Der Pilz im Exklusiv Interview
Foto: iStockphoto; fotolia.com: ajakor; fotolia.com: yvdavid

Der Pilz im Exklusiv-Interview

Jetzt rede ich!

von Sebastian Bütow
Mittwoch, 21.09.2016
Artikel teilen: 

Haben Sie am 24. September schon etwas vor?
Ha! Ich ahne, worauf Sie hinauswollen. Dann steigt zum allerersten Mal der »Europäische Pilztag«; ich freue mich sehr. Es war überfällig, dass wir Pilze mal mit einem Aktionstag gewürdigt werden. Zumal wir ein völlig eigenes Reich bilden auf diesem Planeten.

Wie meinen Sie das?
Ich möchte jetzt nicht allzu wissenschaftlich werden, aber weil es die meisten Leute nicht wahrhaben wollen: Wir sind keine Pflanzen! Eigentlich auch kein Gemüse.

Bitte klären Sie uns auf.
Es ist eigentlich ganz einfach: Weil wir das Licht der Sonne nicht zum Leben brauchen, gelten wir nicht als Pflanzen. Experten sagen sogar, dass wir Tieren ähnlicher sind. Das hat mit der Art und Weise zu tun, wie wir Nahrung aufnehmen und wie wir Energie speichern. Weil wir nur aus bereits vorhandenen Stoffen erwachsen und davon leben können, stehen wir nun mal für eine völlig eigene Lebewesen-Gattung. Wir sind auf fertige organische Substanzen, wie zum Beispiel tote Blätter oder abgestorbene Kräuterstängel, angewiesen, also auf schon vorhandene Materie.

Der Maronenröhrling, auch Braunkappe genannt, wurde zum »Speisepilz des Jahres 2016« gekürt. Eine gute Wahl?
Wenn es ein Kollege verdient hat, dann er. Unter Feinschmeckern galt er schon immer als einer der leckersten von uns, aber in den vergangenen drei Jahrzehnten hatte er es sehr schwer.

Wegen der Schadstoffbelastung?
Nun ja, Kollege Röhrling kam nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl 1986 in Verruf, wie so viele von uns. Die Konzentration an radioaktivem Caesium-137 war bei ihm besonders stark. Noch immer gilt in bedenklichen Gebieten – in Osteuropa, aber auch in Teilen Bayerns (!) –, dass seine Huthaut vor dem Genuss besser abgezogen werden sollte. Aber wissen Sie was? Die Chinesen heilen sich seit über 1.000 Jahren mit uns, vertrauen unseren entzündungshemmenden Komponenten.

Zurück zum Maronenröhrling. Was zeichnet ihn geschmacklich aus?
Ein intensives, nussiges Aroma, er eignet sich besonders gut für Suppen und Saucen. Anfänger verwechseln den Maronenröhrling beim Sammeln gerne mit Steinpilzen. Der Stiel verschafft Klarheit: Beim Röhrling ist da kein Netzmus­ter zu erkennen.
 
Welche Speisepilze sind aktuell noch beliebt?
Wie Sie sich sicher vorstellen können, ist der Champignon der Champion. Mit knapp 98 Prozent macht er den größten Anteil an der gesamten Erntemenge in Deutschland aus. Die restlichen zwei Prozent verteilen sich auf Shiitake, Austernseitlinge und Spezialpilzkulturen.

Aus welcher Region kommen eigentlich die meisten deutschen Speisepilze?
Mehr als die Hälfte wird in Niedersachsen angebaut. Hier wurden bei Proben in den vergangenen Jahren übrigens keine gesetzlichen Grenzwerte mehr überschritten.
 
Zwei Gerüchte halten sich hartnäckig: Sie gelten als schwer verdaulich ...
Ich muss zugeben, dass wir durchaus auf den Magen schlagen können, vor allem wenn man uns zu hastig isst. Statt Zellu­lose enthalten wir Chitin, das ist ein Ballaststoff, der schwer verdaulich ist. Um dem entgegenzuwirken, sollten wir mindestens 15 bis 20 Minuten erhitzt werden. Aber es liegt auch am hohen Chitin-Gehalt, dass wir so kalorienarm sind.
 
Gerücht Nummer zwei: Darf man Sie nun wieder aufwärmen – oder nicht?
Das ist Quatsch mit Sauce! Sicherlich können Pilzgerichte wieder aufgewärmt werden. Allerdings sollten wir dann noch einmal richtig aufgekocht werden. Und: Wie alle verderblichen Lebensmittel sollten Speisen mit uns nicht länger als ein bis zwei Tage im Kühlschrank lagern.

Kommen wir zu Ihrer Schickimicki-Version.
Ja, ich weiß, ein Kilo Trüffel ist so teuer wie ein anständiger Gebrauchtwagen. Aber sie sind die einzigen Pilze, die diesen Namen auch verdienen! Alle anderen sind streng genommen ­keine Pilze, sondern Fruchtkörper von Pilzen – die sind immer unterirdisch anzutreffen, wie Trüffel halt. Wussten Sie, dass das größte Lebewesen der Erde ein Pilz ist?

Nein.
Der Hallimasch im US-Bundesstaat Oregon erstreckt sich über neun Quadratkilometer. Das sind 1.200 Fußballplätze!

Auf welche Weise fühlen Sie sich optimal behandelt?
Indem man mich blanchiert! Aber es kommt immer darauf an, mit wem von uns Sie es zu tun haben. Wer mich aufheben will, sollte mich trocknen oder einfrieren. Pfifferlinge aber nicht, es sei denn, Sie lieben es bitter. Steinpilze entwickeln die meisten Aromen, wenn sie getrocknet werden. Man kann uns aber auch in einen Sud einlegen, wie Essiggurken.

Pilz, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Weitere Artikel aus der Rubrik Stars & Legends

Artikel teilen:
Überzeugt? Dann holen Sie sich das HOGAPAGE Magazin nach Hause!