Ernährungsstrategie

Kabinett beschließt Strategie für gesündere Ernährung

Cem Özdemir
Bundesernährungsminister Cem Özdemir präsentiert die Ernährungsstrategie seines Ministeriums. (Foto: © picture alliance / Flashpic | Jens Krick)
Weniger Zucker, Fett und Salz im Essen, mehr Bio und regionale Lebensmittel in Kantinen und Mensen – darauf zielt eine Ernährungsstrategie der Bundesregierung, die das Kabinett am Mittwoch beschlossen hat. Sie betrifft vor allem die Gemeinschaftsverpflegung und stößt dort nicht bei allen auf Begeisterung. 
Donnerstag, 18.01.2024, 10:33 Uhr, Autor: Sarah Kleinen

„Ich will, dass jeder eine echte Wahl für gutes Essen bekommt“, sagte Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) am Mittwoch. Das Kabinett beschloss dazu eine Strategie mit Zielen und Maßnahmen, die auch auf mehr Obst und Gemüse und weniger Lebensmittelabfälle setzen. 

„Leckeres, gesundes und nachhaltiges Essen darf nicht vom Geldbeutel abhängen oder davon, aus welcher Familie man kommt“, sagte Özdemir in Berlin. Und fügte gleich noch zur Klarstellung hinzu: „Entscheiden muss sich dann jeder selbst, da hat niemand jemandem etwas vorzuschreiben.“

Denn um einen „Kulturkampf“ solle es ausdrücklich nicht gehen, machte der Minister mit Blick auf Debatten deutlich, ob noch Schnitzel oder Kaffee mit Zucker auf dem Tisch sein dürfen.

Für ein gesünderes Essen 

Die Strategie mit dem Titel „Gutes Essen für Deutschland“ zielt insgesamt auch auf mehr pflanzenbasiertes Essen mit weniger Fleisch. Weniger Lebensmittel sollen im Abfall landen.

Ansetzen soll die Strategie besonders an Orten, wo jeden Tag viele Menschen essen, trinken oder einkaufen – in Firmen, Schulen, Kitas, Supermärkten. Gesunde Ernährung werde da nicht immer leicht gemacht, erläuterte Özdemir. Oft fehle auch ein entsprechendes Angebot. 

Dabei sei Handlungsbedarf da: Mehr als jeder zehnte Mensch hierzulande habe Diabetes, ungesunde Ernährung werde mit 14 Prozent der Todesfälle in Verbindung gebracht. Die Strategie führt verschiedene Maßnahmen auf – mit einem „Zielhorizont bis 2050“.

Zentrale Rolle für Kantinen und Mensen

Eine wichtige Rolle sollen Kantinen und Mensen in Unternehmen und anderen Einrichtungen spielen, in denen am Tag rund 17 Millionen Menschen essen. Dort sollen mehr pflanzliche, saisonale und möglichst regionale und ökologisch erzeugte Produkte auf die Speisepläne kommen und auch „so angeboten werden, dass junge Menschen sie gerne zu sich nehmen“, wie es in der Strategie heißt.

Die Qualitätsstandards und praktischen Tipps der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sollen demnach bis 2030 verbindlich etabliert werden.

Das Netz der Bildungseinrichtungen liegt zwar in Regie der Länder. Einen Impuls dazu gab am Wochenende aber auch der beim Bundestag angesiedelte erste Bürgerrat, der ein kostenfreies, gesundes Mittagessen für alle Kinder an Kitas und Schulen empfahl. Der Bund sollte das mindestens zur Hälfte finanzieren.

Özdemir ließ Sympathie dafür erkennen und machte klar, dass in einer großen Volkswirtschaft wie Deutschland Wege zur Finanzierung zu finden sein sollten. Und es wäre auch schon etwas, wenn der Bund als Nachfragefaktor aktiv werde, etwa bei den Standorten von Bundeswehr und Bundespolizei. 

Keine Werbung mehr für ungesunde Produkte

Die Strategie enthält auch, dass die Regierung Beschränkungen bei der Werbung für ungesündere Produkte an die Adresse von Kindern plant. Nur steckt das Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag seit Monaten wegen Einwänden der FDP fest.

Özdemir warb für die überarbeiteten Pläne, über die weiter zu reden sei. „Ich stehe da im Wort“, machte er klar.

Es wäre „ein Treppenwitz der Geschichte“, wenn man keine Lösung fände. Özdemir hat die Vorgaben schon enger gefasst. Werbeverbote für Produkte mit zu viel Zucker, Fett und Salz sollen demnach auf Zeiten konzentriert werden, wenn besonders viele Kinder Fernsehen schauen.

Kritik aus der Systemgastronomie

Die Verbrauchzentralen begrüßten es, dass die Bundesregierung den Handlungsbedarf erkannt habe. Die Strategie sei „ein erster Schritt“, entscheidend aber die Umsetzung.

Markus Suchert
Markus Suchert, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Systemgastronomie (Foto: © BdS)

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Systemgastronomie (BdS), Markus Suchert, betonte dagegen die Bedenken der Systemgastronomie bezüglich Verbote und regulatorischer Vorgaben im Hinblick auf den Kabinettsbeschluss zur Ernährungsstrategie der Bundesregierung.

„Grundsätzlich begrüßt der BdS jegliche Bestrebungen der Bundesregierung, für alle Menschen eine gute Ernährung leichter zugänglich zu machen und die Verschwendung von Lebensmitteln nachhaltig zu senken. Doch Verbote und weitere regulatorische Vorgaben sind in der aktuell herausfordernden Situation nicht zielführend, da diese die Unternehmen der Branche noch mehr belasten und ihre Wirtschaftlichkeit weiter bedrohen", sagt Markus Suchert. 

Auch eine Bevormundung des Gastes sowie eine Kategorisierung von bestimmten Speisenangeboten in gut oder schlecht dürfe es nicht geben. Vielmehr sollte man mehr in die Menschen vertrauen, in ihr Verständnis investieren und sie für eine ausgewogene Ernährung sensibilisieren.

"Der BdS und seine Mitgliedsunternehmen stehen für Austausch und einen engen Dialog mit der Politik sowie allen Beteiligten, um am Ende das Beste für jeden Verbraucher und jedes Unternehmen der Systemgastronomie zu erzielen. Die Systemgastronomie ist ein wichtiger Sektor der Außer-Haus-Verpflegung und bietet ein vielfältiges und bezahlbares Speisenangebot für Gäste aller Altersklassen“, betont Suchert. 

Unstimmigkeit in der Koalition

In der Koalition fielen die Reaktionen gemischt aus. Für die SPD nannte die Abgeordnete Peggy Schierenbeck die Strategie einen „Meilenstein für die soziale Gerechtigkeit, wenn wir sie wirksam und nachhaltig umsetzen“.

Der FDP-Fachpolitiker Gero Hocker sprach indes von einem „Sammelsurium aus Absichtserklärungen und Prüfaufträgen“. Wenn es im Parlament um konkrete Maßnahmen gehe, werde er sich jeder Bevormundung von Landwirtschaft und Verbrauchern entgegenstellen.

(dpa/BdS/SAKL)

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