Kommentar

Operation gelungen, Patient tot

2 Biker begutachten den Auspuff eines Motorrades
Ab wann ist laut zu laut? In Tirol opfern die Grünen gerade Wirte und Hoteliers einem willkürlichen Motorrad-Fahrverbot. (© MoHo – Motorrad Hotels)
In Krisenzeiten, in denen die gesamte Tourismusbranche ums Überleben kämpft, eine wichtige Zielgruppe per Verordnung auszusperren, ist eine Kunst, die nur die Grünen beherrschen.
Donnerstag, 11.06.2020, 11:13 Uhr, Autor: Clemens Kriegelstein

Es geht also angeblich um die lärmgeplagten Anrainer in Tirol, die von den immer zahlreicheren Motorradfahrern gestört werden und die die grüne Verkehrslandesrätin, Ingrid Felipe, mit einer neuen Verordnung schützen will. Nur zur Erinnerung: Das ist jene Ingrid Felipe, die bei der Wahl 2017 mit ihrem untrüglichen Instinkt für politische Themen als Parteichefin den Rauswurf der Grünen aus dem Nationalrat in Österreich mitzuverantworten hatte. Diese Ingrid Felipe hat jetzt also für etliche Tiroler Täler ein Fahrverbot für „zu laute“ Motorräder erlassen. Was als „zu laut“ gilt, entnimmt sie dabei dem Standgeräusch im Zulassungsschein. Dass dieses Standgeräusch genau nichts mit dem – separat angeführten und wesentlich leiseren(!) – Fahrgeräusch zu tun hat, dass der nun willkürlich festgesetzte Grenzwert von 95db auch etliche neue, serienmäßige, völlig EU-konforme Modelle namhafter Hersteller wie BMW, Ducati, KTM oder Harley-Davidson betrifft, dass dieser Grenzwert umgekehrt gerade Motorräder mit illegalen Zubehörauspuffanlagen nicht trifft, dass mit dieser Regelung etliche Anrainer quasi enteignet werden, das sind alles Nebengeräusche, um die sich eine grüne Politikerin nicht kümmern kann, wenn es ihr ums große Ganze geht, nämlich den generellen Kampf gegen den motorisierten Individualverkehr.

Gern gesehene Klientel

Wesentlich schwerer trifft indes, dass mit der neuen Verordnung zahllose Gastwirte und Hoteliers in den betroffenen Tälern in Mitleidenschaft gezogen werden, die in der Vergangenheit gut von dieser Zielgruppe gelebt haben und die in Post-Corona-Zeiten ohnehin um jeden einzelnen Gast kämpfen müssen. Denn was man nicht vergessen darf: Motorradfahrer sind so gut wie nie alleine unterwegs. Man fährt zu zweit, zu dritt, zu viert, manchmal sogar in großen Gruppen. Wenn da nur einer von dem Fahrverbot betroffen ist, suchen sich alle ein neues Ziel. Und Biker sind inzwischen eine gern gesehene Klientel. Bei Motorrad-Neupreisen, die jedem Mittelklassewagen Konkurrenz machen, investieren die meisten viel Geld in ihre Leidenschaft und ziehen entsprechend auch bei der Quartiersuche das 4-Sterne-S-Hotel mit Wellnessbereich dem Privatzimmer vor und auch bei der Konsumation wird oft nicht jeder Euro zweimal umgedreht.

Der Aufschrei unter den Bikern in Österreich und sämtlichen Nachbarländern ist jedenfalls riesig. Hoteliers berichten von einer neuerlichen Stornowelle, die gerade jetzt ein wirtschaftlicher Alptraum ist, wobei es aus Solidarität sogar zu Stornos in Betrieben kam, die gar nicht in den betroffenen Tälern, ja teilweise sogar in anderen Bundesländern liegen. In sozialen Medien kam es sogar zu Boycott-Aufrufen für den Winterurlaub in Österreich.

Und die Schwarzen schauen zu

All das brauchen die Tiroler (gerade die …) Wirte und Hoteliers aktuell wie einen Stein am Schädel: nicht die Diskussionen mit verärgerten Gästen und schon gar nicht den dadurch fehlenden Umsatz. Ingrid Felipe ficht all das derzeit nicht an. Sie will Anrainer vor dem Motorradlärm – wenn auch mit völlig untauglichen Methoden – schützen. Kollateralschäden im Tourismus werden dabei achselzuckend akzeptiert. Spannend nur, dass der schwarze Koalitionspartner, der ein offeneres Ohr für die Wirtschaft haben sollte als die Grünen, diesem Treiben tatenlos zuschaut.

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