Betrug mit System

Die „Durchfallmasche“: Wie Touristen Hotels betrügen

50 Millionen Euro sollen britische Touristen mit der „Durchfallmasche“ ergaunert haben. (Foto: © tverdohlib/fotolia)
50 Millionen Euro sollen britische Touristen mit der „Durchfallmasche“ ergaunert haben. (Foto: © tverdohlib/fotolia)
Jahrelang haben Urlauber aus Großbritannien auf Mallorca falsche Schadenersatzforderungen wegen angeblicher Lebensmittelvergiftungen gestellt. Das wollen sich die Hotels auf der Insel nicht mehr bieten lassen. Mittlerweile gibt es erste Festnahmen.
Montag, 18.09.2017, 09:13 Uhr, Autor: Markus Jergler

Das Konzept der Touristen war ebenso simpel wie gerissen. Es funktionierte in etwa so: Einfach während des Urlaubs auf Mallorca in die Apotheke gehen, ein Durchfallmittel kaufen und den Kassenbon einpacken – und dann zurück in der Heimat behaupten, man habe sich beim Essen im Hotel eine Lebensmittelvergiftung eingefangen. Schon standen die Chancen nicht schlecht, den gesamten Urlaub erstattet zu bekommen. Mit dieser Masche sollen britische Touristen seit 2013 auf der Baleareninsel mindestens 50 Millionen Euro ergaunert haben. Spanienweit waren es vermutlich um die 60 Millionen Euro.

Zahl der Beschwerden drastische gestiegen
Dass der Betrug erst Anfang dieses Jahres bemerkt wurde, liegt an der drastisch gekletterten Zahl der falschen Beschwerden. „Im vergangenen Jahr sind die Reklamationen um 700 Prozent gestiegen“, teilte der mallorquinische Hoteliersverband FEHM mit. Der Betrug habe vor allem in All-Inclusive-Hotels oder Unterkünften mit Halbpension stattgefunden – denn diese sind für eine Lücke im britischen Verbraucherschutzgesetz besonders anfällig. Demnach dürfen Touristen die Reiseveranstalter bis zu drei Jahre nach dem Urlaub für Erkrankungen haftbar machen, wenn diese vom Hotel verursacht wurden. Die Reiseveranstalter geben dann die Kosten des Schadenersatzes an die Hoteliers weiter.

Fragt man die Urlauber im besonders bei Briten beliebten Küstenort Magaluf, wollen sie nichts von der Masche gewusst haben. „Nein, nein. Nie gehört“, stammelt eine junge Mutter im pinken Trägertop und mit Mallorca-Strohhut, bevor sie ihre Tochter hastig auf die andere Straßenseite zieht. Ein älteres britisches Ehepaar, das über die berühmte Partymeile Punta Ballena spaziert, stimmt in den gleichen Tenor ein: „Sorry, da müssen Sie andere fragen“, sagen die beiden und scheinen es plötzlich sehr eilig zu haben.

Erste Festnahmen
Anfang September wurden sechs Verdächtige bei Razzien festgenommen, darunter eine bekannte britische Unternehmerin aus dem mallorquinischen Nachtleben. Ihnen wird vorgeworfen, Strohmänner vor den Hotels platziert zu haben, die die Touristen zu dem Betrug anstifteten. Das zurückerstattete Geld wurde dann zwischen den Drahtziehern und den Touristen aufgeteilt. Mehrere Anwaltskanzleien sollen Reiseveranstalter mit Klagen geradezu überflutet haben.

In einer Seitenstraße der Punta Ballena arbeitet Alfonso in einer Apotheke. „Wir haben am Anfang des Sommers von dieser Masche gehört. Seitdem geben wir zwar die Medizin raus, aber nicht mehr die Kassenzettel“, sagt er. „Wir werden keinen Betrug unterstützen.“ Die Taktik der Betrüger habe diesen Sommer dennoch recht gut funktioniert. „Wenn die Touristen auf dem Kassenzettel bestehen, dann haben wir natürlich keine Wahl.“ Solche Offenheit ist nicht selbstverständlich. In einer anderen Apotheke sagt eine von der Inselsonne gegerbte Verkäuferin, man habe strikte Anweisungen des Chefs, sich nicht zu dem Thema zu äußern.

Mittlerweile zeigt der Druck der Hoteliers erste Erfolge. Die britische Regierung hat angekündigt, das Verbraucherschutzgesetz zu überarbeiten. Und auch die Reiseveranstalter wollen bei dem Trick nicht länger mitmachen. So unter anderem Thomas Cook: Der Konzern bringt jährlich Hunderttausende Briten auf die Insel. „Unsere Kunden sollen wissen, dass wir an ihrer Seite stehen, wenn sie im Urlaub wirklich krank werden“, zitierten Medien auf der Insel Unternehmenschef Peter Fankhauser. „Wir wollen aber auch klarmachen, dass wir keine Entschädigungen zahlen, wenn Urlauber nicht direkt im Hotel über ihre Krankheit informieren.“ (dpa/MJ)

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