Franz Astleithner: Daran krankt Österreichs Gastgewerbe
In Österreich ist es mit dem Gastro-Nachwuchs nicht gut bestellt. An touristischen interessanten Orten und zahlungskräftigen Gästen mangelt es der Alpenrepublik nicht. Trotzdem krankt eine milliardenschwere Branche – nicht am Umsatz, sondern an ihrer personellen Zukunft.
„Schlechte Arbeitsbedingungen und Löhne“
Kurz vor Weihnachten stießen führende Politiker in Österreich die Diskussion an, ob das Gastgewerbe nicht aufgrund dieses dramatischen Fachkräftemangels auf die Liste der Mangelberufe aufgenommen werden soll (HOGAPAGE berichtete). Für Franz Astleithner liegt das Problem des Gastgewerbes jedoch nicht an fehlendem Fachpersonal oder arbeitsscheuen Arbeitslosen, sondern vielmehr an den „schlechten Arbeitsbedingungen und Entlohnungen“, wie der Sozioökonom in seinem Gastkommentar in der österreichischen „Presse“ schreibt.
Franz Astleithner argumentiert mit Fakten, die ihm als Wissenschaftler vertraut sind. So zitiert er den Wirtschaftsabschnitt „Beherbergung und Gastronomie“ aus dem Einkommensbericht, nach dem 2015 345.772 Personen unselbstständig beschäftigt waren. So verdienten saisonal beschäftigte Voll- und Teilzeitkräfte im österreichischen Gastgewerbe durchschnittlich 10.429 Euro im Jahr. Im Vergleich zu allen anderen Branchen, mit Abstand am wenigsten.
Ökonomische Bedingungen schlecht
Der durchschnittliche Jahresverdienst von Beschäftigten im Bereich der „Kunst, Unterhaltung und Erholung“ lag mit 14.739 Euro deutlich über dem der Geringverdiener aus dem Gastgewerbe. Ganzjährig beschäftigte Mitarbeiter aus der Gastronomie und Hotellerie kommen auf ein durchschnittliches Jahressalär von 23.459 Euro brutto. Es sei, so Astleithner, daher nicht verwunderlich, dass der Anteil der Arbeitslosengeld-Bezieher aus dem Gastgewerbe mit 26 Prozent besonders hoch ist. „Diese Ergebnisse spiegeln die diskontinuierlichen Beschäftigungsverhältnisse und den hohen Anteil an Teilzeitbeschäftigten, die den Beschäftigungsverhältnissen im Gastgewerbe anhaften und eben prekäre Bedingungen schaffen, wider“, sagt der Sozioökonom. So seien angesichts dieser schlechten Einkommensstruktur die ökonomischen Bedingungen im Gastgewerbe besonders ungünstig.
Arbeitszeiten sprengen den Rahmen
Arbeit zu Tag sowie in der Nacht setzt den Beschäftigten aus Gastronomie und Hotellerie alltäglich zu. Dazu kommen lange Schichten, die weit über einen 8-Stunden-Tag hinausgehen. Im Vergleich zu anderen Branchen Österreichs arbeiten die Beschäftigten im Gastgewerbe mit durchschnittlich 43,6 Stunden am längsten – Überstunden nicht einberechnet.
„Wir haben es hier also mit einer Branchenkultur langer Arbeitszeiten zu tun, in der Überstunden als solche gar nicht wahrgenommen werden“, erklärt Astleithner weiter.
Einführung des Mindestlohns gefordert
Für den Sozialwissenschaftler lässt sich aus der Faktenlage eine wichtige Erkenntnis ziehen: „Wenn es also in der Gastronomie an Personal fehlt, dann nicht, weil die Menschen arbeitsunwillig sind, sondern deshalb, weil die Arbeitsbedingungen vergleichsweise schlecht und unter dem österreichischen Standard sind. Angesichts dieses objektiv schlechten Abschneidens von Beherbergung und Gastronomie ist es eher ein Wunder, dass überhaupt noch jemand im Gastgewerbe arbeitet.“
In diesem Zusammenhang sollten daher nicht „die Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose verschärft oder ein ethnisierter Niedriglohnsektor vergrößert werden“ – was so wäre, wenn Gastronomieberufe ohne verbesserte Rahmenbedingungen zu Mangelberufen deklariert würden – sondern die „Arbeitsbedingungen verbessert und die Löhne gehoben werden“, wie Astleithner weiter betont. Zudem fordert er einen Brutto-Mindestlohn von 1.700 Euro im Monat. Astleithner ist sich bewusst, dass dadurch auch die Preise für die Gäste steigen könnten. „Dafür müssen wir vielleicht dann kein Schnitzel mehr essen, das von einer Köchin zubereitet wurde, die statt krank am Herd zu stehen, im Bett liegen sollte, und das von einem Kellner serviert wird, der ein Einkommen hat, mit dem er in Österreich kaum das Auslangen finden kann.“ („Die Presse“ / FL)