Fachkräftemangel

„Wir können das Ruder nicht alleine herumreißen!“

Claudia Schulze-Clewing
Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, braucht es gemeinsame Anstrengungen von Hotellerie und Politik, mein Claudia Schulze-Clewing, Personalreferentin des Holiday Inn München-Unterhaching. (Foto: © Holiday Inn München-Unterhaching)
Ein gutes Ausbildungssystem und Benefits für Beschäftigte überzeugten im Holiday Inn München-Unterhaching Azubis und Mitarbeiter. Doch der Fachkräftemangel hat auch das Vier-Sterne-Haus erreicht.  Nun stellt Personalreferentin Claudia Schulze-Clewing Forderungen an die Politik.
Dienstag, 23.11.2021, 14:30 Uhr, Autor: Natalie Ziebolz

Etwa zehn Auszubildende begrüßt das als TOP-Ausbildungsbetrieb zertifizierte Holiday Inn München-Unterhaching alljährlich aufs Neue. 2018 waren es rekordverdächtige 18, in diesem Herbst nur noch fünf. Erstmals in der Geschichte des Hotels konnten nicht alle freien Plätze besetzt werden. „Das ist für uns ein deutlicher Weckruf, dass wir noch weiter auf potenzielle Auszubildende zugehen müssen“, sagt Personalreferentin Claudia Schulze-Clewing. Sie ist unter anderem „Ausbildungsbotschafterin des bayerischen Gastgewerbes“ und hat in den letzten Jahren maßgeblich dafür gesorgt, dass ihr Haus bei Azubis und Arbeitnehmern hoch im Kurs stand – und immer noch steht. Überzeugt haben etwa eine faire Bezahlung, beschränkte Wochenenddienste, viele Fortbildungsangebote, Benefits wie Mitarbeiter-Wohnungen, eine Azubi-WG direkt im Hotel und auch ein Dienstwagen. Zum HR-Erfolg beigetragen haben zudem Aktivitäten wie Messebesuche, Info-Veranstaltungen in Schulen oder die Kooperation mit verschiedenen Arbeitsagenturen.

Mitarbeiter sollen noch mehr mitbestimmen und -gestalten

Um auf den wachsenden Fachkräftemangel zu reagieren, werden derzeit im HR-Team u.a. flexiblere Arbeitszeitmodelle erörtert. Auch soll der Dienstplan noch enger mit den Mitarbeitenden abgestimmt und in einem „Wunschbuch“ vorgemerkt werden. Dass diese Maßnahmen helfen werden, ist sich die Personalreferentin sicher, „doch das Ruder komplett herumreißen, werden sie nicht – das können wir nicht alleine“, so Schulze-Clewing.

Blick ins Ausland: Qualifizierte Fachkräfte scheitern an Bürokratie

„Der hiesige Markt ist schlichtweg leergefegt. Eine Lösung sehe ich derzeit nur durch den Zufluss von ausländischen Kräften – daher arbeiten wir schon jetzt mit EURES, dem Portal für internationale Fachkräfte, zusammen.“ Die Personalreferentin würde gerne noch mehr motivierte und fähige Menschen aus dem Ausland anwerben. Doch Bürokratie und Vorschriften stünden dabei oft im Weg. „In vielen Jobs dürfen nur zertifiziert ‚Ausgebildete‘ arbeiten – ein solches Zertifikat gibt es allerdings nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Andere Länder bilden in den Betrieben aus, also ‚Learning by doing‘. Ausländische Fachkräfte sind oftmals hochqualifiziert, sollen aber hier in die Berufsschule zu Azubis im ersten Lehrjahr gehen!“ Das sei nicht praktikabel. Schulze-Clewing fordert daher schnellstmöglich Unterstützung bei Aufenthaltsgenehmigungen und Arbeitserlaubnissen sowie die Vereinfachung formeller Prozesse.

„Die Politik lässt uns im Regen stehen!“

Die Hotellerie- und Gastronomie-Branche leide extrem unter dem Mitarbeitenden-Schwund durch die Corona-Pandemie, doch leider lasse die Politik die Branche derzeit im Regen stehen. „Wir brauchen dringend kurzfristige, praxisorientierte Lösungen, mehr Flexibilität und Raum für praktikable Handlungsmöglichkeiten – und zwar nicht erst morgen, sondern jetzt“, fordert Schulze-Clewing. Dies gelte nicht nur für die eigene, sondern für viele andere Branchen. „Es gibt so viele, sehr gute Hotellerie-Fachkräfte, die in Deutschland in ihrem Job nicht arbeiten dürfen, weil sie nicht genau die hier geforderten Qualifikationsbescheinigungen besitzen. Ein Patissier beispielsweise darf in Deutschland kein Schnitzel anfassen, weil er Spezialitätenkoch ist.“ Solche Regelungen verschärften die ohnehin angespannte Situation noch zusätzlich.

(Holiday Inn/NZ)

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Gerade in der Gastronomie werden seit Jahren händeringend Azubis gesucht - um so erschreckender die Zahl der Menschen ohne Berufsabschluss. (Foto: © Aunging/stock.adobe.com)
Arbeitswelt
Arbeitswelt

Millionen junge Menschen ohne Berufsabschluss

Erschreckende Zahlen aus dem Jahr 2022 veröffentlichte jetzt das Statistische Bundesamt. Etwas über 2,8 Millionen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren waren demnach ohne formale Qualifikation in Deutschland. 
Gerade mittelständische Unternehmen, zu denen auch viele Hotels zählen, benötigen Entlastungen und Förderungen von Seiten der Politik. (Foto: © Pixel-Shot/stock.adobe.com)
Wirtschaft
Wirtschaft

Maßnahmen zur Stärkung der Wachstumskräfte gefordert

In Deutschland herrscht derzeit ein sehr schwieriges Konjunkturumfeld sowie eine hartnäckige Schwächephase des deutschen Mittelstandes. Die Arbeitsgemeinschaft Mittelstand mahnt daher die Politik zum Handeln, um die Wachstumskräfte zu stärken. 
Nancy Faeser
Personalmangel
Personalmangel

Nancy Faeser will die Einwanderung von ausländischen Arbeitskräften beschleunigen

Um dem derzeitigen Fachkräftemangel entgegenzuwirken, will Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Einwanderung von ausländischen Arbeitskräften nach Deutschland beschleunigen. Wie das gelingen soll, verriet sie nach einem Besuch im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten in Brandenburg/Havel.
Zimmermädchen
Personalmangel
Personalmangel

Erleichterte Arbeitskräfte-Einwanderung: Punktesystem steht

Fach- und Arbeitskräfte werden in Deutschland an vielen Stellen dringend gesucht. So auch in der Hotellerie und Gastronomie. Eine vereinfachte Zuwanderung von ausländischen Fachkräften nach Deutschland soll Erleichterung verschaffen. Hierfür gibt es jetzt ein neues Punktesystem. 
Tischkickern macht Spaß.
Recruiting mal anders
Recruiting mal anders

Verrückte Idee: Mit Kickern zum Ausbildungsplatz

Gastgewerbe und Hotellerie finden immer schwieriger Nachwuchs. Das liegt wohl auch daran, wie die Branche für sich wirbt. Aber wie erreicht man die Jugend von heute und wie macht man ihnen eine Ausbildung schmackhaft?
v. l. n. r.: Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und Heimat, Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz und Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung, bei einer Pressekonferenz zur Fachkräfte-Einwanderung (Foto: © picture alliance/dpa | Michael Kappeler)
Personalmangel
Personalmangel

So soll die Arbeitskräfte-Einwanderung erleichtert werden

Vielen Unternehmen fällt es zurzeit schwer, Stellen zu besetzen – insbesondere auch Hotel- und Gastronomiebetrieben. Die Bundesregierung will daher die Zuwanderung von Fachkräften ankurbeln. Ein entsprechender Plan wurde am 30. November vom Kabinett verabschiedet.
Hubertus Heil
Personalmangel
Personalmangel

So will die Regierung die Einwanderung von Fachkräften erleichtern

Viele Unternehmen suchen derzeit händeringend Fachkräfte – so auch Betriebe der Gastronomie und Hotellerie. Erleichterung könnte der Einsatz arbeitssuchender Menschen aus dem Ausland bringen. Diese haben es aber oft schwer, eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland zu bekommen. Jetzt will die Koalition die Hürden senken.