Kritik zu Koalitionsbeschluss

Wirkung von befristeter Steuerreduzierung fraglich

Nahaufnahme eines Kassenbons mit Blick auf die Mehrwertsteuer, im Hintergrund liegen Euro-Geldscheine
Der verminderte Steuersatz von 7 Prozent für Speisen in der Gastronomie gilt aktuell noch bis Ende des Jahres. (Foto: © studio v-zwoelf/stock.adobe.com)
Experten aus Wirtschaft und Tourismus bewerten die Umsatzsteuer-Senkung für die Gastronomie bis Juni 2021 kritisch. Viele weitere Betroffene, etwa die Reisebranche, gingen dabei leer aus.
Freitag, 24.04.2020, 10:58 Uhr, Autor: Kristina Presser

Seit Mittwochabend ist die zeitweise Reduzierung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie beschlossene Sache. Die Reaktionen darauf fallen gemischt aus. Vor allem aus der Branche selbst sowie von Wirtschaftsexperten kommen jedoch Zweifel angesichts der mit dem Koalitionsbeschluss verbundenen Bedingungen. Dazu gehört auch Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V. Er kritisiert die lediglich bis Juni 2021 befristete Senkung des Umsatzsteuersatzes in der Gastronomie: „Das Hilfspaket geht grundsätzlich in die richtige Richtung, ich sehe allerdings auch Probleme, vor allem bei der Senkung der Umsatzsteuer für die Gastronomie“, sagte er jüngst in München.

„Diese Maßnahme wirkt nicht bei Betrieben, die keine Umsätze machen, weil sie geschlossen sind. Sie ist nicht zielgenau“, teilte Fuest weiter mit. „Große Gastronomieketten brauchen diese Steuersenkungen nicht, sondern eher Überbrückungskredite.“ Vor allem aber sei die Umsatzsteuer nicht das richtige Instrument, um von der Krise besonders betroffenen Sektoren zu helfen. „Neben der Gastronomie sind viele andere betroffen, beispielsweise die Reisebranche oder die Messewirtschaft. Sie gehen leer aus.“

„Viele Gastronomiebetriebe werden insolvent gehen“

Ähnlich bewertet auch Prof. Dr. Burkhard von Freyberg, Tourismus-Professor an der Hochschule München, die Steuersenkung auf Zeit: Aus seiner Sicht würde eine langfristige Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent den Gasthäusern helfen zu investieren. Aber nur für ein paar Monate sei das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Freyberg: „Viele Gastronomiebetriebe werden insolvent gehen.“ Der Fachkräftemangel in der Branche dürfte nachlassen: Wer gut aus der Krise komme, werde leichter Mitarbeiter finden. Die Preise für die Gäste müssten tendenziell steigen, weil die Wirte wegen der Abstandsregeln weniger Gäste haben dürften. Auch deshalb sei eine langfristig niedrigere Umsatzsteuer dringend notwendig. Wirte sollten die Zeit jetzt nutzen, ihr Konzept zu überdenken, ihre Positionierung, ihr Online-Marketing. Mancher gehe bereits ganz neue Wege, etwa mit To-Go-Geschäft.
(ifo Institut/dpa/lby/KP)

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