich aus unserer Sicht als unzureichend eingestuft werden“, so die Bilanz von Dipl. Ing. Tappler. Auf Basis der Studienergebnisse zieht er einen Vergleich: „Ein Nichtraucherbereich neben einem Raucherraum ist wie ein Pinkelbereich im Swimmingpool. Ein adäquater Nichtraucherschutz kann nur dann gewährleistet werden, wenn Raucher- und Nichtraucherbereiche durch mehr als nur eine Tür voneinander getrennt sind und wenn Ressourcen für die Überwachung der Umsetzung geschaffen werden.“
Über 400.000 Unterschriften
Das „Don’t smoke“-Volksbegehren haben in Österreich inzwischen jedenfalls schon über 400.000 Menschen unterschrieben. Die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ wollen trotzdem derzeit noch nicht von der geplanten Aufhebung des Rauchverbotes in der Gastronomie abrücken. (CK)