Der Ruf nach besseren Bedingungen
Es gibt Handlungsbedarf in der Gastronomie. Fachkräftemangel, die Herausforderung der zunehmenden Digitalisierung, streng einzuhaltende Regularien, unterschiedliche Besteuerungssätze und das angegriffene Image des Handwerks – um nur ein paar Anforderungspunkte an das Gastgewerbe zu nennen. Vor allem von der Politik werden dazu schon lange korrigierende Maßnahmen gefordert. Damit nicht immer nur übereinander, sondern auch einmal miteinander gesprochen wird, hat die Metro im Rahmen der INTERNORGA erstmals zu einem Gastro-Politik-Dialog geladen und dafür Vertreter aller Fronten „an einen Tisch“ gebracht. Am vergangenen Wochenende diskutierten Wolfgang Kubicki, stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP und Vizepräsident des Deutschen Bundestages, und Guido Zöllick, Präsident des DEHOGA Bundesverbands, zusammen mit dem Berliner Sternekoch Tim Raue und Foodtruck-Unternehmer Dirk Schipper sowie Thomas Storck, Teil der Metro Deutschland Geschäftsführung. Im Raum stand nicht weniger als die Frage nach der Zukunft der Gastronomie in Deutschland. Moderiert hat die Podiumsdiskussion Cynthia Barcomi, US-amerikanische Konditorin, Gastronomin und Fernsehköchin. Das Event fand in privater Atmosphäre mit rund 80 Zuhörern im Hamburger Restaurant „Was wir wirklich LIEBEN“ von Hannes Schröder statt.
Personalmangel als größte Herausforderung für das Gastgewerbe
Welche Brisanz diese Problemthemen haben, darauf verwies Thomas Storck in seinen einleitenden Worten: Rund 222.000 Betriebe und damit etwa 2,2 Mio. Beschäftigte bilden laut Angaben des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) die Gastronomie in Deutschland. Trotz dieser scheinbar hohen Arbeitnehmerzahl, kristallisiert sich der gravierende Personalmangel als größte Herausforderung für den Wirtschaftsmotor Gastgewerbe heraus. Und dieser zieht sich durch alle Restaurant-Klassen. Auch Sternekoch Tim Raue macht dieses Problem als selbstständiger Gastronom und Unternehmer zu schaffen: „Ich glaube, die größte Schwierigkeit, die wir alle seit mehreren Jahren haben ist, dass das Geld auf dem Boden liegt, dass Gäste vor den Türen stehen und, dass der Personalmangel so dramatisch ist, dass wir nicht wissen, wie wir weiter in den nächsten Jahren agieren sollen. Auch wir suchen seit drei Jahren konstant Kellner.“ Dabei ist die qualifizierende Ausbildung an sich in unserem Land gut. Problematisch ist jedoch, dass zehntausende Deutsche lieber in der Schweiz und in Österreich ihr Glück in der Gastronomie suchen. Denn dort erhalten Fachkräfte in der Regel ein deutlich höheres Einstiegsgehalt nach der Ausbildung bzw. ein 13. und teils sogar 14. Monatsgehalt.
Stellschraube Mehrwertsteuer
Aber einfach die Preise für den Gast anheben, um den Umsatz zu steigern und höhere Gehälter zu finanzieren, ist schwierig; die Gefahr, dass dieser daraufhin fernbleibt, groß. Eine mögliche Stellschraube wäre dagegen die längst fällige Anpassung der Mehrwertsteuer auf 7 Prozent für alle Speisen unabhängig von der Darreichungsform – darin waren sich alle Gesprächspartner einig. Hier müsse die Politik eingreifen. Verständnis kommt also auch von Seiten der FDP. „Für mich ist es ein Grundbedürfnis, dass wir im gastronomischen Bereich mit den 7 Prozent für Speisen und Getränke auskommen. Wir kämpfen als freie Demokraten regelmäßig an dieser Front“, sagt Wolfang Kubicki. Mit dem DEHOGA tausche sich die Partei laufend aus. Gerade deshalb, und für ein weiteres politisches Meinungsbild, wäre es bei all dem Konsens an dieser Stelle wünschenswert, wenn nicht gar notwendig gewesen, dass sich auch ein Vertreter der Regierungskoalition dieser Diskussion gestellt hätte.
Unterstützung durch die Politik wünscht sich Dirk Schipper als Kleinunternehmer auch wenn es um das Thema Digitalisierung geht. Denn oftmals würden Gelder fehlen, um dem Technik-Puls der Zeit zu folgen. Und das schadet letztlich dem Umsatz und somit dem Geschäft. Das hat auch die Metro erkannt. Inzwischen bietet das Unternehmen digitale Produkte für die Branche an und verhilft Gastronomen kostenfrei zu einer eigenen Website, wie Thomas Storck angibt. „Denn wir wissen: Nur wenn es den Gastronomen gut geht, können wir auch davon profitieren.“
Daneben schult die Metro mit ihren Partnern Gastronomen für den richtigen Umgang mit anfallenden Regularien, beispielsweise in Sachen HACCP. Denn die Auflagenwucht zwingt Unternehmer regelmäßig in die Knie. „Die Bürokratie frisst die Gastronomie auf – damit hat wirklich jeder Gastronom zu kämpfen. Es müssen Freiräume für unternehmerische Lösungen geschaffen werden. Kleinunternehmer brauchen politische Unterstützung für liberale Ansätze“, berichtet Dirk Schippert, der zu Beginn mit seinen Foodtrucks „Devil Soups“ ebenfalls unter den strengen Regularien litt. Auch hier setze der DEHOGA an und fordere politisches Gehör – das nehme er als eine seiner Aufgaben wahr, sagt Guido Zöllick.
Das angekratzte Image des Handwerks
Nicht zuletzt ging es in der Gesprächsrunde auch um die Stellung des Handwerks im Allgemeinen. In einer Gesellschaft mit zunehmender Akademisierung und sich verändernder Lebens- bzw. Arbeitseinstellung (Forderungen nach ausreichender Work-Life-Balance und Sabbaticals) würde die Gastronomie als Handwerksberuf Menschen verlieren. So entsteht das Problem, „dass uns Mitarbeiter und Fachkräfte fehlen. Aber auch einfach Menschen, die bereit sind, zu arbeiten. Und da muss was passieren, damit müssen wir realistisch umgehen. Denn ohne Arbeitskräfte können wir nicht wachsen“, sagt Tim Raue. Hier liegt die Handlungsvollmacht jedoch nicht auf politischer Seite – junge Leute für eine vernünftige, gute Ausbildung zu begeistern, sei Aufgabe der Betriebe selbst, wie Wolfgang Kubicki betont. Und darin sind sich alle Diskutanten einig. Wenn es um die Rahmenbedingungen geht, ist jedoch die Regierung gefordert. „Für eine erfolgreiche Zukunft der Gastronomie brauchen wir eine Politik, die uns Zeit und Luft lässt, das zu tun, was wir am besten können: Gastgeber sein. Zu unseren Kernanliegen gehören deshalb flexible Arbeitszeiten, der Abbau von Bürokratie und gleiche Steuern für Essen“, fasste Guido Zöllick, Präsident des DEHOGA Bundesverbands, zusammen.
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