No Shows
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No Shows - Abserviert vom Gast

Eine angemessene Reaktion auf No-Shows muss sein

von Daniela Müller
Donnerstag, 01.12.2016
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Es ist ein stets realistisches Szenario in der Spitzengastronomie: Das Restaurant ist ausgebucht – und doch bleiben am Abend Tische leer. Schuld daran sind jedoch nicht Gastronomen, die ihr Reservierungssystem nicht beherrschen. Vielmehr erscheinen die Gäste einfach nicht. »Natürlich ist es immer ärgerlich, wenn Reservierungen ohne Absage nicht eingehalten werden«, erklärt Boris Häbel, Restaurantleiter im Münchner Gourmettempel Tantris. »Pro ausgefallenen Gast ergibt sich ein Umsatzverlust von rund 200 Euro. Wenn ein Zweiertisch nicht kommt, dann fehlen mal schnell 400 Euro aufwärts«, klagt Häbel. Dabei sind vereinzelte Reservierungsausfälle für ein Restaurant wie das Tantris mit rund 35 Tischen noch relativ gut verkraftbar.

Der Verlust summiert sich schnell

Anders sieht es bei Betrieben aus, die über eine geringe Tischzahl verfügen. Thomas Bühner, Geschäftsführer und Küchenchef im Osnabrücker 3-Sterne-Restaurant La Vie, kennt in seinem Haus mit 14 Tischen für 35 Gäste den Schaden, den wankel­mütige Gourmets anrichten, nur zu gut: »Sicherlich kann sich jeder vorstellen, wie hoch der Verlust eines Restaurants ist, wenn ein reservierter Vierertisch unbesetzt bleibt. Dann fehlen zehn Prozent des abendlichen Umsatzes«, so Bühner. Auf SZ online rechnet Sven Elverfeld, Chef des Wolfsburger 3-Sterne-Restaurants Aqua, vor: »Wenn im Monat nur drei Vierertische ohne Absage nicht besetzt würden, entspräche der Verlust ungefähr dem Gehalt eines Mitarbeiters.«

Bis zwei Tage vor dem
Reservierungs-
termin können Gäste kostenfrei absagen

 

David Eitel,
Restaurant-leiter The Table

Die Kettenreaktion einer Reservierung

Jede Reservierung zieht für den Gastronomen ein Bündel an Maßnahmen nach sich. Der Küchenchef bestellt auf Basis der angemeldeten Gäste seinen Warenbedarf. Genauso kalkuliert der Restaurantleiter den Personalbedarf für den Abend. Tagsüber laufen die Vorbereitungen in der Küche auf Hochtouren. Menüvorbereitungen von mehreren Stunden sind in der Spitzengastronomie die Regel. Das Serviceteam bereitet parallel dazu den Gastraum vor. Tische werden den Reservierungen entsprechend umgestellt und eingedeckt, Weine werden temperiert und die Menükarten vorbereitet. Und dann versetzt der Gast den Gastronomen. Dieser trägt die Ausfallkosten, das Essen muss oftmals entsorgt werden. »Viele Zutaten landen dann natürlich in der Tonne«, bestätigt David Eitel, Restaurantleiter von Kevin Fehlings 3-Sterne-Restaurant The Table in Hamburg.

Restaurantbooking mir Handy
Reservieren geht schnell – auch das rechtzei­tige Stornieren sollte
nicht vergessen werden. Foto: fotolia.com: mangpor2004

Sicherheit durch Stornogebühren

Zur Absicherung gegen nicht eingehaltene Tischreservierungen haben viele Gastronomen inzwischen die Regeln verschärft. »Wir verlangen eine Stornierungsgebühr von 195 Euro, also genau in der Höhe des Menüpreises, sollte ein Gast nicht kommen«, erklärt David Eitel. »Bis zwei Tage vor dem Reservierungstermin können Gäste kostenfrei absagen. Bei kurzfristigen Abbestellungen kommt es darauf an: Bekommen wir den Tisch weiterverkauft, erheben wir auch keine Stornogebühr.« Auch Thomas Bühner hat sich gegen das Verlustgeschäft gewappnet. »Wer bei uns erstmalig reserviert, den bitten wir, seine Postadresse oder Kreditkarte zu hinterlegen. Reserviert ein Gast bei uns online, erhält er folgende Nachricht: Selbstverständlich kann Ihre Reservierung bis 24 Stunden vor dem Termin kostenlos storniert werden. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir bei einer Stornierung bis zu 24 Stunden vor Ihrer Reservierung sowie bei Nichterscheinen eine Entschädigung von 100 Euro pro Person berechnen müssen. Sie können jederzeit Ihren Termin kostenlos verschieben.« Bei seinen Gästen erntet Bühner dafür Zustimmung. »Das liegt sicherlich auch daran, dass ein Großteil unserer Gäste aus dem Ausland kommt und das Prozedere als absolut normal empfindet«, so Bühner.

Thomas Bühner
Thomas Bühner, Küchenchef des 3-Sterne-Restaurants La Vie  in
Osnabrück, hat kein Verständnis für wankelmütige Gäste.
Foto: La Vie / Michael Holz Studio

Mit dem Ticket ins Restaurant

In internationalen Spitzenrestaurants in Amerika, Frankreich, Spanien der Schweiz oder England ist die sogenannte »No Show Tax« schon lange üblich. Bereits bei der Reservierung wird nach der Kreditkartennummer des Gastes gefragt und eine Reservierungsgebühr von der Kreditkarte abgebucht. Nimmt ein Gast die Reservierung wahr, wird die Gebühr auf die Rechnung des Abends angerechnet. Wer zum Beispiel im Gourmetrestaurant Ecco on Snow im schweizerischen Champfèr bucht, der wird umgehend darauf hingewiesen, dass das Nichterscheinen mit einer Gebühr von 200 Franken pro Person verbunden ist. In Madrids 3-Sterne-Restaurant DiverXo arbeitet man mit einem sogenannten Ticket-System. Mit der Reservierung muss der Gast ein Ticket in Höhe von 60 Euro erwerben. Die Tickets können nicht zurückgegeben werden, dafür werden sie auf den Konsum angerechnet. Umbuchungen sind bis zu 48 Stunden vor der Reservierung kostenfrei möglich. Auch in den USA hat sich das Ticket-System durchgesetzt – jedoch zu deutlich höheren Tarifen. So verkauft das Alinea in Chicago Tickets, abhängig von Tages- und Uhrzeit, zu variablen Preisen ab 210 US-Dollar pro Gast. Umbuchungen sind nicht möglich, der Weiterverkauf ist nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Ähnlich verfährt das mit zwei Sternen geadelte Restaurant Coi in San Francisco. Bei einer Reservierung zahlt der Gast je nach Termin für das obligatorische Menü zwischen 155 und 185 Dollar plus 18 Prozent Service im Voraus. Hier gilt eine Umbuchungserlaubnis bis 48 Stunden vor dem Termin.

Tisch im la vie
Foto: La Vie / Michael Holz Studio

Und wie gestaltet sich die Rechtslage?

Wie sind Reservierungen rechtlich zu beurteilen? Und wie kann der Gastronom Ansprüche geltend machen, wenn die Reservierung nicht storniert wird? Aus juristischer Sicht stellt sich zunächst die Frage: Handelt es sich bei der Re­servierung um eine verbindliche Reservierung oder lediglich um eine vage Bestellung.

Somit gilt: Je umfang- und detailreicher die Reservierung ist, umso verbindlicher wird sie. Bei einer verbindlichen Reservierung kann vom Abschluss eines Vorvertrages mit rechtlichen Konsequenzen ausgegangen werden. In diesem Fall kann der Wirt seinen entgangenen Gewinn abzüglich der ihm erspart gebliebenen Aufwendungen beanspruchen.

Schwierige Beweisführung

Beim weitaus größten Teil von Reservierungen handelt es sich jedoch um vage Tischbestellungen. Sie dienen lediglich der Anbahnung noch auszuhandelnder und abzuschließender Bewirtungsverträge. Der Gastronom kann zwar von einer Menü-Bestellung zum reservierten Termin ausgehen, was und wie viel der Gast zu diesem Zeitpunkt letztendlich konsumiert, steht bei einer Vorbestellung jedoch nicht fest. So entschied das Amtsgericht Siegburg (AZ: 6 C 464/90), dass dem Wirt auch im Falle einer Tischreservierung kein Schadensanspruch wegen Nichtbestellung eines Menüs oder von Speisen zu­stehe. Schließlich kann der Wirt nicht erwarten, dass ein Gast auch dann bestellt, wenn ihm die Essensauswahl nicht zusagt.

Bei einer größeren Reservierung empfiehlt sich ein schriftlicher Vertrag

 

Monika Poschenrieder, Vorsitzende DEHOGA

Dagegen billigt das Landgericht Kiel (AZ: 8 S 160/97) dem Wirt einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo (lateinisch: Verschulden bei Vertragsschluss) in Höhe des Vertrauensschadens zu, wenn die Reservierung nicht in Anspruch genommen wird. Zwar besteht mit der Tischreservierung keine vertragliche Verpflichtung zum Kommen. Trotzdem können dem Wirt durch die Reservierung Kosten anfallen. Allerdings muss er ausreichend beweisen, dass ihm durch das Nichterscheinen ein Schaden entstanden ist. Das betrifft im Speziellen sogenannte Vorbereitungskosten wie etwa durch die nachweisliche Bereit­stellung besonderer Speisen, von Tischschmuck oder durch Einstellung von zusätzlichem Personal. Dem Gastronom wird theoretisch eine Kompensation zugebilligt. Auch kann der Wirt einen entgangenen Gewinn geltend machen, wenn er andere Gäste aufgrund der Tischreservierung abweisen musste. Praktisch ist die Forderung auf Schadensersatz jedoch schwer, da der Wirt die Verluste durch das Nichterscheinen nachweisen muss.

Letztendlich wird es sich jeder Restaurantbetreiber sehr genau überlegen, wann es sich lohnt, rechtliche Schritte einzuleiten. Schließlich kann ein solches Vorgehen schnell ins Gegenteil umschlagen: Negative Reaktionen im Internet, auf Social-Media-Plattformen oder schlechte Mundpropaganda schaden dem Ruf eines Restaurants oft mehr, als eine Forderung auf Schadensersatz einbringt.

Im Netz ist die Lage eindeutiger

Klarer verhält es sich im Netz. Bucht ein Gast auf der Homepage des Restaurants, kommt automatisch ein Vertrag zustande. Außerdem sind die Storno-Regeln hier durch den Betreiber klar gekennzeichnet. Der No-Show-Problematik haben sich in der digitalen Welt nach Hinweisen aus der Gastronomie inzwischen auch Reservierungsportale wie Bookatable angenommen. So heißt es inzwischen in den allgemeinen Geschäftsbedingungen: »Der Kunde ermächtigt Bookatable, alle für ihn anfallenden No-Show-Gebühren einzubehalten. Weiterhin ermächtigt der Kunde Bookatable, alle im Rahmen dieses Ver­trages anfallenden Gebühren, die Booka­table an den Zahlungsprovider im Zusammenhang mit No-Show zu entrichten hat, mit diesen No-Show-Gebühren zu verrechnen.«

Restaurant The Table Hamburg
Im Restaurant The Table in Hamburg beträgt die Stornierungsgebühr
ab zwei Tage vor dem Reservierungstermin 195 Euro pro Gast.
Foto: The Table / Michael Danner

Was rät der DEHOGA?

Angesichts der zweideutigen Rechtslage ist es ratsam – besonders bei Reservierungen größeren Umfangs – die Konditionen der Reservierung von vornherein schriftlich zu fixieren und Kontaktadressen genau festzuhalten. Monika Poschenrieder, Vorsitzende des Fachbereiches Gastronomie Bayern des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA), empfiehlt Gastronomen, schon »bei Vertragsabschluss klare Vereinbarungen zu treffen und nochmals darauf hinzuweisen. Wer von vornherein die Telefonnummer und die Adresse des Gastes notiert, der wirkt professionell und minimiert automatisch die Gefahr von No-Shows.« Schließlich erinnern sich Gäste naturgemäß besser daran, einen Tisch bei Nichtbedarf wieder abzubestellen, wenn vorher die Kontaktdaten oder gar die Kreditkartennummer abgegeben wurde. »Bei einer größeren Reservierung empfiehlt sich ein schriftlicher Vertrag. Auch eine Anzahlung ist durchaus vereinbar«, so Poschenrieder.

Stornierungsgebühr: Pro & Kontra

Schließlich sei noch einmal klar betont: Stornierungsgebühren haben nichts mit Profitgier zu tun. Sie erfüllen vor allem bei Gruppenreservierungen und in Spitzenrestaurants ihren Sinn. Unbesetzte Tische machen oftmals genau die Differenz zwischen Gewinn und Verlust in einem personal- und produktintensiven Geschäft aus. Wenn ein Restaurant zudem keine Laufkundschaft hat und auf eine abendliche Tischauslastung angewiesen ist, sind Stornierungsgebühren ein wirksames Mittel, um sich gegen wirtschaftliche Schäden abzusichern

Reservierungs- bzw. Stornierungsgebühren bleiben jedoch stets eine Gratwanderung und verlangen Fingerspitzengefühl, um dem Gast die Hintergründe dieser Gebühr zu erläutern. Kein Gastronom hat ein Interesse daran, dass Gäste auf Restaurants ausweichen, die keine Stornogebühren verlangen. Schließlich gilt das Verhältnis zwischen Gast und Gastronom noch immer als besondere Geschäftsbeziehung, die auf Vertrauen und Zuverlässigkeit basiert.

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