Schwarz-roter Koalitionsausschuss plant Hilfen
Die große Koalition plant finanzielle Unterstützungen, um die deutsche Wirtschaft vor den bis dato noch nicht vollständig absehbaren Auswirkungen des Coronavirus zu schützen. Eine gestiegene Rezessionsgefahr sieht jedoch unter anderem die Industrie. Am Sonntagabend, 08. März 2020, kamen nun die Spitzen von Union und SPD im Kanzleramt in Berlin zu einer Krisensitzung zusammen, um diverse Hilfsmaßnahmen zu erörtern.
Aktuellen Zahlen der Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zufolge, rechne jedes zweite Unternehmen einen Umsatzrückgang aufgrund des Coronavirus. Betroffen sind laut DIHK vor allem Messebetriebe, die Reisewirtschaft und das Gastgewerbe. Aufgrund des derzeitigen Verlaufs des Coronavirus ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Koalitionsspitzen noch eine Aufstockung von Kreditprogrammen beschließen könnten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) brachte vor dem Koalitionsgipfel außerdem Bürgschaften und Steuerstundungen ins Spiel.
„Wir lassen euch nicht im Stich“
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte im ZDF: „Die Botschaft an all die vielen mittelständischen Unternehmen im Messe- und Gastronomiebereich ist: Wir lassen euch nicht im Stich. Wir werden euch helfen, diese schwere Zeit zu überbrücken.“ Er verwies auf Kreditlinien und Instrumente bei der staatseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau. Diese hätten bereits in der letzten Finanzkrise sehr gut funktioniert. „Und wir sorgen dafür, dass sie auch jetzt unbürokratisch, direkt und schnell zur Verfügung stehen.“ Altmaier nannte zudem „Maßnahmen im Bereich der Kurzarbeit“.
Folgende Vorschläge wurden dem Koalitionsausschuss gemacht:
- Regeländerung für Kurzarbeitergeld möglich
Um Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der aktuellen Coronavirus-Krise unter die Arme zu greifen, wird eine weitere Lockerung der Regeln für Kurzarbeit immer wahrscheinlicher. Bislang gibt es Kurzarbeitergeld, wenn mindestens ein Drittel der Belegschaft eines Betriebs von erheblichem Arbeitsausfall betroffen ist. Nun ist eine Schwellensenkung im Gespräch. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sprach im Deutschlandfunk außerdem von einer längeren Zahldauer des Kurzarbeitergeldes. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will damit bereits am kommenden Mittwoch „ins Kabinett gehen“. - Den Soli-Abbau vorziehen
Um den Konsum und die Nachfrage anzukurbeln, hat die SPD hat vorgeschlagen, den geplanten Abbau des Solidaritätszuschlags für mehr als 90 Prozent der Zahler von 2021 auf Mitte des Jahres vorzuverlegen. Die Union signalisierte Zustimmung. Eckhardt Rehberg (CDU), haushaltspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: Wenn Finanzminister Olaf Scholz (SPD) das ohne neue Schulden finanzieren und die technischen Probleme einer Umstellung zur Jahresmitte lösen könne, spreche nichts dagegen. - Investitionen und Infrastruktur
Die neuen SPD-Chefs hatten von ihrer Partei den Auftrag bekommen, ein weiteres Plus bei den Investitionen auszuhandeln. Das kann auch Entlastungen für Bürger und Unternehmen beinhalten, die zum Beispiel durch eine niedrigere Besteuerung von Personengesellschaften erwirkt werden. Die Union fordert schon lange eine Reform der Unternehmensteuer. - Thema Altschulden
Obwohl der Bund derzeit Rekordsummen investiert, nutzen Länder und Kommunen nur einen Teil dieser Gelder. Wie die SPD glaub, liege das vor allem an hohen Altschulden der Kommunen. Olaf Scholz will daher rund 2500 finanzschwache Kommunen unterstützen und ihre Kassenkredite in die Bundesschuld übertragen, um so mehr Investitionsspielraum für zum Beispiel Schulen, Straßen und Krankenhäuser zu schaffen. Wiederstand kommt aus der Union – CSU-Chef Söder: „Wir können jetzt am Sonntag nicht über Milliardengelder für Altschulden sprechen, wenn unsere Wirtschaft vor akuten Problemen steht.“
Reaktion DEHOGA
Inzwischen hat der DEHOGA auf das geplante Hilfspaket der Bundesregierung reagiert und wertet es als „ersten Schritt in die richtige Richtung“. DEHOGA-Präsident Guido Zöllick erklärt: „Die angekündigten Verbesserungen beim Kurzarbeitergeld als auch die in Aussicht gestellten Liquiditätshilfen begrüßen wir.“ Dennoch blieben die Beschlüsse des Koalitionsausschusses hinter den Erwartungen der Branche zurück, da die vereinbarten Maßnahmen nicht ausreichen würden, um die Krise zu bewältigen. Laut Zöllick brauche es mehr, wenn es erklärtes Ziel sei, dass durch die Corona-Krise möglichst kein Unternehmen in Deutschland in Insolvenz geraten solle und möglichst kein Arbeitsplatz verloren gehen solle.
„Die Verbesserungen beim Kurzarbeitergeld sind gut“, sagte Zöllick weiter. Wichtig sei es jetzt, die Kapazitäten in den örtlichen Arbeitsagenturen zur Bearbeitung der Anträge auf Kurzarbeitergeld auszubauen. „Wir wissen aber auch aus den Erfahrungen aus der Finanzkrise 2008/2009, dass das Kurzarbeitergeld im Gastgewerbe zwar wichtig ist, es erreichte aber nicht die Vielzahl der kleinen und mittleren Betriebe.“ Eine besonders wirkungsvolle Maßnahme wäre die Einführung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für Speisen im Gastgewerbe. Zöllick betont: „Die Sorgen wachsen von Tag zu Tag. Die Folgen für den Deutschlandtourismus sind gravierend. Dies gilt ebenso für die vielen regionalen Branchenzulieferer aus Landwirtschaft und Lebensmittelhandwerk sowie die Branchenpartner aus der Industrie im ganzen Land.“
(dpa/DEHOGA/KP)