Keine Angst vor hohen Preisen
Im Editorial der aktuellen HOGAPAGE-Ausgabe wurde anlässlich der Schließung des 3-Sterne-Restaurants „La Vie“ in Osnabrück die Frage gestellt, wie ausgeprägt der Geiz des deutschen Gastes wirklich ist und ob die Spitzen-Gastronomie ohne finanzkräftigen Mäzen im Hintergrund überhaupt überlebensfähig ist. Häufig ist auch zu hören, dass man in der Alpenrepublik eher bereit sei, Qualität beim Essen zu honorieren als in Deutschland. Tatsächlich?
140 € für eine Portion Garnelen
Werfen wir mal einen Blick in die internationale Top-Gastronomie: Eine Suppe um 90 Euro? Bei uns undenkbar, im Restaurant des verstorbenen Großmeisters Paul Bocuse kein Problem. Die legendäre Trüffel-Consommé ist dort seit jeher ein gefragter Fixpunkt auf der Karte. Da klingt das große Menü um 275 Euro (ohne Getränke) fast schon wie ein Sonderangebot. Kollege Alain Ducasse geht noch einen Schritt weiter und verrechnet für einzelne Gerichte schon mal ohne mit der Wimper zu zucken dreistellige Beträge und für das Gourmet-Menü ohne Wein 360 Euro. Wenig Zurückhaltung beweist auch Scandinavian-Superstar René Redzepi (mit zwei Michelin-Sternen auf dem Niveau von Steirereck, Ikarus & Co). Er verlangt für sein Menü umgerechnet rund 300 Euro und für die Weinbegleitung zusätzlich 150 Euro. Zum Vergleich: In Österreich hat sich in den Top-Lokalen der Preis für das große Menü etwa zwischen 150 und 200 Euro eingependelt und da ist eine merkbare Preiserhöhung mancher Restaurants in den letzten Monaten schon dabei. Die 200-Euro-Schwelle traut sich bis jetzt kaum jemand zu überschreiten. Selbst in Deutschland kalkuliert man etwas lockerer. In der Schwarzwaldstube oder im Tantris etwa ist das große Degustationsmenü jeweils um 225 Euro wohlfeil.
Klare Schmerzgrenze
Was das für den Ertrag eines Restaurants heißt, kann man sich ohne Probleme ausrechnen, denn die Preise für Top-Produkte in der Küche sind in Frankreich nicht viel anders als in Deutschland oder Österreich und auch die Mitarbeitergehälter differieren jetzt nicht wesentlich. Sind wir in Österreich also nach wie vor zu billig? Das Problem ist wohl der Kunde. Bei rund 200 Euro liegt derzeit selbst in Lokalen mit internationalem Publikum wie dem Salzburger Ikarus für viele Gäste eine Schmerzgrenze, wie der dortige Küchenchef Martin Klein einmal in einem HOGAPAGE-Interview verraten hat. Prompt hat er damals auch die Frage, ob man mit diesem Restaurantkonzept Geld verdienen kann diplomatisch mit „Wir sind sehr froh, jemanden wie Dietrich Mateschitz als Chef zu haben“ beantwortet.
Mut zu einer fairen Kalkulation
Die Hauben- und Sterne-Tempel sind in Österreich heute oft genug Familienunternehmen, die vom Enthusiasmus und einer gewissen Selbstausbeutung der Protagonisten leben. Das wirklich gute Geld wird wohl nach wie vor eher eine Klasse darunter verdient. Doch wir sind auf dem richtigen Weg. So lange ist es noch nicht her, dass schon hundert Euro für ein Menü als teuer angesehen wurden, da sind die aktuellen 150 bis 200 Euro ohnehin schon eine merkbare Verbesserung. Dabei spielt es in Wirklichkeit kaum eine Rolle, ob das Menü jetzt 180, 200 oder 220 Euro kostet, wenn man sich diesen Luxus vielleicht ein- oder zweimal im Jahr zu einem besonderen Anlass gönnt. Und wer sich den Spaß alle paar Wochen leisten kann, für den ist es erst recht egal. Mut bei der Kalkulation ist also angesagt – immer vorausgesetzt natürlich, dass die Qualität des Gebotenen mitspielt. Ein Blick zu den Kollegen an der Winzerfront zeigt, wie es geht und wie locker die Kundschaft manche Preiserhöhungen schluckt. (CK)