Kommentar

Planlos auf Sicht gegen die Wand fahren – eine Abrechnung mit der deutschen Corona-Politik

Michael Müller (SPD, vorne l-r), Regierender Bürgermeister von Berlin und Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern.
Michael Müller (SPD, vorne l-r), Regierender Bürgermeister von Berlin und Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern. (Foto: © picture alliance/dpa/Reuters/Pool | Christian Mang)
Was ist in der Corona-Krise der große Unterschied zwischen einem Politiker und einem Unternehmer? Es liegt auf der Hand: Der Politiker arbeitet planlos und zuckt mit den Schultern, wenn es wieder mal schiefgeht. Ausbaden tut es der Unternehmer, der die Folgen im schlimmsten Fall mit seiner Existenz bezahlt.
Donnerstag, 18.11.2021, 09:49 Uhr, Autor: Daniela Müller

Selbst schuld – wäre er halt Politiker geworden. Klingt böse – ist auch durchaus so gemeint. Denn eine Sache, die ich der bisherigen Corona-Politik niemals verzeihen kann, ist, dass unsere Branche willkürlich an- und ausgeschaltet wurde. Uns wurden und werden noch immer Regeln auferlegt, deren Wirkungen weder wissenschaftlich belegt sind, noch dem gesunden Menschenverstand einleuchten. Einfach so. Weil der Politik halt nichts Besseres einfällt. Man tut etwas, nur um etwas getan zu haben – Hauptsache, es tut der Automobilindustrie nicht weh.

Keine Problemlösungsfähigkeiten in der Krise

Ernsthaft, welcher Unternehmer hat sich in den vergangenen  zwei Jahren nicht entnervt und verzweifelt die ergrauten Haare gerauft, angesichts der nicht vorhandenen Problemlösungsfähigkeiten unserer Regierungsverantwortlichen? In der freien Wirtschaft würde wohl keiner dieser „Landes-Manager“ für die Krisenbewältigung ein gutes Zeugnis ausgestellt bekommen. Die Liste des Versagens ist derart lang. Sie reicht vom Impf-Debakel über Test-Chaos und Masken-Skandalen bis hin zu unrechtmäßig verhängten nächtlichen Ausgangssperren. Angeführt wird das Ranking aber wohl zweifelsfrei von den absolut sinnfreien Lockdowns, die sich unsere Politiker offenbar aus anderen Ländern abschauen wollten – nur auch hier scheiterte die Effektivität an der schlechten Durchführung.

Für mehr als ein halbes Jahr – von November 2020 bis Juni 2021 – wurden bekanntlich die Betriebe unserer Branche komplett heruntergefahren! (Geplant war hier übrigens ein kurzer Wellenbrecher-Lockdown.) Zugleich transportierte der öffentliche Nahverkehr, vollbepackt mit Schülern, Pendlern und Spazierfahrern, das Virus ungebremst quasi von Anton nach Berta. Und auch die große Industrie-Lobby musste die Bänder ihrer Produktionsanlagen keinesfalls anhalten. Hier ist das Schulter-an-Schulter-Arbeiten eben „systemrelevant“. So einfach entscheiden Politiker über Wohl und Wehe.

Unternehmen unserer Branche bleiben größtenteils auf ihrem Schaden sitzen

Ja, es ist ein Skandal, wie viele Gastronomen, Hoteliers, Caterer, Veranstalter und deren Zulieferer auf diese Weise von unseren Politikern geschädigt wurden. Finanziell und zum Teil sogar körperlich, denn für die Sorgen und die endlosen schlaflosen Nächte gibt es keinerlei Entschädigung von den Verursachern. Auch nicht für all die verlorenen Mitarbeiter, die aus lauter Verzweiflung und Perspektivlosigkeit in andere Branchen abgewandert sind. Der Wert dieses Verlustes ist unvorstellbar hoch in einer Branche, die schon vor Corona um jeden Bewerber hart kämpfen musste.

Klar, es gab Corona-Hilfen und seit Beginn dieses Jahres Überbrückungshilfen – doch den Schaden nur ansatzweise ausgeglichen, haben die hier abrufbaren Beträge wohl in den allerwenigsten Fällen. Wenn sie überhaupt bereits ausbezahlt wurden. Denn anders als beim Eintreiben von Steuern, lassen sich die Behörden beim Auszahlen von Hilfen ganz offensichtlich nicht in ihrer Ruhe stören. Und so sitzen viele Unternehmen unserer Branche unverschuldet auf ihren hohen Verlusten, auf Schulden und Krediten, die ihnen die Politik eingebrockt hat, während andere Branchen mit starker Lobby und dem entsprechenden Einfluss in Berlin als Krisengewinner kaum mehr wissen, wohin mit ihrem Geld. Wer früher so naiv war und gedacht hat, dass man als Geschädigter in einem Rechtsstaat einen Anspruch auf den Ausgleich seines Schadens hat – der dachte wohl auch, dass sich eine Bananenrepublik zwangsweise in Südamerika befinden muss. Ganz schön naiv. Meine Abrechnung mit den Verantwortlichen könnte in diesem Punkt nicht übler ausfallen.

Und jetzt? Geben wir der neuen Regierung eine Chance es besser zu machen! Im besten Fall nun doch einmal mit durchdachtem Plan und Weitsicht, auch wenn das bedeuten muss, dass Neues ausprobiert wird. Das ist mühsamer, aber auch so viel sinnvoller, als immer nur wie eine dumme Fliege gegen die gleiche Glasscheibe zu klatschen. Warten wir es ab!

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