Kritik

Novelle zur Verpackungsrichtlinie: Verbände warnen vor deutschem Alleingang

Gastronom übergibt To-go-Bestellung
Bei Wirtschaftsverbänden trifft die geplante Novelle des Verpackungsgesetzes auf Ärger und Unverständnis. (Foto: © DanRentea/stock.adobe.com)
Das Ministerium plant mit einem neuen Gesetz, weitere Verpackungen zu vermeiden und insbesondere Mehrwegverpackungen zu fördern. Dieser Vorstoß birgt jedoch Risiken für den Wirtschaftsstandort Deutschland, insbesondere für Hersteller und Inverkehrbringer von Verpackungen. Daher rufen verschiedene Wirtschaftsverbände, darunter auch der BdS, zu einem Stopp nationaler Alleingänge im Verpackungsrecht auf. 
Mittwoch, 12.07.2023, 15:45 Uhr, Autor: Sarah Kleinen

Der Vorstoß zur Novelle kommt aus Sicht der Verbände zur Unzeit. „Wir sind auf europäischer Ebene gerade in den Verhandlungen für eine allgemeine europäische Regelung zur Revision der EU-Verpackungsrichtlinie (PPWD), die sich auch mit den Fragen der jetzt vom Bundesumweltministerium vorgestellten deutschen Novelle auseinandersetzt. Noch ist das Rechtsetzungsverfahren der Verpackungsverordnung (PPWR), die ab 2025 in allen europäischen Staaten gleichermaßen gelten soll, nicht abgeschlossen. Ein jetziger deutscher Alleingang wird den Unternehmen der gesamten Lieferkette zusätzliche Belastungen bringen und schränkt die Wettbewerbsfähigkeit weiter ein“, erklärt Dr. Sieglinde Stähle vom Lebensmittelverband.

„Aus unserer Sicht ist diese Novelle Symbolpolitik. Daraus resultieren weder umwelt- noch wirtschaftspolitische Vorteile.“

Gemeinsam rufen die Wirtschaftsverbände Papierverarbeitung (WPV), Lebensmittelverband Deutschland, Industrieverband Papier- und Folienverpackung (IPV), Pro-S-Pack Arbeitsgemeinschaft für Serviceverpackungen, Die Papierindustrie (DPI), Bundesverband der Systemgastronomie (BdS), Fachverband Faltschachtel-Industrie (FFI), Verband Vollpappe-Kartonagen (VVK) und Verband der Wellpappen-Industrie (VDW) deshalb zu einem Stopp nationaler Alleingänge im Verpackungsrecht auf.

„Der Vorstoß des Ministeriums kommt zur Unzeit“

Die Gesetzesnovelle erinnere daran, dass gerade erst neue Regelungen zur Mehrwegangebotspflicht in Kraft getreten sind. Deren Umsetzung hakt, auch weil es aus Sicht der Verbände noch viele offene Fragen an das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt gibt. 

Wie können die lebensmittelrechtlichen Grundpflichten der Guten Hygienepraxis eingehalten werden? Was sind die Mindestvoraussetzungen bezüglich des Platzbedarfs für die Handhabung des Mehrweg-Geschirrs, einschließlich des rücklaufenden Leerguts? Wie lassen sich bei kleinen Flächen die Trennung von „reinen“ und „unreinen“ Bereichen umsetzen? Alles Themen rund um den Zielkonflikt zwischen Verpackungsgesetz und Verbraucherschutz bzw. Lebensmittelhygiene.

„Gerade werden alle Kräfte benötigt und gebündelt, um die PPWR zu novellieren. Der Vorstoß des Ministeriums kommt zur Unzeit. Jetzt Regelungen zu treffen, die in anderthalb Jahren durch eine einheitliche europäische Gesetzgebung wieder zurückgenommen werden könnten, birgt die Gefahr einer nach außen übereilt und kurzfristig wirkenden Politik und sorgt innerhalb der Industrie für enorme Unsicherheiten und zusätzliche Belastungen“, meint Karsten Hunger (Geschäftsführer des IPV).

Die Branche arbeite bereits seit Jahren sehr aktiv an der Materialreduzierung bei Verpackungen sowie an deren erfolgreicher Kreislaufführung. Die Verbändeallianz betont, dass der EU-Binnenmarkt als Einheit gesehen werden muss, Alleingänge seien nicht das, was eine europäische Wirtschaft stark mache.

Ökologischer Vorteil von Mehrweg mehr als fraglich

Parallel zu Mehrweg haben sich den Verbänden zufolge beim Verbraucher alternative Verpackungslösungen aus sehr gut recyclebaren Werkstoffen etabliert. Im To-Go-Geschäft bliebe die Nachfrage nach Mehrwegalternativen überschaubar. 

„Wir empfehlen, Politik nicht am Verbraucher vorbei zu machen“, erklärt Markus Suchert, Hauptgeschäftsführer des BdS. „Deutschland ist Spitzenreiter beim Recycling von Verpackungen und sollte diesen erfolgreichen Wirtschaftskreislauf weiter stärken.“

Ein weiteres Argument: Der oftmals behauptete pauschale ökologische Vorteil der Wiederverwendung gegenüber der Wiederverwertung wurde bereits mehrfach widerlegt. Zahlreiche Studien haben ergeben, dass Mehrwegverpackungen im Vergleich zu recycelbaren Kreislaufverpackungen für verschiedene Anwendungen eine höhere Umweltbelastung zur Folge haben können.1,2,3

So ist zum Beispiel der Wasser- und Energieeinsatz bei der Reinigung und Trocknung der Behältnisse enorm hoch. Gerade Letzteres ist aber extrem wichtig, da andernfalls Hygieneprobleme im Kontakt mit Lebensmitteln entstehen können.

Wie kleine Handwerksbetrieb-Filialen damit an stark frequentierten Standorten diese Anforderungen bei potenziell hohen Rücklaufquoten mit verschmutzten Verpackungen umgehen sollen, ist völlig ungeklärt. Auf die Vollzugsbehörden für das Verpackungsgesetz – die Lebensmittelüberwachung ist hierfür nicht zuständig – käme ein riesiger Berg Arbeit zu.

Wichtig ist laut der Verbände, zu berücksichtigen, dass die ökologische Belastung von Nahrungsmittelverschwendung um ein Vielfaches höher ist als die der Verpackung. Vor dem Hintergrund der notwendigen Reduktion von CO2-Emissionen sollte daher nicht die pure Reduktion von Verpackungen im Fokus der Politik stehen. Was zählt, sei ein möglichst geringer ökologischer Fußabdruck bei bestmöglicher Funktionalität der Verpackung über den gesamten Lebenszyklus.

1 Comparative Life Cycle Assessment (LCA) (fefco.org), 2022
2 Treibhausgas-Bilanz von Wellpappenverpackungen und alternativen Mehrwegverpackungen, 2021
3 LCA study on Takeaway (EPPA), 2022

(BdS/SAKL)

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