Denkfabrik fordert Wende in der Stadtbild-Debatte
In einer Pressekonferenz hatte Bundeskanzler Friedrich Merz „Probleme im Stadtbild“ in Zusammenhang mit Abschiebung und Migrationsfragen gesetzt. Die Äußerung löste eine breite und teils kritische öffentliche Debatte aus.
Nach anhaltender Kritik präzisierte der Bundeskanzler bei einem Besuch in London schließlich, was er mit den „Problemen im Stadtbild“ gemeint hat. Dabei verwies er auf Migranten ohne Aufenthaltsrecht und Arbeit, „die sich nicht an die in Deutschland geltenden Regeln halten“. Diese prägten teilweise das öffentliche Bild – etwa an Bahnhöfen, in U-Bahnen, Parkanlagen oder Stadtvierteln, „die auch unserer Polizei große Probleme machen“.
Zugleich betonte der Kanzler, dass Deutschland weiterhin auf Einwanderung angewiesen sei – insbesondere zur Stärkung des Arbeitsmarktes. Menschen mit Migrationshintergrund seien, so Merz, „ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Arbeitsmarktes“.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund riet daraufhin zur Diskussion über die tatsächliche Lage vor Ort. „Hinsichtlich der Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz erscheint es angebracht, nicht über Begrifflichkeiten zu diskutieren, sondern den Blick auf das Wesentliche zu richten“, sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger (CDU) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Es muss gelingen, dass die Bürger sich in den Innenstädten und Ortskernen wohl fühlen.“ Die Aufenthaltsqualität in den Städten und Gemeinden müsse besser werden. Auch der Schutz vor Kriminalität sei von Bedeutung.
DZG: „Gastwelt ist Schlüssel für lebendige Innenstädte“
Jetzt schaltet sich auch die Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG) in die Diskussion mit ein. Sie ruft zu einer Neuausrichtung der Stadtbild-Debatte auf.
„Innenstädte brauchen keine neuen hitzigen Debatten, die vom Kern des Notwendigen wegführen, sondern neue Perspektiven, die am Ende in bessere Bedingungen münden“, sagt Dr. Marcel Klinge, Vorstandsvorsitzender der Denkfabrik. „Wer über Zukunft der Zentren spricht, muss die Gastwelt als Treffpunkt, Arbeitgeber und Anker ernst nehmen; sie ist das Rückgrat lebendiger Städte und Gemeinden.“
Die Gastwelt – also Gastronomie, Hotellerie, Tourismus, Freizeit- und Kulturwirtschaft – sei längst zu einem zentralen Motor urbaner Vitalität geworden und verdiene eine stärkere politische Beachtung. Hier und in der Multifunktionalität der Innenstädte lägen große Potenziale.
Eine Studie des IFH Köln aus dem Frühjahr belege, dass bereits 40 Prozent der Innenstadtbesucher gastronomische Angebote als Hauptgrund ihres Aufenthalts nennen. Damit präge die Gastwelt das soziale und wirtschaftliche Gesicht vieler Städte. Doch in der politischen Stadtentwicklung werde sie bislang zu wenig berücksichtigt, so die DZG.
Fünf Forderungen
In ihrem neuen Positionspapier „Zukunft statt Zerrbild – Die Gastwelt als Schlüssel zu lebendigen Innenstädten“ formuliert die Denkfabrik vor diesem Hintergrund fünf zentrale Forderungen: Förderprogramme müssten die Gastwelt als eigenständigen Anker städtischer Infrastruktur begreifen; Steuer- und Abgabenpolitik müsse fairere Rahmenbedingungen schaffen, um Investitionen in Qualität und Service zu ermöglichen; Fachkräfteförderung müsse künftig auch Innenstadtpolitik sein; Aufenthaltsqualität müsse messbar und gezielt gefördert werden; und schließlich brauche es einen neuen Dialog über das Stadtbild von morgen – weg von Defizitdebatten, hin zu konstruktiver Zukunftspolitik.
„Wenn wir Vielfalt, Sicherheit und Lebensqualität in unseren Innenstädten sichern wollen, müssen wir die Gastwelt stärken“, betont Klinge. „Sie ist kein dekoratives Beiwerk, sondern eine systemrelevante Struktur für Wirtschaft, Gesellschaft und Zusammenhalt.“
Mit ihrem Papier will die Denkfabrik eine positive Wende in der Debatte anstoßen – hin zu einer Stadtpolitik, die Begegnung, Gemeinschaft und Lebensqualität als zentrale Werte einer modernen Stadtentwicklung versteht.
(DZG/dpa/Deutschlandfunk/SAKL)