Selbst ist der Wirt beim Einkauf im C&C-Markt, doch die Ansprüche steigen
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Großpackung war gestern

Selbst ist der Wirt beim Einkauf im C&C-Markt, doch die Ansprüche steigen

von Clemens Kriegelstein
Dienstag, 14.01.2020
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Der Selbstbedienungs-Großhandel kam Ende der 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre – wen wundert’s – aus den USA nach Deutschland. Vorläufer eigenständiger »Cash & Carry«-Betriebe waren schon Anfang der 50er-Jahre Spezialabteilungen in bestehenden Liefergroßhandlungen. Insbesondere durch die Ratio-Märkte in Bochum (1957) und Münster (1961) sowie die Märkte der Firma Handelshof in Haan (1959), Köln (1961) und Mönchengladbach (1963), aber auch durch die zwei Märkte der Gebrüder Karl und Theo Albrecht unter dem Namen ALIO in Neuss und Mülheim an der Ruhr (1961) sowie den ersten Markt der Metro in Essen (1963) wurde die Vertriebsform »Cash & Carry« dann landesweit bekannt.

Welche wirtschaftliche Bedeutung C&C-Märkte wie etwa Metro, Transgourmet oder EDEKA Foodservice in Deutschland haben, zeigt der jährliche Umsatz dieser Unternehmen, der laut der Business-Data-Plattform Statista 2018 bei über zehn Milliarden Euro lag. (Allerdings ging der Umsatz in den vergangenen Jahren leicht zurück, 2003 etwa lag er noch bei über 12,5 Mrd. Euro.)

Metro
Metro gehört sowohl in Deutschland als auch in Österreich zu den
»Big Playern« im C&C-Geschäft. Foto: Urban Zintel

Große Fleischauswahl vs. fleischlos

Was sich in den vergangenen Jahren im C&C-Bereich jedenfalls drastisch geändert hat, sind Angebotsstruktur und Service. So lange ist es noch nicht her, dass der USP von C&C-Märkten darin lag, gastrotaugliche Großpackungen (zumindest in manchen Bereichen) zu etwas günstigeren Preisen als der klassische Einzelhandel anzubieten und – für Wiederverkäufer interessant – Nettopreise ohne Mehrwertsteuer auszuweisen. Doch die Ansprüche der Kunden haben sich in der jüngeren Vergangenheit merklich gewandelt. Auswahl und das Abdecken immer neuer Zielgruppen stehen im Fokus.

Wohin die Reise geht, zeigt etwa ein Blick in eine typische C&C-Fleischabteilung: Hier genügt es heute nicht mehr, Porterhouse, T-Bone, Rib-Eye und andere Schnitte anbieten zu können, auch verschiedene Herkunftsländer (von regional über die USA bis zu Argentinien) und unterschiedliche Rassen (Angus, Charolais, Wagyu etc.) werden erwartet. Ach ja, eine Bio-Linie und eine Dry-Aged-Variante sollen jeweils bitte auch dabei sein... Wie überhaupt kein C&C-Markt mehr an aktuellen Megatrends wie Nachhaltigkeit, Regionalität oder veganer Ernährung verbeikommt.

Doch mit einem riesigen Warenangebot ist es heute meist auch nicht mehr getan. Kunden erwarten sich einen Zusatznutzen, einen Service, der über die reine Verfügbarkeit von Waren hin-ausgeht. Das kann die Unterstützung bei der Erstellung von Speisekarten oder Webseiten sein, das können Kooperationen mit anderen Dienstleistern wie Banken oder Energieversorgern sein, und das ist natürlich das seit Jahren boomende Thema »Zustellung«, das inzwischen schon zu den Mindeststandards jedes besseren C&C-Marktes zählt.

Wedl
Die Märkte von Lorenz Wedl sind vor allem im Westen Österreichs
stark verankert. Foto: Wedl

Viele Spezialisten, keine Allrounder

Andreas Königshofer vom Wiener Restaurant Königshofer ist etwa ein klassischer Abholkunde: »Ich will mir das Fleisch, das ich kaufe, selbst ansehen und aussuchen. Außerdem sehe ich im Markt besser, welche Angebote es gerade gibt. Da kaufe ich dann z. B. spontan Hirsch ein, wenn gerade gute Ware zu einem günstigen Preis erhältlich ist.« Was Königshofer indes vermisst, ist ein wirklich gut sortierter Allround-Markt. »Der eine ist beim Wein gut, der zweite beim Fisch, der dritte beim Gemüse. In Wirklichkeit müsste ich ständig zu mehreren Märkten fahren, wenn ich immer die beste Qualität und die beste Auswahl haben wollte.« Was der Gastronom überdies bemängelt, ist die Ausbildung mancher Mitarbeiter: »Wenn jemand drei Jahre in der Gemüseabteilung arbeitet, sollte er alles über das Produkt wissen. Aber in der Realität weiß ich oft mehr über die Produkte als die meisten Mitarbeiter dort.«

Am liebsten zustellen lässt sich die Waren dagegen Mirjam Felisoni, F&B-Managerin im Öschberghof in Donaueschingen (Baden-Württemberg). Mindestens zweimal die Woche wird ein Fixsortiment per Mail bestellt, nur in Einzelfällen wird die Ware vor Ort gleich selbst mitgenommen. »Wir sind mit den aktuell vorhandenen Produkten und Dienstleistungen sehr zufrieden. Sollte etwas fehlen, kann man dies anbringen, und es wird auch nach einer Alternative gesucht«, sind bei Felisoni aktuell kaum Wünsche offen. Bestimmte Angebote vermisst sie derzeit nicht. Sollte man mal bei einem bestimmten Produkt nicht fündig werden, schaut man einfach zu einem anderen Markt.

Infobedürfnis steigt

Zu den Platzhirschen sowohl auf dem deutschen wie auch auf dem österreichischen C&C-Markt gehört in jedem Fall der Metro-Konzern. Für den österreichischen Markt sieht Metro Österreich-Chef Xavier Plotitza das Thema »Digitalisierung« als besonderen Trend im C&C-Bereich: »Ganz großes Thema bei der Digitalisierung ist natürlich, dass sie dabei hilft, die Produkte
und ihren Weg bis zum Konsumenten transparent zu machen. Metro sieht die Digitalisierung daher im Sinne von Customer Care als Verpflichtung, weil wir damit dem Kundenbedürfnis ›wissen zu wollen, woher etwas kommt‹ nachkommen können. Der Kunde will aber mittlerweile sogar mehr als das wissen – vor allem dann, wenn es sich um tierische Lebensmittel wie Fisch und Fleisch handelt. So zum Beispiel: Was genau ist mit dem Tier passiert? Wie und wo wurde es geboren, gehalten, geschlachtet, verarbeitet oder verpackt? Dieses Konsumentenbedürfnis, gepaart mit vielen neuen gesetzlichen Regelungen, bringt vermehrt die Digitalisierung ins Spiel und verlangt danach, Lösungen zu finden.« Stark wächst laut Aussagen Plotitzas auch der Zustell-Service. Aktuell betrage die Zustellungsquote bei Metro Österreich schon knapp 40 Prozent und man wolle diese Sparte noch weiter ausbauen.

In Deutschland etwa will die Muttergesellschaft wiederum mit »Angeboten, Innovationen und maßgeschneiderten Lösungen dem Gastronom Freiräume schaffen, damit er mehr Zeit
für sein Geschäft und seine Kunden hat«, wie es ein Metro-Unternehmenssprecher ausdrückt. Dazu zählt etwa das »Gourvenience«-An­gebot – hochwertige Produkte, die viele aufwendige Arbeitsschritte verkürzen oder ablösen. Besonderer Vorteil von Gourvenience sei das Angebot einer Gesamtlösung, bestehend aus Gourvenience-Menükomponenten oder ganzen Menüs sowie dem passenden, zur Weiterverarbeitung benötigten Küchen-Equipment. Umgekehrt engagiert sich Metro Deutschland auch stark für Themen wie Nachhaltigkeit und
Abfallvermeidung.

Kochgut
Foto: www.vogl-perspektive.at

Convenience auf dem Vormarsch

Dass Convenience in Zeiten ständiger Personalknappheit ein absoluter Zukunftsmarkt ist, erkennt man in Österreich auch bei AGM: Mit dem »Bequemer geht’s nicht«-Sortiment will man hier eine breite Auswahl an Produkten bieten, die Küchenteams die Vorbereitungsarbeiten erleichtern. Egal, ob Fleisch- oder Wurstwaren, Fisch, Salate, Gemüse, Käse, Mehlspeisen oder Backwaren – alle Produkte dieses Labels können in unterschiedlichen Verarbeitungsstufen von frisch bis tiefgekühlt, von geputzt, gewaschen, geschnitten und portioniert bis hin zu küchen- und servierfertig abgeholt oder geliefert werden. »Damit entscheidet jeder Kunde selbst, welche Arbeitsschritte er auslagert und wie viel Zeit er der Küchencrew fürs Finishen schenkt«, erklärt man bei AGM auf HOGAPAGE-Anfrage.

Auf Convenience quasi nach Wunsch setzen auch etliche Eurogast-Märkte, die eigene Obst- und Gemüseplattformen installiert haben, wo für die Kunden die jeweiligen Produkte vorbereitet werden. »Gerade für Betriebe mit wenig Personal ist die auftragsbezogene Produktion ein wichtiger zeitsparender Faktor. Unsere Kunden können am Vorabend ihre Bestellungen abgeben und erhalten dann am nächsten Morgen die frischen Produkte«, so Eurogast-Geschäftsführerin Susanna Berner.

Wie weit das Serviceangebot mancher Großmärkte heute geht, beweisen die zu EDEKA gehörenden 16 Handelshof-Märkte in Deutschland. Neben dem klassischen Vollsortiment für Gastronomen werden dort nämlich auch Einrichtungswünsche aus den Bereichen Küche, Gastraum oder Außengastronomie eingeplant.

Internationalisierung nimmt zu

Ein »Sonderfall« im Großhandelsbereich ist die auch in Süddeutschland tätige Firma Kröswang aus Ober­österreich, die keine C&C-Märkte betreibt, sondern sich ausschließlich auf die Zustellung von frischen und tiefgekühlten Lebensmitteln spezialisiert hat. »Man erkennt in der Branche aktuell eine klare Internationalisierung, sowohl was Eigentumsverhältnisse als auch was Sortimente betrifft. Wir als österreichisches Familienunternehmen steuern hier bewusst in eine andere Richtung und forcieren Lebensmittel aus Österreich«, beschreibt Eigentümer Manfred Kröswang die aktuelle Lage.  Im Sortiment gehe der Trend bei Kröswang derzeit in Richtung hochwertige Lebensmittel aus Österreich, etwa Salon-Beef-Kalbinnen-Fleisch oder das neue Sonnenputen-Sortiment.

»Themen wie Zustellung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind große Bereiche, die bereits in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen haben und den C&C-Sektor auch in Zukunft prägen werden«, weiß schließlich auch Lorenz Wedl, Geschäftsführer des Handelshauses Wedl. Aktuelle Studien würden zeigen, dass die Österreicher großen Wert auf Themen wie Bio oder Regionalität legen. Wedl: »Das Bewusstsein von Bio und Regionalität sehen auch die befragten Gastronomen und schätzen die Nachfrage nach regionalen Produkten sogar höher ein als nach Bio-Produkten. Besonders für Gastronomen im Westen spielen Re­gionalität und Herkunft eine größere Rolle als im Rest Österreichs.«

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