Trendwende

Schrumpfkurs beim Fleischersatz: Ist der Veggie-Boom vorbei?

Tomate mit Schimmel
© Hellen Sergeyeva / Fotolia
Seit Jahren wächst der Erfolg der Veggie-Szene. Doch nicht nur Meldungen über Mineralöl in Fleischersatzprodukten brachte die Sparte in Verruf. Marktforscher beobachten einen Umschwung. Ist der Trend bald vorbei?
Donnerstag, 08.12.2016, 12:13 Uhr, Autor: Clemens Kriegelstein

Jahrelang ging es für vegetarische Fleischwurst, Sojaschnitzel und Veggie-Frikadellen bergauf. Die Begeisterung bei Verbrauchern mit Lust auf Fleischverzicht war groß, die Absätze schienen gesichert. Doch nun verzeichnen aktuelle Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) einen Schrumpfkurs. In diesem Jahr schwächte sich das Wachstum überraschend schnell ab und kam dann zum Erliegen. „In den letzen zwei, drei Monaten sind die Verkäufe sogar rückläufig“, berichtet GfK-Experte Helmut Hübsch.

Drei Gründe für den Schrumpfkurs:

  • Grund 1: Geschmack überzeugte nicht
    „Viele Verbraucher haben das mal ausprobiert. Aber ein großer Anteil davon hat es auch bei dem einmaligen Versuch belassen“, fasst Hübsch die Eindrücke der Marktforscher aus den letzten Monaten zusammen. Der Geschmack der Produkte hat offenbar nicht immer überzeugt. „Wir haben einen relativ hohen Anteil von Einmalkäufern.“
  • Grund 2: Mineralöl-Funde der Warentester
    „Mangelhaft“ und „ungenügend“ hieß es bei knapp der Hälfte der 22 Fleischersatzprodukte, die Öko-Test im Frühsommer auf Schadstoffe, Fett, Salz und Geschmack untersuchte. Nur ein Produkt bekam von den Testern die Note „gut“. Die Tester kritisierten die „überraschend hohe Belastung“ mit Mineralölbestandteilen bei einigen Produkten, aber auch Überwürzung und die Verwendung glutamathaltiger Zusätze, um den Produktgeschmack auf fleischähnlich zu trimmen. Außerdem bemängelten sie die allzu großzügige Verwendung von Salz bei etlichen Produkten und die „oftmals weiche bis breiige Konsistenz“ der Produkte.

Etwas besser, aber auch nicht wirklich gut, fiel ein Test von 20 Fleischersatzprodukten durch die Stiftung Warentest aus. Auch hier warnten die Tester vor „hohen Mengen an Mineralölbestandteilen“ in fünf Bratwürsten und einem Veggie-Schnitzel. Und darüber hinaus stellten sie fest: „Einige Veggie-Varianten schmeckten trocken, waren schwer zu kauen oder sehr salzig. Auch sind sie nicht per se kalorienärmer als die vergleichbaren Fleischprodukte.“

  • Grund 3: Nischenmärkte brauchen Zeit
    Für den Marketing-Experten Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU kommt der Rückschlag nicht völlig überraschend. „Vegetarische und vegane Produkte sind nach wie vor kleine Nischenmärkte,“ sagt er. „Natürlich essen auch Leute, die keine Hardcore-Vegetarier sind, mal Fleischersatzprodukte. Aber das schmeckt halt nicht so, wie man es gewohnt ist. Und es braucht Zeit, sich daran zu gewöhnen.“

Ist der Veggie-Boom vorbei?
Wohl nicht. „Es geht vielleicht nicht so flott aufwärts, wie ursprünglich gedacht – aber das Thema ist nicht erledigt“, ist der GfK-Handelsexperte Wolfgang Adlwarth überzeugt. Schließlich reduzieren nach einer Studie der Marktforscher inzwischen mehr als ein Drittel der Haushalte in Deutschland bewusst den Fleischverzehr. Vor allem unter den jüngeren Verbrauchern gebe es eine wachsende Gruppe, die aus ethisch-moralischen Gründen wie Tierwohl und Umweltschutz den Fleischkonsum generell ablehne. „Solche Überzeugungen wirft man nicht einfach so über Bord, wenn man älter wird“, sind die Konsumforscher überzeugt. Der Anteil der Vegetarier werde in den kommenden Jahren daher wohl trotz der gegenwärtigen Bremsspuren weiter zunehmen.

Und auch der Geschäftsführer des Vegetarierbundes Deutschland, Sebastian Joy zeigt sich wenig beeindruckt von den jüngsten Zahlen: „Veggie-Produkte haben einen festen Platz am Markt eingenommen. Der langfristige Veggie-Trend ist auf breiter Linie und in vielen Bereichen erkennbar“, meint er (dpa/ph).

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Neue britische Fünf-Pfund-Note
Kunststoffe
Kunststoffe

Vegetarier empört über tierische Fette in Geldscheinen

Erst im September hatte die britische Notenbank stolz ihre neuen Fünf-Pfund-Noten in den Umlauf gebracht – und schon gibt es Ärger. Der Kunststoff Polymer, aus dem die neuen Scheine bestehen, enthält wohl tierische Fette. Nun protestieren Vegetarier.
Insekten als Lebensmittel
Überblick
Überblick

Insekten in Lebensmitteln: Nische oder Trend?

Seit 2021 dürfen Insekten in der EU im Essen landen – große Skepsis inklusive. Wie sieht es vier Jahre später bei den Konsumenten sowie im Supermarkt aus? Ein Blick auf die Entwicklung und die noch bestehenden Vorbehalte. 
Veganuary
Aktionsmonat
Aktionsmonat

Der Einfluss des Veganuarys auf die Ernährungswende wächst weiter

Der Veganuary 2025 zieht eine beeindruckende Bilanz: Mehr als 25 Millionen Menschen weltweit probierten in diesem Januar die vegane Ernährung aus. Viele Unternehmen, der Handel und auch die Gastronomie beteiligten sich mit neuen pflanzlichen Produkten.
Weiterbildung "Ernährungscoach"
IST-Studieninstitut
IST-Studieninstitut

Weiterbildung „Ernährungscoach“: Neue Inhalte und flexiblerer Ablauf

Zum ersten Kursstart des Jahres ist die Weiterbildung „Ernährungscoach“ des IST-Studieninstituts überarbeitet worden. Das Ergebnis sind spannende neue Inhalte und noch größere Flexibilität. 
Michael Hetzinger, Alexandra Laubrinus und Christian Hamerle
Veranstaltung
Veranstaltung

Berlin Food Night präsentiert Future Foods für die Ernährung der Zukunft

Gewebter Schinkenersatz, zell-kultivierter Fisch und Wunder-Algen als Aroma-Booster – am Abend des 7. Oktober 2024 präsentierten Start-ups bei der Berlin Food Night ihre Ideen für die Ernährung der Zukunft. Im Restaurant Ursprung konnten 60 geladene Gäste Produkte und Techniken auf den Tellern genießen, die zeigen, wie wir künftig essen werden.  
Isabel Boerdam
Kampagne
Kampagne

Startschuss für „Eine Woche ohne Fleisch“ in Deutschland

Heute startet erstmals die EU-geförderte Kampagne „Eine Woche ohne Fleisch“ in Deutschland. Vom 7. bis zum 13. Oktober lädt die Aktionswoche dazu ein, eine fleischreduzierte Ernährung auszuprobieren. 
Isabel Boerdam
Kampagne
Kampagne

„Eine Woche ohne Fleisch“ kommt nach Deutschland

Bereits seit 2018 lädt die Kampagne „Eine Woche ohne Fleisch“ in den Niederlanden dazu ein, eine fleischreduzierte Ernährung auszuprobieren und begeistert damit jährlich Millionen Konsumenten. Nun kommt die Kampagne auch nach Deutschland. 
Flexitarische Nahrungsmittel, schön angerichtet
Ernährungsstil
Ernährungsstil

Keiner i(s)st so glücklich wie Flexitarier

Der Burgerbrater hat mit einer repräsentativen Umfrage in Deutschland herausgefunden, dass Menschen, die sich vorrangig pflanzlich ernähren, aber hin und wieder auch Fleisch essen, am zufriedensten mit ihrem Leben sind. Und nicht nur das – angeblich haben sie auch ein überaus reiches Sozialleben.
Zwei Frauen beim Salatessen
Studie
Studie

„So is(s)t Deutschland 2024“: Nestlé-Studie beleuchtet das Essverhalten der Deutschen

Welchen Stellenwert hat Ernährung im Leben der Deutschen? Wie unbeschwert ernähren sich die Menschen – und insbesondere die jüngere Generation Z – aktuell in einem wirtschaftlich und gesellschaftlich herausfordernden Umfeld? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt die aktuelle Nestlé-Studie „So is(s)t Deutschland 2024“.