Personalmangel

Gastronomen und Hoteliers fehlen Arbeitskräfte

Kellner bringt Teller aus der Küche
Zahlreiche Betriebe haben aktuell zu wenig Personal. (Foto: © Marko Novkov/stock.adobe.com)
Nach langer Zwangspause mit Insolvenzsorgen können Lokale, Hotels und Touristikbetriebe in die Sommersaison starten. Ausgerechnet jetzt mangelt es vielen aber an Hilfs- und auch Fachpersonal.
Dienstag, 15.06.2021, 09:17 Uhr, Autor: Martina Kalus

Vielerorts füllen sich Lokale und Restaurants aber langsam wieder. Auch Hoteliers und Touristiker hoffen dringend auf Besserung nach dem oft vermasselten Jahr 2020. Doch selbst wenn die Inzidenzen mitspielen, dürfte der Neustart hier und da an seine Grenzen stoßen – oder gar ausbleiben. Denn zahlreiche Betriebe haben zu wenig Personal.

Dehoga zeigt aktuelles Stimmungsbild

Ein aktuelles Stimmungsbild unter Mitgliedern des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) zeigt, wie eng es beim Service zum Start in die für viele existenzielle Sommersaison aussieht. Mehr als 42 Prozent der Teilnehmer berichteten, dass Mitarbeiter in andere Branchen abgewandert seien. Dabei hätten fast drei Viertel (73,7 Prozent) der Betriebe „mit aller Kraft gekämpft“, um das Beschäftigungsniveau durch die Pandemie-Zeit zu halten, während die übrigen (26,3 Prozent) Kündigungen aussprechen mussten.

Pandemie fordert ein Strukturproblem

Die Hauptgeschäftsführerin der Dachorganisation, Ingrid Hartges, nennt „dauerhafte Öffnungen“ als Bedingung für eine Rückkehr. Aber wie lange wäre die Unterbesetzung beim Kellnern, Kochen oder an der Rezeption auszuhalten? Von jenen Unternehmen, die zurzeit noch gar nicht aufmachen können, gab in der ersten Juni-Woche nahezu ein Drittel „fehlende Mitarbeiter“ als Grund an. Dabei ist die Sehnsucht der Kundschaft nach Eisdiele, Feierabend-Bier oder einem guten Essen auswärts in Gesellschaft groß. Im Tourismus zogen die Buchungen für etliche Inlandsziele an. Dennoch ist zu berücksichtigen: Es geht nicht nur um Assistenzkräfte, die anderswo mehr Chancen sehen. Es gibt auch ein Strukturproblem, das die Pandemie verschärft hat: den Mangel an Fachkräften beim Stammpersonal.

Ernstes Risiko für das eigene Geschäft

In der Analyse des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) zur Tourismus-Konjunktur in diesem Frühsommer wird der Engpass deutlich: 48 Prozent der befragten Gastronomen bezeichneten den Fachkräftemangel als ernstes Risiko für das eigene Geschäft – beinahe eine Verdreifachung gegenüber dem Vorjahreszeitpunkt (17 Prozent). Bei Beherbergungsbetrieben wie Hotels oder Pensionen ergab sich eine ähnlich kritische Entwicklung von 11 auf 46 Prozent.

Mitarbeiter zog es in andere Branchen

Auch in Niedersachsen mit seinem volkswirtschaftlich bedeutenden Küsten-Tourismus sowie den Urlaubsgebieten in Harz und Heide haben viele Gastronomen und Hoteliers nicht ausreichend Personal. Besonders bei den Saisonkräften habe sich „ein nicht unerheblicher Teil der Mitarbeiter in andere Beschäftigungsbereiche hinein verlagert“, sagte Dehoga-Landeschef Rainer Balke schon vor den ersten Öffnungen.

Wettbewerb wird noch intensiver

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hält die Situation für heikel. Der Wettbewerb um die besten Kräfte werde nun voraussichtlich noch intensiver werden, schätzt der BA-Regionalchef für Niedersachsen und Bremen, Johannes Pfeiffer. Mit der Wiederbesetzung zwischenzeitlich verwaister Arbeitsplätze dürfte es teilweise schwierig werden. In ganz Deutschland waren im März 944.000 Menschen in der Gastronomie und Hotellerie sozialversicherungspflichtig beschäftigt – im Vor-Pandemie-Jahr 2019 waren es zu der Zeit noch 125.000 mehr.

Attraktivität der Jobs muss erhöht werden

Der niedersächsische Tourismusverband differenziert nach Sektoren. „In Unternehmen, die im Kurgeschäft aktiv sind, können wir keinen Abtrieb feststellen.“ Anders sei es in der Gastronomie, wo sich der Personalmangel durch Insolvenzen verschärfen könnte. Eigenen Nachbesserungsbedarf gebe es durchaus: „Die Attraktivität der Jobs muss erhöht werden.“ Einstweilen bleibe der Bedarf an Saisonkräften aber groß, betont die Tourismusexpertin der IHK Ostfriesland, Kerstin Kontny: „Das wird ein Problem entlang der ganzen Küste werden.“

(dpa/MK)

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