Mehrwertsteuererhöhung

Mehrwertsteuer in der Gastronomie: Die Branche kämpft weiter

Kemal Üres
Der Hamburger Gastronom Kemal Üres und sein deutschlandweites Netzwerk wollen weiter für die 7-Prozent-Mehrwertsteuer kämpfen. (Foto: © Vereint für die Gastro e.V.)
Ein herber Schlag für die Gastronomie! Die Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants soll wieder auf 19 Prozent steigen. Die Branche will jedoch nicht aufgeben und kämpft weiter für 7 Prozent.
Dienstag, 21.11.2023, 13:33 Uhr, Autor: Sarah Kleinen

Die Nachricht schlug ein wie ein Paukenschlag. Ende vergangener Woche wurde bekannt, dass sich die Ampel-Koalition auf ein Auslaufen der 7-Prozent-Mehrwertsteuer verständigt hat. Somit soll ab dem 1. Januar 2024 wieder der alte Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent gelten. 

Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach 60 Milliarden Euro an nicht benötigten Krediten für den Kampf gegen die Corona-Krise nicht in den Klimafonds geleitet werden durften, hat sich der Finanzspielraum des Bundes deutlich verkleinert. Die besondere Steuersubvention für Gaststätten kostet nach früheren Angaben etwa 3,4 Milliarden Euro.  

Wer ist verantwortlich?

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat die Koalitionspartner von SPD und Grünen für die Rückkehr zum normalen Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie verantwortlich gemacht. „Wenn alle Parteien an einem Strang gezogen hätten, wäre eine weitere Verlängerung drin gewesen. SPD und Grüne hatten aber andere Prioritäten. Ich verstehe, dass viele es bedauern. Aber die Rückkehr zur Normalität muss man akzeptieren“, sagte der FDP-Politiker der „Bild am Sonntag“.

Die gesenkte Gastro-Mehrwertsteuer sei eine Krisenhilfe gewesen, die aufgrund der Entscheidungen der großen Koalition schon in diesem Jahr entfallen wäre. Das habe er für 2023 verhindern können, sagte Lindner.

Widerspruch kam von den Grünen im Bundestag. Über einen Haushalt verhandele man gemeinsam, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch. „Es lagen in einer schwierigen Haushaltslage viele Fragen und Vorschläge auf dem Tisch. Entscheidungen treffen wir in der Ampel gemeinsam. Es ist kein guter Stil, wenn der Finanzminister nachher nichts mehr mit den Beschlüssen zu tun haben will.“

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"Wir werden richtig Druck machen“

Unmut kommt währenddessen aus der Gastro-Branche. So kritisiert z. B. die Initiative „Vereint für die Gastro“ den Beschluss der Ampel zur Rückkehr zu 19 Prozent und will weiter kämpfen.

„Ich kann meinen Ärger kaum in Worte fassen. Wir waren so kurz davor. Am Sonntag war noch alles klar: Die 7 Prozent bleiben und viele Existenzen werden gerettet ... Dass jetzt das 60-Millionen-Loch im Bundeshaushalt da ist, müssen wir Gastronomen ausbaden“, ärgert sich Kemal Üres von „Vereint für die Gastro“. „Das geht so nicht. Die Sache kann noch nicht durch sein. Und deshalb müssen wir von der Gastro-Branche noch viel lauter als bislang werden. Wir werden richtig Druck machen.“

Üres sieht eine nahe Zukunft, in der Zehntausende Gastronomiebetriebe in Deutschland wegen der höheren Mehrwertsteuer und ausbleibender Gästezahlen schließen müssen. „Ich werde daher jetzt mit meinem Netzwerk, zu dem zum Beispiel die Metro AG, Edeka Foodservice, Lieferando, TransGourmet und der Dehoga gehören, erneut schauen, was wir tun können. Jetzt müssen alle Verbände, alle Restaurants, Cafés und Clubs in Deutschland zusammenhalten! Egoismus, Neid und Häme gegen andere Betriebe können wir uns innerhalb der Branche einfach nicht mehr leisten. Wir kämpfen weiter!“

„Es bleibt genug Zeit, das Thema noch einmal wieder auf die Tagesordnung zu setzen“

Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga in Niedersachsen sieht eine Chance, dass die Rückkehr zum normalen Mehrwertsteuersatz auf Restaurant-Essen doch noch abgewendet werden könnte. Hauptgeschäftsführer Rainer Balke forderte beim Dehoga-Landesverbandstag am Montag in Wilhelmshaven die Bundesregierung auf, Farbe zu bekennen. 

„Es bleibt genug Zeit, das Thema noch einmal wieder auf die Tagesordnung zu setzen und uns endlich diese sieben Prozent wie gefordert zuzugestehen“, sagte Balke mit Blick auf die für Donnerstag angesetzte finale Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestages.

Bis zu 1.000 Betrieben im Gastgewerbe droht das Aus

Zwar sei der erste Schock bei den Mitgliedern mittlerweile verdaut worden, sagte Dehoga-Präsident Detlef Schröder. Die Betroffenheit sei aber nach wie vor groß. Rund 250 Delegierte kamen bei dem dreitägigen Landestreffen der Hoteliers und Gastronomen zusammen. Sie stimmten auch für eine Resolution, den niedrigeren Steuersatz beizubehalten.

„Ich glaube, der Politik ist nicht klar, was für ein volkswirtschaftlicher Schaden durch das Schwächeln des Gastgewerbes entstehen wird und das in einer Phase, in der Deutschland allgemein in eine Rezession läuft“, sagte Schröder vor den Delegierten.

Ein Sprecher von Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) sagte auf dpa-Anfrage, die Landesregierung sehe derzeit keine finanziellen Spielräume, um den ermäßigten Mehrwertsteuersatz fortzuführen. „Als Landesregierung haben wir zuletzt immer wieder betont, dass wir eine Verlängerung der Ausnahme begrüßen würden – das geht aber nicht ohne eine finanzielle Kompensation der erwarteten Ausnahmeausfälle durch den Bund.“ Den Landeshaushalt würde eine Verlängerung des ermäßigten Steuersatzes mit rund 155 Millionen Euro jährlich belasten, hieß es.

Der Branchenverband rechnet damit, dass viele Betriebe höhere Kosten nicht an ihre Gäste weitergeben könnten und deshalb schließen müssten. Der Verband geht von bis zu 1.000 Betrieben in Niedersachsen aus, denen dann im kommenden Jahr die Schließung drohe. Rund 10.000 Arbeitsplätze könnten dadurch im Gastgewerbe wegfallen, hieß es.

Bereits Corona und die Energiekrise hatten das Gastgewerbe trotz staatlicher Hilfen getroffen. Im Vergleich zu 2019 ging die Zahl der Betriebe landesweit um rund 3.500 auf 17.000 bis Ende 2022 zurück.

„Das ist eine Milchmädchenrechnung“

Der Cateringunternehmer und Duisburger Dehoga-Kreisvorsitzende Frank Schwarz stuft die angekündigte politische Entscheidung als katastrophal, beschämend und wenig souverän ein. Sie komme einem faktischen Aus für viele Betriebe in der gastromischen Branche gleich.

Der Dehoga schätzt die Anzahl der gefährdeten Betriebe auf 12.000. Zurecht seien die Kollegen tieferschüttert und haben Angst vor ihrer persönlichen Zukunft. „Es wird nur Verlierer geben. Viele meiner Kollegen stehen wirtschaftlich am Abgrund oder mussten bereits einen Schritt weitergehen. Ein ungeheuerlicher Skandal bahnt sich da an.“

Daher ist sich Frank Schwarz sicher, dass spätestens zur nächsten Bundestagswahl die jetzige rot-grün-gelbe Ampelregierung massiv abgestraft werde. „Die Menschen sind stinksauer und können es einfach nicht fassen. Wieder geht ein Stück Lebensqualität den Bach runter. Das sehen auch meine Kollegen so. Wieder verpassen unsere Politiker die einmalige Chance, die deutschen Mehrwertsteuersätze in der Gastronomie dem allgemein geltenden Niveau auf Europaebene anzupassen. Deutschland hinkt mal wieder hinterher.“

Das katastrophale Bild der Bundesregierung spiegelt sich nach Meinung des Vizepräsidenten des Dehoga Nordrhein auch in der Tatsache wider, dass Scholz, Habeck, Lindner & Co. ihre fatale Finanz- und Wirtschaftspolitik mit den Umsatzsteuergeldern aus der Gastronomiebranche retten könnten. Die Bundesregierung spricht hier von einem Volumen in Höhe von 3,4 Milliarden Euro.

„Das ist eine Milchmädchenrechnung“, gibt Frank Schwarz zu bedenken. „Die Rückkehr zu den alten Bedingungen wird die beiden verantwortlichen Finanz- und Wirtschaftsminister wie ein Bumerang treffen. Viele Betriebe werden in der Gastronomie aufgeben müssen. Geschlossene Betriebe zahlen überhaupt keine Steuern mehr. Und die Verbraucher? Auch die werden ihren Konsum deutlich einschränken müssen. Künstlich vom Staat verteuerte Preise in der Gastronomie führen naturgemäß zu deutlicher Konsumzurückhaltung“, prophezeit der Geschäftsführer der Frank Schwarz Gastro Group.

„Die Verbraucher können ihren hart verdienten Euro halt nur einmal ausgeben. Und wenn der schon für die massiv erhöhten Mieten und Energiekosten ausgegeben wurde, bleibt für das tägliche Kantinenessen, das Essen ihrer Kinder in der Schule oder der Kita oder einen Restaurantbesuch nicht mehr viel übrig. Ein Armutszeugnis für die Verantwortlichen. Wacht endlich auf!“, appelliert Frank Schwarz.

„Wir werden weiter kämpfen“

In den letzten Monaten hat der Dehoga bundesweit hart für die Beibehaltung der sieben Prozent gekämpft. Noch letzte Woche kamen eindeutige Signale von den Politikern, dass es auch 2024 mit der aktuellen Sieben-Prozent-Regelung weitergehen könnte.

„Jetzt aber die komplette Rolle rückwärts“, sagt Frank Schwarz. „Getreu dem Motto: Was interesseiert mich mein Geschwätz von gestern. Extrem enttäuscht bin ich von unserem wankelmütigen Kanzler, der einmal mehr bewiesen hat, dass er in vielen Dingen sehr vergesslich ist. Ich weiß jedenfalls, wo ich in zwei Jahren mein Kreuzchen machen werde und wo nicht.“

Auf ein Versprechen von Frank Schwarz können sich die Politiker in Berlin ohne Wenn und Aber verlassen: „Aufgeben ist sicherlich keine Option für uns. Wir werden weiter kämpfen. Um Gerechtigkeit. Um unsere Branche und das Schicksal unserer Kollegen. Fest versprochen!“

Am Donnerstag dieser Woche will der Haushaltsausschuss des Bundestags seine Budgetberatungen abschließen. Der Bundeshaushalt für 2024 soll am 1. Dezember vom Bundestag beschlossen werden.

(dpa/Frank Schwarz Gastro Group/SAKL)

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