Gastronomie

Gastwelt-Lobby in Berlin nur bedingt konkurrenzfähig

Vorstandssprecher der Denkfabrik Zukunft in Berlin: Dr. Marcel Klinge (Foto: © DZG)
Vorstandssprecher der Denkfabrik Zukunft in Berlin: Dr. Marcel Klinge (Foto: © DZG)
Die Denkfabrik Zukunft der Gastwelt hat ihre Daten aus dem letzten Jahr nochmals aktualisiert und ist zu eher unerfreulichen Ergebnissen gelangt. Die Lobby-Arbeit der Branche benötigt dringend Handlungsmaßnahmen. 
Montag, 22.04.2024, 09:02 Uhr, Autor: Christine Hintersdorf

Eine neue Auswertung des Lobbyregisters durch die Denkfabrik Zukunft der Gastwelt hat auch in diesem Jahr einige strukturelle Defizite in der Interessensvertretung der Tourismus-, Hospitality-, und Foodservice-Industrie aufgezeigt. 

Zu viele Player auf engem Raum

„Unsere aktualisierten Zahlen unterstreichen, dass die gleichzeitige Arbeit von insgesamt 110 verschiedenen Akteuren dazu führt, dass wir politisch ineffektiver kommunizieren als andere Branchen“, bilanziert Vorstandssprecher Dr. Marcel Klinge. „Um das zu ändern und dauerhaft mehr Einfluss in Berlin zu bekommen, ist es aus unserer Sicht notwendig, dass alle Player – ob Fachverbände, Denkfabriken oder Unternehmen – enger zusammenarbeiten und sich bei strategischen Anliegen besser koordinieren“, so der ehemalige Bundestagsabgeordnete. 

Aktualisierung der letzten Analyse

Der Deutsche Bundestag hat Anfang 2022 aus Transparenzgründen ein zentrales Lobbyregister eingeführt, in das sich mit wenigen Ausnahmen alle Interessenvertreter eintragen müssen. Die DZG hatte das Verzeichnis im vergangenen Jahr erstmals für die Gastwelt-Sektoren Tourismus, Travel, Hospitality, Catering und Foodservice analysiert und die Daten im März 2024 nun aktualisiert. 

Die Auswertung identifiziert 78 verschiedene Fachverbände, einen Dachverband und eine Denkfabrik. Hinzukommen weitere 30 Unternehmen, die in der Bundeshauptstadt Lobbyarbeit betreiben. Klinge: „In Summe sind damit 110 Akteure mit unterschiedlichen politischen Botschaften und Zielen in Berlin unterwegs – dadurch gibt es naturgemäß viele Reibungsverluste“. 

Drei zentrale Erkenntnisse

In ihrer Analyse kommt die Denkfabrik zu drei zentralen Erkenntnissen:

1.) Im Vergleich zu den drei ausgewählten Referenzbranchen sind für die Gastwelt deutlich mehr Akteure in der politischen Interessensvertretung unterwegs als üblich: Im Handwerk sind dies 18 identifizierte Organisationen, in der Automobilindustrie elf und in der Versicherungswirtschaft 16.

„Die große Vielfalt führt am Ende aber nicht dazu, dass die Interessen der Tourismus-, Hospitality- und Foodservice-Industrie in allen Teilen der Politik ausreichend wahrgenommen werden“, so Klinge. Eine aktuelle DZG-Umfrage zum Image der Gastwelt unter allen Bundestagsabgeordneten, die im Mai 2024 veröffentlicht wird, unterstreicht diese Einschätzung weiter noch einmal.

2.) Die hohe Fragmentierung der Lobbyarbeit zeigt sich auch mit Blick auf die Beschäftigten pro Verband oder Unternehmen: Von allen 110 Gastwelt-Akteuren gaben 91 an, ein bis zehn Mitarbeitende für die Interessensvertretung zu beschäftigen, inklusive des Dachverbandes BTW.:

„Für die Vergleichsbranchen arbeiten hingegen in zwei von drei Fällen weit über 100 Personen auf Dachverbandsebene. Selbst wenn die fünf größten Fachverbände, der BTW sowie die DZG, auf dem Papier zusammengerechnet werden (in Summe sind das 65 Beschäftigte), kommt die Gastwelt nicht annährend auf die Personalstärke des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (155 Personen) oder des Verbandes der Automobilindustrie (115 Personen)“, so Klinge. Vor diesem Hintergrund liege die aktuell größte ‚Baustelle‘ eindeutig auf Dachverbandsebene – personell wie finanziell. 

3.) Die DZG-Auswertung weist auch in diesem Jahr wieder eine generelle Unterfinanzierung der Gastwelt-Lobby im Vergleich zu anderen Branchen aus: Während alle verbandlich organisierten Akteure zusammen 5,7 Millionen Euro für Lobbyarbeit ausgeben, stehen z. B. allein dem Dachverband der Versicherungswirtschaft über 15,3 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung.  

„Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Interessensvertretung der Tourismus-, Hospitality- und Foodservice-Industrie derzeit nur bedingt konkurrenzfähig ist. Vor diesem Hintergrund sollten wir die vorhandenen Mittel effektiver bündeln – etwa durch Kooperationen oder sogar Fusionen. Hier liegt ungenutztes Potenzial. Außerdem muss die Dachverbandsebene deutlich gestärkt werden, wenn unser Dienstleistungssektor in Berlin auf dieser Ebene wettbewerbsfähig sein soll“, betont DZG-Sprecher Klinge.

(DZG/CHHI)

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