Entgelttransparenzrichtlinie: Was auf das Gastgewerbe zukommt
Die Entgelttransparenzrichtlinie verpflichtet alle Mitgliedstaaten der EU, den Grundsatz „gleiches Entgelt für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit“ konsequent umzusetzen. Hintergrund ist der nach wie vor bestehende Gender Pay Gap, der in der EU im Durchschnitt rund 13 Prozent und in Deutschland etwa 16 Prozent beträgt. Um dieses Gefälle zu verringern, schreibt die Richtlinie mehr Transparenz, einheitliche Auskunftsmöglichkeiten und klare Berichtspflichten vor.
Außerdem sollen Verstöße nicht länger folgenlos bleiben, weshalb Schadensersatzansprüche, Sanktionen und eine Beweislastumkehr vorgesehen sind. Arbeitgeber müssen künftig nachweisen können, dass keine Entgeltdiskriminierung vorliegt.
Deutschland ist verpflichtet, die Vorgaben bis 7. Juni 2026 in nationales Recht umzusetzen – vermutlich durch eine umfassende Reform des Entgelttransparenzgesetzes. Die entsprechenden Expertenberichte liegen bereits vor, sodass mit konkreten Gesetzesformulierungen im Laufe des Jahres 2026 zu rechnen ist.
Die wichtigsten Pflichten – kurz erklärt
Pflichten im Bewerbungsverfahren
Besonders im Gastgewerbe, wo Personalgewinnung ohnehin eine Herausforderung ist, wird die Richtlinie den Rekrutierungsprozess deutlich verändern. Künftig müssen Bewerber bereits vor dem ersten Gespräch erfahren, mit welchem Einstiegsentgelt oder welcher realistischen Gehaltsspanne sie rechnen können. Diese Information kann in der Stellenanzeige selbst oder in der Einladung zum Bewerbungsgespräch stehen.
Ebenso wichtig ist das Verbot der Frage nach bisherigen Gehältern – ein bisher gängiges, aber künftig unzulässiges Vorgehen. Arbeitgeber dürfen sich nicht mehr an der bisherigen Vergütung eines Bewerbers orientieren, sondern müssen sich ausschließlich auf objektive Kriterien beziehen, etwa:
- Qualifikation,
- Berufserfahrung oder
- Verantwortung im jeweiligen Aufgabenbereich.
Auskunftsrechte der Mitarbeiter
Noch relevanter wird die Richtlinie im laufenden Arbeitsverhältnis. Anders als im bisherigen deutschen Recht soll jeder Beschäftigte – unabhängig von der Betriebsgröße – künftig Auskunft darüber erhalten können, wie hoch sein eigenes Entgelt ist und wie es im Vergleich zu durchschnittlichen Entgelten gleichwertiger Tätigkeiten im Betrieb steht. Die Basis bildet dabei nicht länger der Median, sondern der Durchschnittswert.
Unternehmen müssen außerdem jährlich auf dieses Auskunftsrecht hinweisen und ihren Mitarbeitern ermöglichen, darüber offen zu sprechen. Vertraulichkeitsklauseln, die das Reden über Gehälter untersagen, verlieren damit ihre Wirkung.
Was bedeutet das am Beispiel Gastronomen? – Sie müssen jederzeit nachvollziehbar erklären können, warum ein Koch, eine Servicekraft oder ein Empfangsmitarbeiter genau das verdient, was er verdient.
Berichtspflichten ab 100 Mitarbeitern
Größere Betriebe sind zusätzlich verpflichtet, regelmäßig Berichte über ihre Entgeltstrukturen zu veröffentlichen. Schon ab 100 Mitarbeitern greift diese Pflicht – allerdings gestaffelt:
Zeigt ein Bericht ein unerklärbares Lohngefälle von mehr als fünf Prozent innerhalb einer Beschäftigtengruppe, muss eine Entgeltbewertung durchgeführt werden. Dabei wird gemeinsam mit der Arbeitnehmervertretung untersucht, welche Gründe für das Gefälle bestehen und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Differenz zu beseitigen. Für Hotelketten, große Gastronomiebetriebe oder Caterer kann dies einen erheblichen organisatorischen Aufwand bedeuten.
Sanktionen und Beweislast
Die Richtlinie sieht spürbare Konsequenzen vor: Betroffene Mitarbeiter können Schadensersatz fordern, und Arbeitgeber riskieren Bußgelder. Besonders gravierend ist die Beweislastumkehr – im Streitfall muss der Arbeitgeber beweisen, dass seine Vergütungssysteme keine geschlechtsbezogene Benachteiligung enthalten. Es ist daher entscheidend, Entgeltsysteme transparent und dokumentiert zu gestalten.
Besonderheiten in Gastronomie und Hotellerie
Kein anderer Wirtschaftszweig arbeitet so stark mit komplexen Lohnstrukturen wie das Gastgewerbe: Schichtdienste, variierende Zuschläge, Überstundenvergütung, Trinkgeldmodelle, Erfolgsprämien und in vielen Betrieben auch Sachleistungen wie Verpflegung oder Unterkunft – all das gehört zum Entgeltbegriff der Richtlinie.
Das bedeutet: Für zuverlässige Entgeltvergleiche und spätere Berichte müssen alle diese Bestandteile vollständig und nachvollziehbar erfasst sein. Ob kleiner Landgasthof oder große Hotelkette – alle Betriebe müssen künftig erklären können, warum zwei Mitarbeiter mit vergleichbarer Tätigkeit unterschiedlich verdienen, wenn das der Fall ist. Kleinere Betriebe werden zwar teilweise von bestimmten Informations- und Dokumentationspflichten ausgenommen sein, doch Auskunftsrechte, Diskriminierungsverbote und mögliche Schadensersatzforderungen gelten für alle gleichermaßen.
Chancen im Fachkräftemangel: Transparenz als Vorteil
Bei aller Bürokratie bietet die Richtlinie gerade im Gastgewerbe neue Chancen. Eine transparente und faire Vergütung wirkt attraktiv auf Bewerber und stärkt das Arbeitgeberimage – in einer Branche, in der der Wettbewerb um Köche, Servicekräfte oder Rezeptionisten besonders hart ist. Stellenanzeigen mit klarer Gehaltsangabe sorgen für ehrlichere Bewerbungen und reduzieren Missverständnisse schon vor dem ersten Gespräch.
Auch intern kann Transparenz Konflikte reduzieren. Wenn Mitarbeiter verstehen, warum jemand mehr oder weniger verdient, sinkt das Risiko von Unzufriedenheit, Gerüchten oder ungerechtfertigten Forderungen. Für viele Betriebe kann die kommende Richtlinie daher ein Anlass sein, ihre Entgeltstrukturen zu ordnen und langfristig professioneller aufzustellen.
Was Gastwirte und Hoteliers jetzt konkret tun sollten
1. Bestandsaufnahme der Entgeltstrukturen
Als erster Schritt empfiehlt sich eine genaue Analyse der bestehenden Vergütungssysteme. Dazu gehört, sämtliche Entgeltbestandteile systematisch zu erfassen und zu prüfen, welche Mitarbeitergruppen vergleichbare Tätigkeiten ausüben. Auf dieser Basis lässt sich ein erstes Bild möglicher Entgeltunterschiede gewinnen – insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Männern und Frauen.
2. Stellen und Gehaltsbänder definieren
Um Gehälter nachvollziehbar gestalten zu können, sollten Betriebe ihre Rollen klar beschreiben und für jede Position nachvollziehbare Gehaltsbänder festlegen. Kriterien wie Berufserfahrung, Zusatzqualifikationen oder Übernahme von Verantwortung müssen dabei eindeutig definiert sein. Es geht nicht darum, ein komplexes HR-Gerüst aufzubauen, sondern um eine klare Struktur, die im Zweifel rechtlich belastbar ist.
3. Bewerbungsprozess anpassen
Im Recruiting muss künftig eindeutig festgelegt sein, wie und wann Bewerbern die Gehaltsspanne mitgeteilt wird. Zudem sollten Entscheider und Führungskräfte darauf vorbereitet werden, dass Fragen nach früheren Gehältern nicht mehr zulässig sind und Vergütungsangebote sich ausschließlich an sachlichen Kriterien orientieren müssen.
4. Prozesse für Auskünfte und Berichte aufsetzen
Betriebe sollten eine verantwortliche Stelle benennen, die Anfragen von Mitarbeitern koordiniert und innerhalb der vorgesehenen Frist – meist zwei Monate – beantwortet. Unternehmen ab 100 Mitarbeitern sollten zudem frühzeitig prüfen, welche Daten für spätere Entgeltberichte benötigt werden und wie diese technisch erfasst werden können.
5. Kommunikation nicht vergessen
Offene Kommunikation ist entscheidend, damit Mitarbeiter verstehen, warum Veränderungen notwendig sind und wie der Betrieb künftig mit dem Thema Entgelt umgeht. Transparente Erläuterungen schaffen Vertrauen und reduzieren Rückfragen, Unsicherheit oder falsche Erwartungen.
Fazit: Wer jetzt handelt, spart sich den Stress 2026
Die Entgelttransparenzrichtlinie bringt umfassende Veränderungen für Hotels, Restaurants und Cateringbetriebe – insbesondere im Recruiting, im Umgang mit Gehaltsdaten und in der internen Strukturierung von Vergütungssystemen. Gleichzeitig eröffnet sie die Möglichkeit, lang überfällige Modernisierungen anzugehen und sich im Wettbewerb um Fachkräfte besser zu positionieren.
Wer schon jetzt beginnt, seine Entgeltsysteme zu analysieren, klare Strukturen aufzubauen und Prozesse vorzubereiten, wird 2026 deutlich entspannter durch den Umstellungsprozess kommen – und profitiert langfristig von einem transparenten, fairen und professionellen Vergütungssystem.
(Deloitte / Ebnerstolz / Gaps / IHK / Rexx Systems / Richtlinie (EU) 2023/970 / SAHO)