Käpt’n Karlheinz und seine Flotte
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Käpt’n Karlheinz und seine Flotte

von Gabriele Gugetzer
Montag, 01.01.2018
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Vor fünfzehn Jahren eröffnete Karlheinz Hauser nach dreijähriger (!) Umbauphase einen Ort, der schon seit langer Zeit mit Hamburg verknüpft war, den Süllberg. Hauser hingegen kannte man in Hamburg damals nicht – das ist in dieser auf Traditionen bedachten Hansestadt schon mal hinderlich. Der Mix, den er in der Höhenburg 75 Meter über der Elbe anbieten wollte, war ebenfalls neu. Mut scheint dieser Mann ja zu haben … »Der Süllberg ist heute ein Multi-Gastronomie-Komplex mit verschiedenen Konzepten und einem kleinen Hotel«, erklärt der mittlerweile 50-jährige Schwiegermutterschwarm. »Es ist für jedermann und für jede Jahreszeit und jedes Wetter etwas dabei.«

Ins Zwei-Sterne-Restaurant Seven Seas kommen Stammgäste aus dem deutschsprachigen Raum. Sie kennen Karlheinz Hauser und sein Team, vielleicht sogar aus seiner Zeit bei Eckart Witzigmann oder als Küchendirektor im Berliner Adlon. In den Ballsaal laden Betuchte aus Hamburg und der Welt ebenso wie Großkonzerne zu edlen Events. Für das Restaurant Deck 7 ist Marktfrische als Credo ausgegeben. In der Lounge ist Selbstbedienung angesagt, in Hausers Almhütte steht deftig Bayerisches auf der Karte. Und im neuesten Baby von Hauser, Poké You, wird Social-Media-affin serviert: Essen in der Schüssel angerichtet heißt unter den Youngsters »Lunch Bowl«.

Das klingt wie ein Kessel Buntes – und ein bisschen bedenklich. Denn ist es nicht so, dass wer sich zu breit aufstellt, bald keine Zielgruppe mehr im Blick hat und austauschbar wird? Nun, offensichtlich ist es hier nicht so. Und gerade deshalb lohnt es sich, sein einzigartiges Erfolgskonzept aufzudröseln.

1. Einen Plan haben und ihn verfolgen

Als junger Koch in der angesagten Münchner Sternegastronomie, da kann man natürlich Träume haben. »Mein Ziel war es schon in jungen Jahren, mich irgendwann selbstständig zu machen« kommentiert er den Erfolg, der dann kam, relativ lapidar. Er durchlief diverse Stationen bei Käfer, war zwischen 1990 und 1992 als Souschef bei Eckart Witzigmann in der Aubergine tätig. 1997 ging der damals 30-Jährige als Küchenchef ins Adlon nach Berlin. Dann bot sich mit dem hanseatischen Traditionsort Süllberg der »passende Betriebstyp«.

2. Seine Gäste kennen

In einem der Nobelhotels der Hamburger Innenstadt wird ein Afternoon Tea aktuell mit 59 Euro eingepreist. »Warum auch nicht?«, könnte man sagen, Hamburg ist Deutschlands Hauptstadt der Millionäre. »Völlig absurd und nicht tragbar in Hamburg«, ist Hausers Einschätzung. Er weiß, dass der Hamburger, ob Millionär oder nicht, vom Kiezklientel mal abgesehen, nicht protzt. Er weiß auch, dass die Millionäre hier deshalb so vermögend sind, weil sie ihr Geld ungern ausgeben. Der Grundstein zum weitläufigen Anwesen an der Elbchaussee wurde vor Generationen gelegt und soll noch Generationen überdauern. 60 Euro für einen Afternoon Tea überlassen die, die in Hamburg Geld haben, den Touris, die einmal kommen und nie wieder. Eine Klientel, die Hauser nicht im Sinn hat.

Deshalb seine Alternative: Kaffee und Kuchen. Der Kuchen kommt aus der Patisserie, die mit sieben Leuten ebenso für das Seven Seas zaubert wie den Brotkorb im Deck 7 bestückt. So ein Gedeck bleibt bei weit unter 10 Euro. Den Blick aus dem Deck 7 auf die Elbe und das angenehm reduzierte Umfeld in gedeckten Farben mit Rosenthal-Geschirr und Schott-Zwiesel-Gläsern, das gibt es umsonst.

3. Vom Imbiss bis zum Abendevent

Es war das Jahr 2002, als Hauser den Süllberg wieder eröffnete. Regionalität, heute neben Tätowierungen das A und O jeder erfolgreicher Restaurantpositionierung, war damals kein Zauberwort. Tätowiert waren nur die Leute auf dem Kiez, regional war gleichbedeutend mit verschnarcht und verkocht. Aber das Gelände unterhalb des Süllbergs war von jeher ein Sehnsuchtsziel aller Hamburger, nicht nur der reichen Pfeffersäcke. Am Wochenende ging und geht man in den Jenischpark, Hirschpark oder Schinckels Park, wandert am Strandweg und Falkensteiner Ufer herum, erholt sich am Sandufer der Elbe oder durchstromert das wirklich entzückende Blankeneser Treppenviertel.

Ein Naherholungsgebiet mit praktischem S-Bahn-Anschluss ist diese Ecke und seine Besucher sind potenzielle Gäste. In Hausers Almhütte kann man sich nach einer Winterwanderung durchwärmen, in der Sea­side Lounge im Frühsommer einen Cocktail schlürfen, im Biergarten im Sommer ein Brathendl essen, weil der Kühlschrank zu Hause leer ist.

4. Highclass und Hüttenzauber mixen

Vom Kopf bis Fuß von einem teuren De­signer eingekleidet zu sein, das wirkt langweilig, oft spießig. Ein Mix macht es interessanter und jünger, Sie wissen schon, Karl Lagerfeld meets H&M. Diesen Mix hat der Süllberg drauf. Nur wenige Meter vom Zweisterner entfernt tritt man nicht mehr auf edel knirschenden Kies, sondern auf weiche Holzspäne. Die führen in die Hauseralm. Und hier sitzen nicht nur die­jenigen, die weniger Geld haben. Auch die Pfeffersäcke kommen, wenn sie mal eine andere Tapete brauchen und das Sternegedöns satt sind. Dann bestellen sie bayerische Hausmannskost und Bier.

Anfangs sah Hauser einfach nur das Potenzial in der tollen Terrasse mit Blick, die wegen des berüchtigten Hamburger Schietwetters schon mal acht Monate im Jahr leer stand. Er liebäugelte mit einem Zelt, ließ sich dann von Profis (www.ideenundparty.de) beraten und entwickelte mit Stefan Ermert, den er aus seiner Käfer-Zeit in München kannte, die Idee für eine Almhütte. Dass er in jungen Jahren oft im Käfer-Zelt auf der Wiesn gearbeitet hatte, dürfte hilfreich gewesen sein.

Doch ganz so glatt lief es dann doch nicht, erst war es die Baugenehmigung, die nur zäh erteilt wurde, dann waren es die Hamburger selbst, die sich anstellten (die Autorin erinnert sich noch daran) und eine Almhütte in ihrer Stadt affig fanden. Heute gehört sie ins Blankeneser Landschaftsbild und die Hanseaten genießen es, zwischen Schmankerln und Schunkelmusik mal so richtig ihr Haar herunterzulassen.

Der Aufbau der Hütte nimmt jedes Jahr im Oktober eine gute Woche in Anspruch. Sie steht bis Ende März. Wenn es wärmer wird, nimmt der Biergarten den Platz ein.

5. Keine Angst vor Catering

Dass Karlheinz Hauser relativ früh mit Catering in Berührung kam, erweist sich heute als gute Investition. Denn das Außer-Haus-Business, das aus dem Deck 7 kommt, macht einen nicht unbeträchtlichen Umsatz aus. So weit, so nachvollziehbar. Was es zu einem besonderen Catering macht, sind die vielen Restaurantformen, aus denen der Kunde sich bedienen kann. Von herzhaft bis Häppchen ist alles dabei, selbst die Lunch Bowls aus dem Poké You können geordert werden. Daraus entsteht ein lässiger Mix, der nicht so wirkt, als käme er vom Catering-Fließband – genau das will der Kunde.

6. Im Urlaub arbeiten

Wenn er Urlaub nimmt, nimmt er Urlaub (auch für dieses Interview war Karlheinz Hauser zwei Wochen »incommunicado« – ohne Kontakt zur Außenwelt). Die Hausers reisen gerne und viel, und lassen sich vor Ort zu neuen Ideen inspirieren. Thailand und Bangkok haben für den Süllberg-Patron »besonders viel Charme, die Küche mit ihren vielen Gewürzen, Zubereitungsarten und Kombinationen ist der deutschen Küche so fremd und kommt dennoch so gut bei uns an«, begeistert er sich.

Gut, Hausers Thai gibt es noch nicht. Aber auf Hawaii entdeckte er Poké, eine Art Fischsalat, die mit Matjes und Mayo nichts gemein hat. Frischer Fisch, den es auf den Inseln zuhauf gibt, wird mariniert und mit Sättigungsbeilagen zwischen Avocado und Sushireis serviert. Surfer lieben Poké, alle anderen lieben es auch, weil es satt macht bei übersichtlicher Kalorienanzahl. Zurück in Deutschland fand Karlheinz Hauser eine Location, die ebenso traditionsreich ist wie der Süllberg. Am Ballindamm mit Blick auf die Binnenalster eröffnete er im Sommer 2017 das Restaurant.

7. Die Familie nicht vergessen

Der Rückhalt der Familie ist wichtig, wenn man ein Großprojekt in der Gastronomie oder Hotellerie stemmen will. Für Hauser, der ziemlich viel unterwegs ist, ist die ­Familie ein Rückzugsort. Aber auch eine Motivation. Denn Sohn Tom (18) steht in den Startlöchern. Seitdem er zehn Jahre alt ist, erzählt der Vater mit einem angenehmen, keineswegs angeberischen Stolz, sei er in den Restaurants unterwegs. Man merke ihm den zukünftigen Gastgeber jetzt schon an. Im Poké You zieht er die ersten Strippen, während er für das Abitur büffelt. Der Vater sagt: »Natürlich ist es toll zu sehen, dass mein Sohn so motiviert und vor allem fleißig bei der Konzeptentwicklung, der Planung sowie auch der jetzigen Umsetzung dabei ist. Das zeigt mir, dass ich meinen Kindern scheinbar die richtigen Werte vermitteln konnte.«

8. Selbstverwirklichung ja, aber in Maßen

»Das Seven Seas ist das Aushängeschild des Süllbergs«, sagt Hauser, »wenn es um die Gourmetszene und die Internationa­lität geht. Hier können wir uns mit unserer Küchenrichtung ganz und gar darstellen und verwirklichen.« Den Trend, wirklich jeden Kartoffellieferanten und Möhrenbauern auf der Karte namentlich zu nennen, macht Hauser übrigens nicht mit. Den Käsereifer Maître Antony nennt er, »wir waren der erste Betrieb in Deutschland, der überhaupt von ihm beliefert wurde.« Und natürlich sind auch Taubenbrüstchen von Jean Claude Míeral namentlich erwähnt, wenn sie auf der Karte stehen.

Maximilian Wilm ist Gastgeber und Sommelier in Personalunion, die Speisekarte ist knapp geschrieben, aber anschaulich. Das Degustationsmenü mit acht Gängen ist bei 190 Euro eingepreist. Pastrami von der Taube, Jakobsmuschel in Gänseschmalz oder Meersaibling mit Austernnuancen sind typische Gerichte, die jeden Trend überstehen dürften. Moderner ist das Jubiläumsmenü, das aktuell eine Gänseleber mit schwarzer Walnuss und ­Joghurt anbietet, Rehrücken im Bergpfeffermantel und das 64-Grad-Ei … hier allerdings mit Périgordtrüffel. Das Gartenmenü mit sechs Gängen kostet 135 Euro und ­bedient sich der praktischen Nähe zum Alten Land, einem Obstanbaugebiet vor den Toren Hamburgs.

Im Deck 7 hingegen wird ein »Speed Lunch« angeboten. Bei den Appetizern findet sich eine Schinkenplatte vom Ibérico-Schwein nach Bellota-Standard für nachvollziehbare 12 Euro. Das Hauptgericht mit einem 300-Gramm-Brummer vom Dry Aged inklusive zwei Beilagen ist mit 34 Euro für Hamburger Verhältnisse mehr als reell. Und darauf kommt es letztendlich hier an.
Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.
Fotos: picture alliance, Hauser Süllberg, iStockphoto

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