Reportage

Vom verzweifelten Kampf gegen Fake-Bewerter

Ein goldener Stern unter vielen schwarzen Sternen
Bewertungsdschungel: Holidaycheck sortiert bis zu 15 Prozent der Bewertungen aus, etwa weil Nutzer eine falsche E-Mail-Adresse angeben. Auch Manipulationsversuche seien darunter. (© Alexander Limbach/Fotolia)
Das Internet mit seinen endlosen Angeboten – praktisch, aber auch unübersichtlich. Umso besser, dass andere Gäste Restaurants und Hotels bewerten. Doch wie kann man sich zwischen echten Sternen und gefälschter Kritik orientieren?
Donnerstag, 18.07.2019, 12:10 Uhr, Autor: Thomas Hack

Die Lage traumhaft, das Essen fantastisch, die Zimmer vorbildlich sauber – wer möchte in einem solchen Hotel nicht gerne Urlaub machen? Umso schlimmer, wenn sich die verheißungsvolle Buchung als Fehlgriff erweist, weil auf den Hochglanzbildern im Internet alles so viel schöner aussieht. Hier können Online-Bewertungen helfen – theoretisch. Denn woher weiß man, dass diese nicht gefälscht wurden? Das sei für normale Kunden kaum zu erkennen, glaubt die Juristin Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern. Problematisch ist ihr zufolge, dass die Regeln für Bewertungen und die Sicherheitsvorkehrungen so vielfältig sind wie die Portale. Die einen suchen auf mehreren Wegen nach Fälschungen, andere seien da zurückhaltend. Verbraucherschützer fordern deshalb feste Regeln: Wer darf bewerten? Nach welchen Kriterien muss ich mich richten? Und wie sorgen Online-Portale dafür, dass Fake-Bewertungen gar nicht erst öffentlich werden?

Kampf gegen Fälschungen und Manipulationsversuche

Große Anbieter sehen sich bei der Sicherheit als Vorreiter. Bei Jameda in München sucht ein Algorithmus automatisch nach verdächtigen Inhalten, wenn Patienten Kommentare zu Ärzten abgeben. Außerdem gebe es 15 Leute, die zusätzlich prüften, erklärt Geschäftsführer Florian Weiß. Ähnlich sieht es bei Portalen wie der Seite Kununu aus Österreich aus, auf der Arbeitgeber bewertet werden können. Die Urlaubsseite Holidaycheck aus München sortiert im Schnitt 10 bis 15 Prozent der Bewertungen aus, etwa weil Nutzer eine falsche E-Mail-Adresse angeben oder weil Inhalte zum Beispiel beleidigend oder rassistisch sind. Auch Manipulationsversuche seien darunter, im unteren einstelligen Prozentbereich, erklärt Georg Ziegler, der bei Holidaycheck den Bereich leitet, der unter anderem für Bewertungen und Hoteldaten zuständig ist.

Klage gegen Bewertungen-Anbieter

Doch auch das System des zum Medienkonzern Burda gehörenden Urlaubsportals war angreifbar. Erst durch die Recherche eines Journalisten sei man auf einen Fall von Fälschungen aufmerksam geworden, gab Ziegler zu. Holidaycheck verklagte daraufhin die Firma Fivestar Marketing aus dem zentralamerikanischen Kleinstaat Belize. Sie soll Top-Bewertungen an Gastwirte verkauft haben, so der Vorwurf. Am 16. August soll das Urteil in dem Zivilprozess vor dem Landgericht München fallen. Tricks, die für Laien erst recht nicht zu erkennen sind, glaubt Halm. Fälscher arbeiteten inzwischen professionell und agierten nicht mehr aus dem Hinterzimmer. Und sie lernen dazu: „Wenn wir davor warnen, wie gefälschte Bewertungen erkennbar sind, wird darauf natürlich auch reagiert und diese Fehler werden dann künftig ausgemerzt“, erklärt die Verbraucherschützerin. Auch bei der Technik sei man mit den Fälschern in einem Wettbewerb.

Bestechung von Hotel-Testern

Trotzdem ist es vielen Internet-Nutzern extrem wichtig, was andere sagen. Nach Angaben der Verbraucherzentrale Bayern haben zwar drei Viertel der Kunden das Gefühl, dass sie Bewertungen nicht vertrauen können. Gewünscht sind sie trotzdem: Nach dem Preis seien Kommentare anderer Käufer die zweitwichtigste Orientierungshilfe. Verbraucherschützer berichten von kostenlosen Testprodukten oder von der Aufnahme in Produkttester-Clubs. „Solche Tester können sich durch die Aufnahme geschmeichelt fühlen“, schreibt die Verbraucherzentrale Bayern. „Außerdem bangen sie bei zu vielen schlechten Bewertungen vielleicht um ihren Status beim Händler.“ Außerdem seien die Anreize oftmals subtiler, etwa wenn Hotels den Gästen ein gratis Frühstück versprechen, wenn sie eine Bewertung abgeben. „Man fühlt sich einfach genötigt, dann da eine Art Dankeschön, ein Entgegenkommen zu zeigen“, sagt die Wirtschaftspsychologin Sarah Diefenbach von der LMU München. Wer sich im Dschungel aus Sternen, Erfahrungsberichten und Bewertungen zurecht finden will, dem bleibt nach Ansicht von Verbraucherschützerin Halm deshalb nur eines: „Ein gesundes Misstrauen bewahren“. (dpa/TH)

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Graffiti-Sprayer
Schutzmaßnahmen
Schutzmaßnahmen

Graffitis an der Fassade: So schützen sich Hotels und Restaurants

Ob gemalt oder gesprüht, ob ein Schriftzug oder Bild – auch Fassaden von Hotels oder Restaurants können Opfer von unerlaubten Graffitis werden. Worauf es dann ankommt und was vorbeugend hilft.
Christian Jürgens
Comeback
Comeback

Neustart für Christian Jürgens in der Schweiz

Eine turbulente Zeit liegt hinter ihm. Jetzt startet der Spitzenkoch wieder neu durch. Christian Jürgens übernimmt ab Oktober die kulinarische Leitung im Hotel und Restaurant Villa Florhof beim Kunsthaus in Zürich.
Christian Mayerhofer (Geschäftsführer CMI), Mario Gerber (Landesrat Tourismus, Wirtschaft und Digitalisierung), Sebiye Cara (Wirtschaftskammer Tirol Messepräsidentin), Johannes Anzengruber (Bürgermeister Landeshauptstadt Innsbruck), Karin Strobl (Projektleiterin Fafga), Alois Rainer (Spartenobmann Tourismus und Freizeitwirtschaft, Wirtschaftskammer Tirol) (v.l.n.r.) beim Pressegespräch zur Fafga
Branchentreff
Branchentreff

Fafga 2025: Tirols Zukunftsplattform für Hotellerie und Gastronomie

Trends, Talks, Transformationen: Vom 15. bis 17. September wird die Fafga auf der Messe Innsbruck zur zentralen Plattform der Hotellerie und Gastronomie in Tirol. Es treffen sich Branchenprofis zum intensiven Austausch über Top-Themen und Herausforderungen, die die zukunftsorientierten touristischen Betriebe von morgen bewegen. 
Spitzenköche
Event
Event

Küchenlegenden kehrten ins Wasserturm Hotel Köln zurück

Kulinarische Reunion im Wasserturm Hotel Köln: Bei einer exklusiven Kitchenparty kehrten gleich mehrere Spitzenköche an ihre einstige Wirkungsstätte zurück. Den Gästen boten sie dabei kulinarische Höhenflüge mit einem Blick auf die Kölner Lichter.
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche
Gasspeicherumlage
Gasspeicherumlage

Bundesregierung will Gaskunden entlasten

Unternehmen und Privathaushalte sollen ab dem kommenden Jahr weniger für Erdgas zahlen. Die Bundesregierung will die Gasspeicherumlage abschaffen. Der Bundestag wird am Donnerstag erstmalig über einen entsprechenden Entwurf debattieren.
Lars Klingbeil (SPD) sitzt neben Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Thorsten Frei (CDU)
Energiepolitik
Energiepolitik

Kabinett beschließt Entlastungen für Stromkunden – profitiert auch das Gastgewerbe?

Das Bundeskabinett hat wichtige Vorhaben in der Energiepolitik beschlossen. Milliarden-Zuschüsse sollen die Netzentgelte beim Strom senken. Eine Senkung der Stromsteuer für alle soll es aber vorerst nicht geben.
Zwei Gastronomen bei der Abrechnung
Umfrage
Umfrage

Dehoga schlägt Alarm: „7 Prozent Mehrwertsteuer auf Essen sind überlebenswichtig“

Die Lage im Gastgewerbe ist weiterhin angespannt. Der Dehoga befürchtet das sechste Verlustjahr in Folge für die Branche. Präsident Guido Zöllick fordert daher entschlossenes Handeln der Politik und Steuerfairness.
Restaurantsbetreiberin schaut auf einen Brief
Offener Brief
Offener Brief

Hotelier wirft Politik „Staatsversagen“ vor

Derzeit erhalten Tausende Unternehmen Rückforderungsbescheide für Corona-Soforthilfen aus dem Jahr 2020 – auch viele Gastronomen und Hoteliers sind betroffen. Ein Hotelier aus Hessen schlägt nun Alarm und warnt in einem offenen Brief an den hessischen Wirtschaftsminister vor den existenzbedrohenden Folgen für die Branche. 
Daniel Steinhoff
Fachkräftemangel
Fachkräftemangel

Fachkräftemangel beendet Ära des Brockenwirts

Eine Ära geht zu Ende: Seit 35 Jahren wird die Gastronomie und das Hotel auf dem Brocken im Harz von Familie Steinhoff betrieben. Nun will sich Brockenwirt Daniel Steinhoff jedoch zurückziehen – zumindest teilweise. Das ist der Grund.