Branchenpolitik, Community und Führung – Hotellerie diskutiert Wege in die Zukunft
Gleich zu Beginn wurde es politisch: In der „Aktuellen Stunde im Dreiergespräch“ diskutierten HDV-Vorsitzender Jürgen Gangl, Fritz Engelhardt vom DEHOGA Baden-Württemberg und digital zugeschaltet Anja Karliczek, die Vorsitzende des Tourismusausschusses des Bundestags, über die nach wie vor angespannte Lage der Branche.
Karliczek zeichnete ein klares Bild der aktuellen Herausforderungen: „Viele Betriebe stehen unter enormem Druck – durch steigende Kosten, durch die stetig anhaltende Diskussionen über die 7 Prozent Mehrwertsteuer und wie die Steuerausfälle durch eine Länderbeteiligung kompensiert werden könne. „Wir sollten uns von mancherlei Diskussionen nicht irritieren lassen“, mahnt Karliczek. „Ich bin positiv gestimmt, dass die Umsetzung der 7 Prozent für die Gastronomie erfolgreich sein wird.“
Gangl betonte in diesem Zusammenhang, wie wichtig es ist, dass in der Politik ein Verständnis für die Belange der Gastgeberwelt gefunden worden ist. Gerade im ländlichen Raum besteht nach wie vor die Herausforderung bei der Mitarbeitergewinnung sowie -haltung. Es ist wichtig, ein klares Zeichen dafür zu setzen, dass wir in der Gastgeberwelt mitsamt den Zulieferern eine bessere Planungssicherheit brauchen.“
Zusätzlich rückte Gangl die Arbeitsbedingungen in den Fokus und sprach sich für mehr Realitätssinn in der politischen Debatte aus: „Wir müssen Arbeitszeitmodelle finden, die zur Branche passen – nicht umgekehrt.“ Gleichzeitig betonte er, dass die Hotellerie und Gastronomie attraktive Karrierewege bieten, wenn man jungen Menschen echte Entwicklungsmöglichkeiten nur dementsprechend aufzeige.
Mitarbeiterbindung beginnt schon vor dem ersten Arbeitstag
Wie bauen Hotels eine starke Community auf – und warum ist sie für Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit so wichtig? Darüber diskutierten Prof. Dr. Vanessa Borkmann, Fraunhofer IAO, und Michael Artner, Personalleiter im Öschberghof.
Borkmann machte klar, dass sich die Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt grundlegend verändert haben. „Das Kräfteverhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern hat sich massiv verschoben“, sagte sie. Lebensläufe würden immer unlinearer, Menschen wechselten Rollen und Branchen häufiger – und sie erwarteten mehr Individualisierung.
„Community ist das, was die Stunde geschlagen hat. Es geht nicht mehr darum, Stellen zu besetzen, sondern Menschen, die die Werte eines Hauses teilen.“
Ihre Forschung zeige klar: Arbeitgeber müssen Mitarbeiter künftig entlang verschiedener Lebensphasen begleiten – vor, während und auch nach der Anstellung. Borkmann beschreibt es als ein „Ökosystem“, das Betriebe um sich herum aufbauen müssen. Hotels könnten heute nicht mehr warten, bis Bewerber zu ihnen kommen.
Artner bestätigte aus der Praxis, dass sich die Branche fundamental verändert hat: „Wir müssen uns auf Augenhöhe begegnen, sonst funktioniert es nicht mehr.“ Der Öschberghof zeigt, dass es gelingen kann: 95 Prozent der Auszubildenden bleiben dem Betrieb treu.
Persönliche Begegnungen sind wichtiger sind als Algorithmen
Im anschließenden Impulsvortrag stellten Marie-Therese Heep von FUTURE und Stephanie Christ von GastroConcierge die Frage, wie man Menschen gewinnt – und sie langfristig hält. Heeps Botschaft war eindeutig: „Mein bestes Recruiting hat keinen Algorithmus und keine KI. Mein bestes Recruiting findet auf Messen statt.“
Junge Menschen suchten Sicherheit, Nähe und Orientierung. Deshalb müssten die Betriebe wieder stärker sichtbar und persönlich präsent sein. „Menschen wollen Menschen sehen – nicht Hochglanzbilder.“ Christ legte den Schwerpunkt auf Mitarbeiterbindung und Führung. Ihr zentrales Credo: „Die meisten gehen nicht wegen der Aufgaben. Sie gehen, weil sie sich nicht gesehen fühlen.“
„Wirkungsvollstes Recruiting funktioniert nicht digital, sondern im direkten menschlichen Kontakt und mit Herz.“
In der anschließenden Podiumsdiskussion über Mitarbeitergewinnung und -bindung waren sich die Teilnehmer Stephanie Christ (GastroConcierge), Xuan Duong Ho (CMMB Vietnamesische Sprachschule), Christoph Hoenig (Neumühle Resort & Spa) und Lisa Thumm (Cluster HR Manager Mövenpick Hotel Stuttgart) einig:
Der Kern der Branche bleibt die Leidenschaft für Gastfreundschaft, doch die Erwartungen der Mitarbeiter – insbesondere der jungen Generation – haben sich verändert. Für sie zählen heute klare Werte, Sinnhaftigkeit, Work-Life-Balance, Flexibilität und der Wunsch nach echter Wertschätzung.
Führung neu gedacht: Selbstverantwortung als Schlüssel
In seinem eindrucksvollen Vortrag setzte Leadership-Experte Boris Grundl einen weiteren Höhepunkt der Tagung. Sein Ansatz: Führung beginnt immer bei der eigenen Haltung.
„Wir haben nur eine einzige Chance, besser zu werden: sich selber nehmen.“ Wahre Führung werde nicht über Druck, sondern über Einsicht und Tiefe erreicht: „Wenn Sie das Herz eines Menschen erreichen, folgt er.“ Grundls Botschaften sorgten für spürbare Resonanz im Plenum und lieferten Impulse, die viele Teilnehmer in die eigene Führungsarbeit mitnehmen dürften.
Inspiration, Aha-Momente und Weitsicht
Zum Abschluss brachte der HDV-Vorsitzender Jürgen Gangl die Tagung auf den Punkt: „Heute kamen wir in den Genuss geballten Know-hows zahlreicher Experten, die uns als HDV – und damit die Branche – vorwärtsbringen.“
Die Mischung aus politischer Einordnung, praxisnahen Insights, wissenschaftlicher Expertise und visionären Gedanken zeigte deutlich: „Die Hotellerie befindet sich im Wandel – und die HDV begleitet diesen Prozess aktiv und lösungsorientiert.“
Auszeichnung „Exzellenten Ausbildungsbetriebe"
Im Rahmen der Herbsttagung ehrte die HDV zwei Hotels als „Exzellente Ausbildungsbetriebe 2025“ – beide Häuser erreichten die volle Punktzahl von 100 Prozent.
(KAGI)