Willkommen im Hygienozän
Foto: picture alliance / Zoonar | Robert Kneschke

Willkommen im Hygienozän

Über die Langzeit-Auswirkungen von Corona auf unser Hygienebedürfnis

von Kristina Presser
Freitag, 05.03.2021
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Noch vor nicht allzu langer Zeit schien es undenkbar, einen Teil seiner Ausgaben gezielt in ein extra entwickeltes Hygienekonzept für den eigenen Betrieb zu stecken. Heute ist es quasi undenkbar, keines zu haben. Corona hat einiges verändert. Vor allem unser Bedürfnis nach Hygiene und Sauberkeit. Dabei sind gerade Hotellerie und Gastronomie naturgemäß Branchen, die Hygienestandards hochhalten – unabhängig von Viruskrisen. Doch durch die Pandemie hat man die ohnehin dort geltenden Hygienebestimmungen noch verschärft. Von Landesregierungen hagelte es Hygienevorschriften für Betriebe und Einrichtungen, die Mitarbeitern und Gästen ein sicheres Gefühl in diesen gesundheitlich unsicheren Zeiten geben sollen.

Inzwischen ist die Maske fester Alltagsbegleiter, wir leben »Social Distancing«, und ohne regelmäßige Handdesinfektion geht kaum noch was. Tatsächlich legen Gäste im Hotel mehr Wert auf Hygieneprodukte als etwa auf Kontaktlos-Funktionen. Das ergab die kürzlich unter rund 1.000 Reisenden durchgeführte Umfrage »Was Gäste von wiedereröffneten Hotels erwarten« der Buchungsseite HotelsByDay. Das Ergebnis: 53 Prozent der Befragten erwarten Handdesinfektionsstationen, 51 Prozent eine Maskenpflicht für Mitarbeiter und Gäste, je 44 Prozent ein Willkommenspaket mit Handdesinfektionsmittel und Masken sowie einen täglichen Housekeeping-Service und 39 Prozent einen kontaktlosen Check-in und Check-out. Einige Gäste (18 Prozent) sind sogar bereit, dafür einen COVID-Zuschlag zu zahlen.

Hygienekonzepte als nachhaltige Investition

Wir haben uns an ein deutlich höheres Hygienelevel gewöhnt und wollen es erfüllt wissen. Nun stellt sich die Frage, ob dieses Bedürfnis auch bleiben wird, wenn die Corona-Pandemie eingedämmt und gar überstanden ist. »Ja, absolut«, ist sich Thomas Beetz, Abteilungsleiter Risk Management beim Cateringdienstleister Aramark, sicher. Er geht davon aus, dass sich der aktuell erhöhte Reinigungs- und Desinfektionsumfang auch nach der Pandemie halten wird. Ebenso die gesteigerten Anforderungen an Personal-hygiene und umfangreichere Hygieneschulungen. Der Grund: »Die Erwartungshaltung der Gäste hat sich  verändert. Die Menschen sind stärker sensibilisiert für das Thema Hygiene«, resümiert Beetz. Daher betrachtet er die bei Aramark erarbeiteten Schutz- und Hygienekonzepte auch als Investition, die sich langfristig auszahlt.

Neben dem bereits integrierten Hygienekonzept »EverSafe«, geprüft und zertifiziert durch das SGS Institut Fresenius, setzt man bei Aramark also auch künftig auf »Aramark GO«. Das neue Konzept soll Betriebsrestaurants dabei unterstützen, ihr Mitnahme-Angebot zu steigern. Das beinhaltet auch die digitale Bestellung und bargeldloses Bezahlen. »Auch nach Corona wird die Nachfrage nach Take-away-Produkten hoch bleiben«, prognostiziert der Risikomanager und erklärt: »Die Pandemie hat den Arbeitsalltag vieler Angestellter verändert. Das Homeoffice hat sich während  Corona durchgesetzt und wird danach nicht einfach wieder verschwinden.«

Die Menschen sind stärker sensibilisiert für das Thema Hygiene

 Thomas Beetz, Aramark

Die Gäste-Erfahrung zählt

Dass das Gästebedürfnis nach erweiterten Hygienemaßnahmen auch in der Hotellerie langfristig bestehen bleiben und ein wichtiges Auswahlkriterium bei der Wahl einer Unterkunft sein wird, davon ist auch Andreas Krökel, Vorstand Operations, Sales & Marketing/Chief Operating Officer der Lindner Hotels AG, überzeugt: »Bei der Bewertung eines Preis-Leistungs-Verhältnisses wird das Thema Hygiene die Waagschale stark in Richtung Leistung bewegen.« Ein Hygienezertifikat, wie es inzwischen viele Betriebe vorweisen, ist allein aber nicht der Schlüssel, glaubt er. In erster Linie zähle die Erfahrung des Gastes und wie sichtbar ein Unternehmen die Maßnahmen vor Ort umsetze.

Thomas Beetz von Aramark
»Die Erwartungshaltung der
Gäste hat sich verändert«,
Thomas Beetz.
Foto: Aramark

Für die Lindner Hotels bedeutet das, dass auch nach Corona die Qualität des Housekeepings regelmäßig auditiert wird, Desinfektionsmittelspender in öffentlichen Bereichen vorhanden und die Reinigungszyklen enger getaktet bleiben werden. Zudem wird Gästen der kontaktlose Online-Check-in und -Check-out angeboten, die Speisekarte wurde digitalisiert und in einigen Häusern das Bargeld abgeschafft. Und dabei soll es nicht bleiben. »Wir werden sukzessive weitere Maßnahmen einführen, die neben der Hygiene vor allem dem Servicegedanken für unsere Gäste Rechnung tragen«, ergänzt der COO.

Das Angebot (nachhaltig) an das »new normal« anpassen, musste man auch in puncto Tagungen. Mit dem Partner EventConcepter realisiert Lindner Hotels nun erfolgreich Hybrid-Meetings und setzt damit verstärkt auf Konferenzen per Video- und Audio-Schalte. »Hier hilft uns die Digitalisierung sehr, den aktuellen Wünschen und Bedürfnissen unserer Gäste nachzukommen«, erklärt Krökel. Dazu gibt es ein ausgeklügeltes Sicherheits- und Hygienekonzept.

Andreas Krökel
Das stärkere Hygienebe-
dürfnis wird bleiben, glaubt
Andreas Krökel.
Foto: Lindner Hotels AG

Hygienebeauftragter – ein Job mit Zukunft?

Hygienekonzepte, gerade für Events, gut und schön. Aber oft werden diese in kurzer Zeit von ungeschultem Personal erstellt, anhand willkürlicher Vorlagen aus dem Netz, ohne Berücksichtigung individueller Verhältnisse vor Ort, so die Erfahrung von Olaf Jastrob, 1. Vorsitzender des Deutschen Expertenrates Besuchersicherheit (DEB). Ein Problem für die Sicherheit. Daher hat der DEB jüngst die Checkliste »Hygienekonzept für Veranstaltungen« herausgegeben, erstellt von Fachleuten mit teils jahrelanger Expertise in der Entwicklung von Hygienekonzepten. Trotzdem könne auch diese Liste nur eine Hilfe sein und müsse ggf. ergänzt werden, um ein individuelles Hygienekonzept zu erarbeiten, betont Jastrob. »Eine kritische Bestandsaufnahme ist unverzichtbar.«

Notwendige Mühe, die aber lohnt. Denn während viele heute gültige Schutzmaßnahmen in einer pandemiefreien Zeit kaum noch oder gar nicht mehr sichtbar sein werden, wird das Hygienekonzept, laut DEB, das wichtigste Instrument bleiben. »Es wird standardmäßiger Bestandteil des Sicherheitskonzeptes werden«, meint Jastrob, und für den Fall der Fälle bereitliegen. So könnten Maßnahmen frühzeitig ergriffen werden, Events auch bei bestimmten Inzidenzen noch stattfinden und müssten nicht abgesagt werden. Professionelle Hygienebeauftragte werden daher künftig wohl fester Bestandteil von Organisationsteams sein, schätzt der DEB – zumindest bei größeren Events. Bei kleineren könne die Hygienekontrolle etwa auch nur ein Teil der Aufgaben des Durchführenden sein.

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