Interview

„Teilweise gehen schon die Nichtraucher mit vor die Türe“

Peter Dobcak
Peter Dobcak befürchtet, dass die Anrainerproblematik wegen des Rauchverbotes mit steigenden Temperaturen kommendes Jahr an Fahrt aufnehmen wird. (© Daniel Schaler)
Peter Dobcak, Obmann der Fachgruppe Gastronomie der Wirtschaftskammer Wien, im HOGAPAGE-Gespräch über die Bilanz nach einem Monat Rauchverbot aus Sicht der Gastronomie.
Mittwoch, 04.12.2019, 11:40 Uhr, Autor: Clemens Kriegelstein

HOGAPAGE: Hr. Dobcak, Etwas über ein Monat ist das Rauchverbot in Österreichs Gastronomie jetzt alt. Wie sind die Erfahrungen bis dato, wie zufrieden oder unzufrieden ist die Branche?
Peter Dobcak: Punkto Anrainern läuft es bis jetzt positiv. Diese sind noch geduldig und es gibt überraschend wenige Anzeigen. Was bemängelt wird ist die Situation mit den Zigarettenstummeln vor der Türe. Denn wir haben die perverse Situation, dass nach aktueller Rechtsauffassung der Wirt dann für den Lärm vor seiner Türe verantwortlich ist, ihm dieser zugerechnet werden kann, wenn er einen Aschenbecher vor die Türe stellt. Daher empfiehlt derzeit sogar die Behörde, auf das Aufstellen von Aschenbechern zu verzichten. Da sieht man, dass die ganze Regelung nicht richtig durchdacht ist.
Kritisch ist es für die Shishabars. Rauchen ist deren Geschäftsgrundlage. (Eine Grundlage, die den Shisha-Bars wenige Stunden nach dem Interview durch ein VfGH-Urteil entzogen wurde. Anm. d. Red.) Die haben Umsatzrückgänge von 95 Prozent. Die ersten haben schon zugesperrt, andere versuchen durch Kündigung von Mitarbeitern und einem neuen Geschäftsmodell irgendwie über die Runden zu kommen. Bitter ist, dass viele gerade in den letzten Jahren im Vertrauen auf die damalige Regelung stark investiert haben und damit hoch verschuldet sind. Schulden, die sie kaum begleichen können und die im Konkurs enden können.

Behördliche Anzeigen gegen Lokale gab es aber erstaunlich wenige, wie man hört.
Das stimmt. Aber das Thema war medial so präsent und auch die Drohung etwa von Wiens Stadträtin Uli Sima von einer Aktion scharf hat dazu geführt, dass sich wirklich fast alle an das neue Gesetz gehalten haben.

Wie sieht es umsatzmäßig aus? Hat sich der Rückgang in Grenzen gehalten?
Leider nicht. Vor allem Lokale mit einer hohen Anzahl an rauchenden Stammgästen mussten bis zu 50 Prozent Umsatzrückgang hinnehmen. In der Nachtgastronomie sind es um die 20 – 25 Prozent. Aber man darf nicht vergessen: Im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Kalkulation steckt genau in diesen 20 – 25 Prozent der Gewinn drin. Also keiner macht 25 Prozent Gewinn, aber in genau diesem Bereich wird letztlich das Geld verdient. Wenn jetzt Umsatz und damit auch Gewinn wegbrechen muss man eventuell Personal kündigen. Wir stehen damit vor der Situation, die es auch in Bayern gab, dass aufgrund des Rauchverbotes damals viele Clubs Personal kündigen oder ganz zusperren mussten. Die normale Gastronomie hat zwar auch einen leichten Rückgang, da hoffen wir aber, dass sich das wieder einpendelt.

Welche Erfahrungen gibt es denn mit dem Rauchverbot in anderen Ländern? Da gibt es ja auch verschiedene Meinungen, von „Katastrophe für die Branche“ bis zu „gar kein Problem“.
Das ist länderspezifisch. Es stimmt schon, dass sich die Umsätze jeweils auf einem etwas niedrigeren Niveau wieder eingependelt haben, aber es haben trotzdem viele Betriebe zugesperrt. Und was den großen Unterschied ausmacht: In anderen Ländern herrschen oft andere Rahmenbedingungen. In Italien darf man sich per Gesetz bis zwei Uhr früh auf der Straße aufhalten und feiern. In England und Irland darf ich Zelte vor die Türe stellen. Versuch das mal in Wien. Also das ist das Problem bei uns, dass man immer nur neue Einschränkungen schafft, ohne irgendwo anders Erleichterungen zu ermöglichen.

Könnte sich das Anrainerproblem im Sommer noch verschärfen? Im Moment hat jeder die Fenster geschlossen und nach einer schnellen Zigarette gehen die meisten Gäste gerne wieder ins warme Lokal zurück. Bei 25 Grad Außentemperatur kann das ganz anders aussehen.
Ich nehme jede Wette an, dass das genau so kommen wird. Das ist ja mit ein Grund, warum das Rauchverbot etwa in Hamburg nach starken Anrainerprotesten wieder aufgehoben wurde und man dort ab 22 Uhr in den Lokalen wieder rauchen darf. In Berlin schießen die Raucherkneipen aus dem Boden. Es gibt ja auch in fast allen Ländern irgendwelche Ausnahmeregelungen – aus gutem Grund. Wir sind in Wirklichkeit weit weg von einem generellen Rauchverbot in der EU. In Kroatien ist man auch wieder davon abgekommen. In Griechenland wird es „offiziell ignoriert“. Wir hätten also die Möglichkeit gehabt, uns die Erfahrungen anderer Länder, die das Rauchverbot teilweise schon über zehn Jahre haben, anzusehen. Hat man aber nicht gemacht. So streng wie bei uns ist es jedenfalls kaum wo.

Wie ist denn die Stimmung generell in der Branche? Die war ja auch bisher schon gespalten in eine „Alles lassen wie es ist“- und eine „Rauchverbot bringt gleiche Rahmenbedingungen für alle“-Fraktion.
Es stimmt schon, dass für viele Gastronomen jetzt endlich „Chancengleichheit“ herrscht. Aber was bedeutet denn das? Wenn bis jetzt jemand einen Nichtraucherbetrieb hatte, dann war das aus gutem Grund. Und wo sind denn jetzt die ganzen Nichtraucher, die sein Lokal stürmen? Dem konnte es ja in Wirklichkeit egal sein, ob der Nachbar rauchen ließ. Es war ja seine Entscheidung zum Nichtraucherlokal zu werden. In Wirklichkeit müssten jetzt auch die Raucherlokale alle bummvoll sein mit den Nichtrauchern, die bisher diese Lokale gemieden haben. Sind sie aber nicht. Natürlich gibt es Kollegen, die jetzt neue Gäste bekommen haben. Aber das sind eher Einzelfälle. Problematischer für die Branche ist, dass viele Raucher wegbleiben oder kürzer bleiben. Und bei vielen Feiern kommt die Stimmung nicht mehr so wirklich auf, weil die Gruppe ständig zerrissen wird, weil dauernd einer vor die Türe zum Rauchen geht. Teilweise gehen dann schon die Nichtraucher mit vor die Türe, weil draußen die Gaudi ist.

Gibt es für Gastronomen Chancen, Investitionen in getrennte Raucherbereiche zurückzubekommen?
Faktisch nicht. Alles was vor 2017 investiert wurde ist ohnehin abgeschrieben, da wird nichts mehr refundiert. Bei den Lokalen, die ab 2017, vertrauend auf die damals neue Rechtslage unter türkis-blau, investiert haben, gibt es Bemühungen, denen eine Ablöse zukommen zu lassen. Aber in Wirklichkeit wird da – wenn überhaupt – kaum was rauskommen. Das werden ein paar hundert Euro sein und fertig.

Ist das ganze Thema jetzt eigentlich für die Wirtschaftskammer gegessen oder versucht man noch, Verbesserungen für die Branche zu erzielen?
In erster Linie versuchen wir jetzt noch rechtliche Klarheit zu schaffen bei Fragen wie „Was ist eine Freifläche?“, „Was darf ein Gastronom vor der Türe aufstellen oder nicht?“, etc. Da fehlt im Moment jede Definition. Das will man ja wissen, bevor man einen Schani- oder Wintergarten plant. Oder man denke an die Schirmbars in den Skigebieten. Unter welchen Umständen gilt dort ein Rauchverbot oder nicht? Ich gehe derzeit davon aus, dass es dort geduldet wird. Wobei man auch dazusagen muss, dass der Tourismus im Westen eine andere Durchsetzungskraft hat als im Osten. Im Westen reagiert daher auch die Politik mit mehr Augenmaß, weil die genau wissen, wenn sie das zu hart durchziehen, werden sie das nächste Mal nicht mehr gewählt.
Aber um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: 60 Prozent unserer Mitglieder waren bisher schon Nichtraucherbetriebe, die Wirtschaftskammer ist also jetzt nicht auf der Raucherseite. Wir wollen nur, dass die größten Härten für die anderen 40 Prozent etwas abgefedert werden.

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