Die grüne Revolution
Foto: Salomon FoodWorld

Die grüne Revolution

Geht nicht gibt’s nicht – man muss nur wissen, was man bei der Umsetzung von Plant-based auf der eigenen Karte beachten sollte

von Karoline Giokas
Donnerstag, 08.09.2022
Artikel teilen: 

Laut einer Markt- und Werbeträger-Analyse des Instituts für Demoskopie Allensbach lag die Anzahl der Menschen in Deutschland, die sich als Veganer einordnen, 2022 bei 1,58 Millionen, also 170.000 Personen mehr als noch vor einem Jahr. Vor allem die Flexitarier werden als der Treiber des veganen Booms genannt. 

Geht eine Gruppe gemeinsam essen, so werden Veganer oder Vegetarier des Freundes- oder Familienkreises in die Restaurantwahl mit einbezogen – Lokalitäten mit entsprechendem Angebot sind hier klar im Vorteil. Immer mehr Gastronomiebetriebe reagieren daher auf die steigende Nachfrage.

Angebot für alle Zielgruppen

Hans im Glück macht inzwischen mehr als 30 Prozent des Umsatzes mit seinem vegan-vegetarischen Speisenangebot. „Wir merken, dass ein nachhaltiger Lebensstil und damit einhergehend eine bewusste Ernährung für viele Menschen wichtiger werden und die Nachfrage nach veganen Speisen dementsprechend kontinuierlich wächst“, bestätigt Peter Prislin von Hans im Glück. Aktuell findet man auf der Speisekarte sieben unterschiedliche vegane Burger. Bestellt werden sie  sowohl von konsequenten Veganern als auch von Flexitariern und jenen, die Lust haben, etwas Neues zu probieren. Von plakativen Zukunftsszenarien à la „wir werden künftig ausschließlich vegan anbieten“ hält Prislin nicht viel. „Uns ist wichtig, dass wir leckeres Essen für alle anbieten.“

Schnitzelgratin
Mit seiner ungleichmäßigen Optik kommt das Schnitzelgratin von FZS handwerklich rüber. Foto: FZS,

Warum Unterschiede machen?

Patrick Junge von Peter Pane glaubt nicht, „dass in Zukunft noch viel Fleisch gegessen werden wird, zumindest nicht aus Massentierhaltung. Immer mehr Menschen verstehen, dass dies weder mit dem Tierschutz noch mit dem Klimaschutz vereinbar ist.“ Bei der Präsentation der fleischhaltigen oder -freien Gerichte gibt es bei dem Franchiser daher keine Unterschiede. „Die Gäste erwarten bei einem Besuch von Peter Pane auch bei den vegetarischen oder veganen Produkten eine identisch gelungene Zubereitung der Speisen. 

 Auch wenn ich nicht dauerhaft auf tierische Produkte verzichten möchte, werde ich zukünftig noch viel mehr auf pflanzliche Alternativen zurückgreifen

Schauspieler Jimi Blue Ochsenknecht kreierte beim Veganuary eine Bowl mit Lieferando

Sie wollen eine optisch gute Komposition auf dem Teller und ein hervorragendes Geschmackserlebnis“, betont Junge. Viel mehr fokussiert man sich hier auf einprägsame Aktionen wie etwa den „Meatless Monday“ oder ganz aktuell den „Iss-das-Bunt Burger“ mit dem „Veg von Chicken“-Bratling.

Aufmerksamkeitsstarker Einstieg

Welch große Kreise die vegane Bewegung in der Branche zieht, zeigte Anfang des Jahres auch die Neujahrs-Challenge Veganuary, an der sich 629.000 deutsche Teilnehmer sowie 420 Unternehmen beteiligten. Letztes Jahr waren es noch 170 Betriebe!

Zahlreiche Gastronomen nutzten den Veganuary 2022 gezielt für die Einführung neuer Produkte und Angebote, die auch dauerhaft erhalten bleiben. So lud L’Osteria seine Gäste zu einer komplett veganen Special-Monatskarte mit sieben Gerichten ein. Salatvariationen mit Alternativen zu Hühnchen und Garnelen, z.B. „Pizza Caesare e Pollo“ mit Chicken-Alternative oder „Spaghetti Lilli e il Vagabondo“ mit den Veggie Balls von Endori, gehören nun zum festen Repertoire. 

Burger King machte erstmals mit und erweiterte Anfang Januar das Sortiment um den Burger „Plant-Based Long Curry“. Während dann bei unseren österreichischen Nachbarn bereits Anfang Juli das erste zu 100 Prozent vegane Burger-King-Restaurant in Wien von sich reden machte, zog der Fast-Food-Riese bei uns Ende Juli nach: Fast alle Beef-Burger gibt es nun in einer pflanzenbasierten Variante.

Schön hergerichteter Salat
In Sachen Geschmack, Textur und Funktionalitäten sollen sich die neuen veganen Käseprodukte von Milram an den tierischen Vorbildern orientieren. Foto: Milram

Echt wirtschaftlich!

Auch Spitzenköche haben den Trend aufgenommen. „Der Weg hin zum veganen Angebot kann mühsam sein, denn man spricht schließlich eine neue Gästeklientel an, aber ohne geht es einfach nicht“, ist der Spitzenkoch Siegfried Kröpfl überzeugt. „Leider herrscht in den Köpfen vieler Köche immer noch Fleisch und Fisch als das Nonplusultra der Hauptkomponenten eines Menüs vor.“ 

Laut Kröpfl müssten Gastronomen in Sachen veganes Angebot deutlich mutiger werden: „Alle reden über das Thema, trauen sich aber nicht, es auf ihrer Karte umzusetzen. Zu warten, bis ein Kunde nach einem veganen Angebot fragt, ist der falsche Weg.“ 

Kröpfl sieht bei der veganen Küche vor allem aus wirtschaftlicher Sicht noch viel Potenzial nach oben: Fisch und Fleisch werden immer teurer, beim Einsatz pflanzenbasierter Produkte sparen Köche Zeit und auch die Lagerhaltung ist nicht so anspruchsvoll wie bei Fleisch und Fisch.

Ausbau der Speisekarte

Das Hilton Vienna Park hat bereits gehandelt: „Unser Ziel ist ein ganzheitlich-nachhaltiger Ansatz unter dem Motto „A Passion to Care“, erklärt Hilton Vienna Park-Geschäftsführer Norbert B. Lessing. Ab sofort baut Hilton daher sein vegetarisches und veganes Angebot auf der Speisekarte mit pflanzenbasierten Alternativen von The Green Mountain weiter aus. 

„Die pflanzlichen Basisprodukte sind das Fundament, auf dem sich alles andere aufbauen lässt“, erläutert Ademir Husagi, Executive Chef im Hilton Vienna Park, und Lessing ergänzt: „Wir werden mit den pflanzlichen und proteinreichen Leckerbissen ein authentisches, frisches und vielfältiges Plant-based-Speisenangebot in unseren Gourmetküchen anbieten. Das ist gut für unsere Gäste und gut für den Planeten.“

Weißwurst ohne Fleisch
Foto: Greenforce

Weißwurst ganz ohne Fleisch

Wie weit sollte der gesunde Ernährungstrend gehen? Aktuell macht die erste vegane Weißwurst die Runde. Freilich grantelt jetzt der ein oder andere Urbayer, für den die Weißwurst absolut unantastbar ist. Gastgeber sehen darin aber nun eine Chance, noch mehr Gäste mit ihrem Speisenangebot anzusprechen. „Ohne unser traditionelles Kulturgut zu verlieren, möchten wir all unseren Gästen das bestmögliche bayrische Geschmacks­erlebnis bieten“, meint Mitja Lafere, der mit Nadja van Mark, Costantino Medde und Sebastian Erlenmaier das junge Wirtequartett des Herrschaftszeiten – das Paulaner im Tal in München bildet.  Zur klassischen Weißwurst, die hier ganz traditionell bis 12 Uhr mit süßem Senf, einer Brezn und Weißbier serviert wird, gesellt sich daher ab sofort auch eine vegane Variante vom Münchner Foodtech-Start-up Greenforce. 

Auf Kritik seitens mancher Gäste ist das Team vorbereitet: „Wir haben lange genug Menschen mit besonderen Ernährungsweisen ausgeschlossen und freuen uns, nun eine noch breitere Gästegruppe ansprechen zu können.“

gemischte Platte
Fotos: Osi

Was bieten die Hersteller Neues?

Seit Jahren arbeiten Lebensmittelhersteller eifrig an veganen Neuentwicklungen, die Gastronomen dankend annehmen. Maik Rossow von Nordic Bowls tat sich früher mit dem Einsatz von Milchersatzprodukten oftmals schwer. „Sie waren zu getreidelastig und haben mit anderen Lebensmitteln nicht harmoniert“, meint der Betreiber des Restaurants Waterkant Kitchen in Börgerende. 

Hier kommt inzwischen der Bio-Haferdrink Jörd von Arla beim Frühstücksservice für Kaffeegetränke, das Müsli oder im Porridge, aber auch beim Anrühren von Saucen für Mittagsgerichte zum Einsatz. „Beispielsweise für eine Senfsauce zum Fisch“, führt Rossow weiter aus. An Rossows Foodtruck, direkt am Strand, kommen die Badegäste in den Genuss veganer Kaltmilch-Getränke. „Mein Favorit ist der Mango-Milchshake, der mit frischen Früchten, veganem Softeis und dem Haferdrink so richtig cremig wird“, schwärmt der Gastronom.

So ein Käse? Eher Wissenschaft!

Inzwischen gibt es für so ziemlich jede Käsesorte eine pflanzliche Alternative. Die veganen Ersatzprodukte bestehen im Wesentlichen aus Wasser, pflanzlichen Ölen (z.B. Kokosöl oder Palmöl) und Stärke, einige enthalten auch Tofu oder verarbeitete Nüsse. 

Auf eine möglichst kurze Zutatenliste setzt Milram: „Wir entwickeln gerade Käse-Alternativen mit einer Mischung aus pflanzlichen Fetten und Proteinen“, verrät Thomas Czisch, Senior Brand Manager Milram Food-Service. Zwei Jahre lang wurden für die Entwicklung unter anderem ein hausinternes veganes Köcheteam sowie externe Küchenprofis Zurate gezogen (siehe 2. Seite "Im Praxistest"). 

Anfang 2023 sollen dann neue Produkte zur Heiß- und Kaltanwendung auf den Markt kommen. „Wir haben hierfür außerdem in ein neues Entwicklungsteam sowie in neue Anlagen investiert. Schließlich verhält sich die pflanzliche Alternative anders als ein tierischer Käse – sei es in der Herstellung oder in der Rezeptur.“

Pflanzliche alternativen
Foto: Salomon FoodWorld

Der Fleischersatz-Markt boomt

Vor allem im Bereich der Alternativprodukte für Fleisch tut sich derzeit viel. In der Systemgastronomie bewähren sich laut Angaben von Osi beispielsweise die Nuggets der Plant Powered Ch!cken Style von Osi Foodworks. Knusprige Panade außen, saftiger Kern im Innern, sind sie vor allem trendig im Snack-Geschäft. „Gesunde Ernährung, hohe Qualität und Nachhaltigkeit nehmen gerade bei der jüngeren Zielgruppe immer weiter zu. Eine fleischreduzierte Ernährung, ohne auf Geschmack verzichten zu müssen, gehört zu ihren Bedürfnissen“, weiß Bianca Posch, Head of Customer Marketing, OSI International. 

René-Noel Schiemer beißt am liebsten in einen Raw NoBeef Burger von The Vegetarian Butcher. „Mir gefallen das Mundgefühl und der Geschmack einfach in jeder Art der Anwendung.“ Ebenso begeistert ist der stellvertretende Leiter der Culinary Fachberatung & Culinary Fachberatung Inspiration bei Unilever Food Solutions & Langnese auch von dem Gehackten Raw NoMince auf Sojabasis: „Man hat in der Küche sehr viel Freiraum und kann damit zum Beispiel fleischlose Hackbällchen, Burger oder Pflanzerl zubereiten.“

Genuss ohne Kompromisse

Bewusst gegen Soja, dafür für Weizenprotein entschieden, hat sich FZS Convenience bei der Entwicklung seiner Plant-Meat-Produkte, „da wir bei Weizen keine Fehlaromen und weniger Allergenpotenzial haben“, erklärt Rainer Laabs, Head of Markets. „Dadurch sind die Produkte für die meisten Menschen verträglicher. Zudem sind wir damit nicht auf Rohstoffe aus Asien oder Übersee angewiesen. Unser Weizen stammt zu 75 Prozent aus Deutschland und der restliche Anteil aus Europa.“ 

Was bei der Entwicklung der pflanzenbasierten Alternativprodukte wie dem Schnitzelgratin „Mediterran“ besonders herausfordernd ist? „Die Produkte müssen sowohl in Optik, Textur und Geschmack überzeugen. Der Gast sollte nicht den Eindruck haben, auf etwas verzichten zu müssen.“

Sandwich
Fotos: Milram

Luft bei Fischersatz

Noch etwas dünner besiedelt im veganen Geschäft ist die Sparte der Fischprodukte. Anfang des Jahres verkostete man den „Fisch vom Feld“ aus Schwarzwurzeln vom TK-Hersteller Frosta, und während das Wiener Start-up Revo Foods vegane Räucherlachs-Alternativen aus dem 3D-Drucker entwickelt, nähert sich hierzulande Food-Riese Nestlé dem Geschäftsfeld mit dem „Garden Gourmet Vuna“ auf Basis von Sojaprotein im Glas an. 

In der Praxis erweist sich dieses als Pendant zu klassischem Thunfisch. Volker Schröder, Küchenchef der Accente Gastronomie Service auf dem Messegelände in Frankfurt, nutzt Vuna beispielsweise als Aufstrich für Fladenbrot oder Baguette. „Die Nachfrage von der veganen Menü- und Büfettversorgung ist inzwischen auch an die Selbstzahlerbereiche der Bistros und Cafebars der Messe übergeschwappt“, berichtet der Bereichsleiter Produktion. Je nach Event-Publikum gehen so täglich 300 bis 400 Backwarenteile mit dem Aufstrich über die Theken.      

Pflanzenbasierte Angebote scheinen jede Menge Potenzial zu bieten und hängen vorwiegend von der Flexibilität des Anwenders ab.

Weitere Artikel aus der Rubrik Specials

Artikel teilen:
Überzeugt? Dann holen Sie sich das HOGAPAGE Magazin nach Hause!