Studie

Warum Azubis und Betriebe oft nicht zusammenfinden

Zwei müde Mitarbeiter im Restaurant
Insgesamt habe sich einer aktuellen Studie zufolge die Ausbildungssituation in Deutschland verbessert. Doch es gibt große regionale Unterschiede. (© K.C./ASDF/Blue Planet Studio/Fotolia)
Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Allerdings gibt es noch große regionale Unterschiede und zu viele Stellen bleiben unbesetzt. Eine Studie analysiert die Hintergründe.
Donnerstag, 19.09.2019, 10:34 Uhr, Autor: Thomas Hack

Die Zahl der Ausbildungsanfänger ist in den vergangenen Jahren wieder gestiegen, dennoch finden Ausbildungsbetriebe und Jugendliche häufig nicht zueinander. Das ist das Ergebnis des aktuell veröffentlichten „Ländermonitors berufliche Bildung 2019“ von Göttinger Wissenschaftlern und der Bertelsmann-Stiftung. Demnach suchten 2018 bundesweit 79.000 Jugendliche erfolglos eine Lehrstelle, obwohl die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze 58.000 erreichte. Die Forscher sprechen von einem „Passungsproblem“ und sehen mehrere, regional unterschiedliche Gründe. Für 44 Prozent der Stellen gibt es zwar interessierte Jugendliche, doch die Betriebe halten die Bewerber für ungeeignet. Andersherum finden auch die Jugendlichen nicht jeden Betrieb attraktiv. Bei einem Drittel der Stellen gibt es keinen einzigen Bewerber für diesen Ausbildungsberuf.

„Arbeitszeiten wichtiger als Entlohnung“

Das trifft vor allem Branchen wie die Gastronomie. Bei knapp einem Viertel ist fehlende Mobilität das Problem, da Stelle und Bewerber in unterschiedlichen Regionen sind. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) glaubt nicht, dass die Höhe der Ausbildungsvergütung ein Hauptgrund dafür ist, dass Betriebe und Jugendliche oft nicht zusammenfinden. „Sie ist selten entscheidend bei der Wahl eines Ausbildungsberufs“, sagte Karliczek dazu. „Aufstiegsmöglichkeiten, Arbeitszeiten, Arbeitsbedingungen und Ansehen sind ebenfalls wichtig. Daher sind vor allem die betroffenen Branchen und Betriebe gefragt, den jungen Leuten attraktive Angebote zu machen.“

Große regionale Unterschiede im Ausbildungsmarkt

Insgesamt habe sich die Situation im Zehn-Jahres-Vergleich verbessert. 2009 kämen bundesweit im Schnitt auf 100 Bewerber knapp 89 Stellen, heute seien es fast 97. Allerdings verdeckt diese Statistik die großen regionalen Unterschiede. Regionen mit einem Überhang an Ausbildungsstellen gäbe es vor allem im Süden. In Passau kämen auf 100 Bewerber 129 offene Stellen, in Hagen sind es dagegen nur 80. In Gebieten mit einem Mangel an Ausbildungsstellen hätten es besonders Hauptschüler und Ausländer schwer. 2017 fanden nur 37 Prozent von ihnen direkt nach dem Abschluss einen dualen Ausbildungsplatz, 10 Prozent gingen weiter zur Schule. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) begannen eine Maßnahme im sogenannten Übergangssektor, in dem die Schüler auf den Beruf vorbereitet werden und die Allgemeinbildung verbessert wird.

„Ausbildungschancen hängen von Wohnort und Pass ab.“

Schlechte Karten bei der Ausbildungssuche haben ausländische Staatsbürger. Nur 44 Prozent von ihnen fanden 2017 direkt eine Stelle, während die Quote bei den deutschen Jugendlichen bei 77 Prozent liegt. „Das deutsche Ausbildungssystem ist ein Zugpferd für die wirtschaftliche Entwicklung. Erfreulicherweise werden wieder mehr Ausbildungsplätze angeboten, doch zu viele davon bleiben unbesetzt“, beklagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. „Die Ausbildungschancen junger Menschen hängen noch immer von ihrem Wohnort, ihrem Schulabschluss und ihrem Pass ab. Besonders dramatisch ist die Lage im Ruhrgebiet, in den mittleren Städten Hessens und Niedersachsens sowie im Nordosten Brandenburgs. Wir dürfen aber nicht zulassen, dass in Oberhausen, Bochum, Hagen, Eberswalde oder Flensburg eine verlorene Generation heranwächst“, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack.

Studienabbrecher und Flüchtlinge gewinnen

„Der Bericht legt den Finger in die Wunde, gibt aber nur teilweise zielführende Handlungsempfehlungen“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Achim Dercks, zu der Studie. „Ein neues Übergangssystem mit öffentlich finanzierten Ausbildungsalternativen wäre als Antwort der falsche Weg“, sagte Dercks zu einem Vorschlag der Studienautoren. Zielführend sei vielmehr, was direkt und ohne Umwege in die betriebliche Praxis führe. So sollten Kammern und Arbeitsagenturen gezielt Betriebe ansprechen, die ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen könnten, und dafür werben, noch mehr Bewerbern mit schwierigen Startchancen Ausbildungschancen zu geben. „Für Leistungsstarke muss Ausbildung noch attraktiver werden, zum Beispiel durch den Ausbau von Auslandsaufenthalten während der Ausbildung.“ Auch Studienabbrecher, Geflüchtete oder junge Menschen mit Behinderung müssten noch mehr für eine duale Ausbildung gewonnen werden. (dpa/TH)

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