Die Sache mit dem Gastgewerbe und der Work-Life-Balance
In welchen Branchen finden Angestellte das beste Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben? Zahlungsanbieter SumUp hat sich dies genauer angeschaut und verschiedene Faktoren, wie Arbeitsstunden, Bezahlung und die Bewertung von Jobs in der Branche als auch der Work-Life-Balance auf Glassdoor verglichen.
Die Ergebnisse im Branchen-Vergleich

Die top platzierten Branchen Deutschlands
Laut dem Ranking haben Mitarbeiter in der Energieversorgung das beste Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben. Diese Branche führt das Ranking mit geringen Arbeitsstunden von 38,6 pro Woche und vergleichbar hohem Monatslohn (5.789 € brutto) an.
Darauf folgen wissenschaftliche Dienstleistungen, also Jobs wie medizinische Fachkräfte oder Stellen in der Forschung und Wissenschaft. In diesem Wirtschaftszweig liegen die Einschätzungen der Work-Life-Balance auf Glassdoor gleichauf mit denen der Energieversorgung (3,86).
Im Bereich Finanzen und Versicherungen erhalten Mitarbeiter ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt von 6.182 €, welches die höchste Vergütung unter den verglichenen Branchen ist. Gepaart mit niedrigen Wochenstunden und guter Job-Bewertung, landet diese Branche auf dem dritten Platz.
Gastgewerbe in diesem Ranking
Das Gastgewerbe landet mit 39,3 Wochenstunden, nur 3.042 € Monatslohn und der niedrigsten Work-Life-Balance-Bewertung (3,11 Punkte) auf Rang 17 – Schlusslicht im Ranking.
Ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit zu finden, kann besonders zu Stoßzeiten eine Herausforderung darstellen. Doch hier ist es wichtig, dass Arbeitgeber proaktiv werden und Prozesse einführen, die Mitarbeiter entlasten und ihnen die Möglichkeit geben, nach der Arbeit wirklich abzuschalten.
Herausforderung: Abend- und Wochenendarbeit
Dass das Gastgewerbe im Ranking schlecht abschneidet, überrascht nicht: Laut Statistischem Bundesamt leisteten 2023 51 % der Beschäftigten Abendarbeit, 21 % Schichtarbeit und 13 % Nachtarbeit – weit mehr als in anderen Branchen.
Warum viele trotzdem bleiben
Trotz herausfordernder Bedingungen hat das Gastgewerbe Qualitäten, die Fachkräfte schätzen – und die Arbeitgeber bewusst herausstellen können:
- Sichtbarer Sinn: Direkter Gästekontakt, unmittelbares Feedback.
- Teamgeist: „Familiengefühl“ in vielen Betrieben.
- Schnelle Verantwortung: Junge Fachkräfte übernehmen früh Führungsrollen.
- Abwechslung statt Routine: Kein Tag ist wie der andere.
So wird das Gastgewerbe zum attraktiven Arbeitgeber
Die negativen Zahlen lassen sich in der Praxis drehen – Betriebe haben zahlreiche Stellschrauben.
1. Dienstplanung & Mitspracherecht
Digitale Tools ermöglichen Wunschdienst-Tage, transparente Überstundenkonten und rechtzeitige Veröffentlichung von Plänen. Die Berufsgenossenschaft (BGN) empfiehlt zudem gesundheitsgerechte Gestaltung von Schichtplänen mit ausreichenden Ruhezeiten.
2. Innovative Arbeitszeitmodelle
- 4-Tage-Woche: In Berlin praktiziert etwa das Sterne-Restaurant Nobelhart & Schmutzig dieses Modell – mit messbar höherer Zufriedenheit.
- Fixe freie Wochenenden im Rotationsprinzip: steigert Bindung und hilft beim Recruiting.
- „9-Tage-Fortnight“: Alle zwei Wochen ein zusätzlicher freier Tag – Pilotprojekte aus der Hotellerie zeigen positive Effekte.
3. Gesundheitsmanagement & Pausenkultur
Regelmäßige Pausen, gesunde Mitarbeiterverpflegung und psychische Gefährdungsbeurteilungen sind Pflicht und zugleich ein Wettbewerbsvorteil.
4. Faire Vergütung & Benefits
- Zuschläge für Nacht- und Wochenendarbeit
- Trinkgeldtransparenz
- Benefits wie ÖPNV-Ticket oder Dienstkleidung
5. Karriere- und Weiterbildungschancen
Dehoga-Zahlen zeigen: Die Ausbildungszahlen im Gastgewerbe steigen wieder – viele junge Leute schätzen die Aufstiegsmöglichkeiten und Vielfalt der Berufe.
Quick-Check: Was Betriebe sofort umsetzen können
- Pausen fest einplanen und absichern
- Diensttausch-Regeln klar definieren und digital abbilden
- Wunschdienste sammeln und berücksichtigen
- Jahresplan-Skelett mit fixen Frei-Blöcken erstellen
- Zuschläge & Trinkgeld transparent regeln
- Keine Schichtwechsel < 24 h ohne Ausgleich
Schlechter Ruf – aber viel Potenzial
Die SumUp-Studie macht deutlich: Das Gastgewerbe hat bei der Work-Life-Balance Nachholbedarf. Doch: Der Ruf ist gestaltbar.
Mit Planbarkeit, fairer Vergütung, innovativen Modellen und klaren Karrierepfaden können Betriebe den Spieß umdrehen – und aus der scheinbaren Schwäche eine echte Stärke machen. Praxisbeispiele von innovativen Restaurants und Hotels zeigen bereits, wie das funktioniert.
Wer proaktiv handelt, kann sich als Arbeitgeber von morgen positionieren – und die Fachkräfte gewinnen, die heute so dringend gebraucht werden.
(BGN/Busche/connective3/Dehoga/Destatis/SZ/SAHO)