Diskussion um Vorteile für Geimpfte
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat das Vorpreschen einzelner Bundesländer bei Lockerungen für Geimpfte noch vor einer bundeseinheitlichen Regelung kritisiert. „Jetzt haben wir schon wieder den Zustand, dass sich eine Reihe von Ländern nicht an die Absprachen hält“, monierte der CDU-Politiker in der „Augsburger Allgemeinen“. Uneinheitliche Lösungen kurz nach dem Beschluss für eine bundeseinheitliche Corona-Notbremse seien irritierend für die Menschen, „ein zu großes Maß an Unterschiedlichkeit kann Vertrauen zerstören“, warnte Schäuble. „Wie sollen die Bürger, die durch Corona allmählich ja auch müde und durch immer neue Informationen überflutet werden, das noch verstehen?“
Das Bundesjustizministerium einen Verordnungsentwurf erarbeitet, wonach vollständig Geimpfte und Genesene in der Corona-Krise wieder mehr Freiheiten zurückerhalten sollen. Insbesondere von Auflagen für private Treffen und von nächtlichen Ausgangsbeschränkungen sollen diese Gruppen ausgenommen werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte erklärt, für ein rasches Vorgehen wolle die Regierung Bundestag und Bundesrat früh in Abstimmungen über die Verordnung einbeziehen. Der „späteste“ Termin für eine abschließende Entscheidung des Bundesrats sei der 28. Mai.
Verordnung schnellstmöglich erlassen
Schäuble sagte, er würde es begrüßen, wenn die Verordnung nicht erst Ende Mai verabschiedet würde. „Die Menschen sind sonst verunsichert, obwohl sie auch sehen, dass es mit dem Impfen viel schneller vorangeht als noch vor einigen Wochen erwartet“, unterstrich der CDU-Politiker.
Auch der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), drückt aufs Tempo. „Der Druck auf Restaurants und Hotels, wieder zu öffnen, wird jeden Tag größer. Wir haben daher die moralische und auch juristische Pflicht, die Einschränkung der Freiheitsrechte für Geimpfte und Genesene schrittweise zurückzunehmen. Es wäre gut, wenn das deutlich vor Ende Mai passiert“, sagte Bareiß der „Bild“. Die Sicherheitskonzepte der Hotel- und Gastronomiebranche seien umfangreich und gut, betonte er.
SPD für Freiheiten
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich machte gegenüber dem Blatt deutlich, an der SPD werde es kommende Woche nicht scheitern, eine Verordnung zu beschließen, durch die Geimpfte und Genesene schnell Freiheitsrechte zurückbekommen. Grünen-Chefin Annalena Baerbock betonte, die drastische Einschränkung von Freiheitsrechten müsse immer wieder kritisch überprüft werden. Es sei daher richtig, „dass Geimpfte mit denen gleichgestellt werden, die ein negatives Testergebnis haben“, sagte die designierte Kanzlerkandidatin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
DIW fordert zusätzliche Hilfen
Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, forderte in der „Augsburger Allgemeinen“ von der Regierung einen Öffnungsfahrplan, um der Wirtschaft einen schnellen Neustart zu ermöglichen. Dazu gehörten auch konkrete Hilfen, „die in vielen Fällen wohl auch noch lange nach der vollständigen Öffnung gewährt werden müssen“, sagte Fratzscher. Viele Firmen seien stark verschuldet und müssten sich ausreichend auf den Neustart vorbereiten. Das gelte vor allem für Unternehmen im stationären Einzelhandel, der Gastronomie, der Reise- und der Veranstaltungsbranche.
Dehoga Sachsen fordert sofortige Öffnung für Geimpfte, Genesene und Getestete
Der Branchenverband Dehoga Sachsen fordert eine sofortige Öffnung von Hotels und Gastronomie für Geimpfte, Genesene und negativ Getestete. Es müsse einen Strategiewechsel in der Pandemiebekämpfung geben, teilte der Verband am Freitag mit. Seit Monaten sei zu erleben, dass Menschen sich trotz aller Beschränkungen treffen – und zwar heimlich. Damit erreiche man genau das Gegenteil dessen, was man erreichen wolle: Die Infektionszahlen würden weiter nach oben getrieben.
Der Verband formulierte sieben Forderungen, die auf Erleichterung und Hilfe für die Branche zielen. Die Lage sei nach den monatelangen Schließungen katastrophal. Drei Viertel der rund 10.000 Gastgeber in Sachsen befänden sich nach eigenen Angaben in akuten finanziellen Nöten. Das Gastgewerbe sei finanziell, physisch und psychisch am Ende der Kräfte.
Für Geimpfte muss auch das touristische Übernachtungsverbot fallen
„Es ist richtig, dass die Bundesregierung intensiv daran arbeitet, Geimpften und Genesenen die Grundrechte zurückzugeben“, erklärt auch DTV-Geschäftsführer Norbert Kunz und fordert:„Für Geimpfte und Genesene muss aber auch das touristische Übernachtungsverbot fallen. Wenn keine Ansteckungsgefahr mehr besteht, müssen die Einschränkungen bei den Grundrechten aufgehoben werden. Das gilt für das bundesgesetzliche Übernachtungsverbot und erst recht für die Übernachtungsverbote der Bundesländer unterhalb der 100er-Inzidenz.“
(dpa/NZ)