Gewagte Ideen um dem Mangel an Servicekräften entgegenzuwirken
Fotos: Jante; Thomas Maluck

Gewagte Ideen, um dem Mangel an Servicekräften entgegenzuwirken

Fight Club - hot or really not?

von Daniela Müller
Mittwoch, 04.05.2022
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PRO

Tony Hohlfeld
Tony Hohlfeld
Foto: Jante

»Mich stört es, wenn ich mich auf mein Gegenüber konzentrieren möchte, aber durch neues Besteck oder häufiges Nachschenken unterbrochen werde«

Eines vorweg: Mit meiner Frau Mona Schrader, mit der ich das »Jante« in Hannover betreibe, habe ich mir Gedanken gemacht, wie wir bestimmte Abläufe in unserem Restaurant optimieren können. Und ganz unabhängig von unserem Lokal sind wir überzeugt, dass ein Hinterfragen des Herkömm­lichen grundsätzlich notwendig ist – 
der Zukunft der Gastronomie zuliebe. Sonst haben wir bald keine Auszubildenden, Köche und Servicekräfte mehr.

Im »Jante« verzichten wir weitestgehend auf das klassische Besteckauflege-Prozedere, weil wir es einfach nervig finden, bei jedem Gang neues Besteck aufzulegen. Das ist ganz im Sinne unserer Gäste, zumal diese dann mehr Ruhe genießen können, während sie bei uns speisen. Stattdessen konzentrieren wir uns lieber auf wichtigere Dinge, etwa auf das ausführlichere Gespräch mit dem Gast.

Tony Hohlfeld

Sternekoch Tony Hohlfeld ist Inhaber des »Jante« in Hannover und stellt seinen Gästen Wasser zum Nachschenken sowie Besteck auf einem Beistelltisch zur Verfügung – zugunsten der Entschleunigung im Gastraum.

Diese Idee haben wir in einem Kopenhagener Restaurant entdeckt, wir fanden das einfach ziemlich cool und sinnvoll. Unseren Gästen erklären wir gleich zu Beginn, was wir uns dabei gedacht haben, und zu beinahe 100 Prozent sind sie fein damit. Manche sind regelrecht angetan bis verblüfft und meinen, das könne gern auch in anderen Restaurants so gehandhabt werden. Unsere eigens entwickelten Beistelltische für Besteck und Getränke kommen gut an, sparen viele Laufwege.
Es ist angenehm für die Gäste, wenn das Actionlastige wegfällt! Auch das ständige Nachschenken des Wassers haben wir zurückgefahren. Was ebenfalls dazu führt, dass die Atmosphäre im Restaurant auf wohltuende Weise entschleunigt wird. In einem kleineren Restaurant wie unserem macht es eine Menge aus, wenn dieses ständige Aqua-Running wegfällt. 

Mich selbst stört es auch, wenn ich in einem gehobenen Restaurant speise, mich auf mein Gegenüber konzentrieren möchte, aber durch neues Besteck oder übertrieben häufiges Nachschenken ständig irgendwie unterbrochen werde.

Ich denke, diese Abläufe mit dem Besteckauflegen und dem Nachschenken hat jede Generation von der vorigen so beigebracht bekommen und übernommen. Aber das ist zumindest für uns kein Grund, dies ebenso zu übernehmen. Die Zufriedenheit unserer Gäste zeigt uns, dass wir richtige Entscheidungen getroffen haben.


CONTRA

Jakob Schäfer
Jakob Schäfer
Foto: Thomas Maluck

»Die Idee mit Besteck am Tisch gibt es nicht erst seit gestern. Aber es ist nicht das, was ich mir unter einem stilvollen Restaurantbesuch vorstelle«

Service neu denken? Grundsätzlich nichts dagegen. Aber generell finde ich es wichtiger, dass der Fokus auf die Ausbildung des Nachwuchses gelegt wird, anstatt den Fachkräftemangel einfach hinzunehmen und dafür die Tischkultur zu verwässern. 

Seit Jahren bin ich der Meinung, dass die Gastronomie in die falsche Richtung steuert. Wir müssen uns endlich im Klaren darüber sein, dass der Fachkräftemangel unser eigenes Verschulden ist und dass das Weglassen der klassischen Praktiken in der Gastronomie nicht der richtige Weg sein kann. 

Die Idee mit dem Besteck am Tisch gibt es nicht erst seit gestern, egal ob im Tisch eingebaut oder auf dem Tisch stehend – Wirtshäuser und Schnellimbisse nutzen diese Möglichkeit schon seit Jahren. Aber es ist nicht das, was ich mir unter einem stilvollen Restaurantbesuch vorstelle. 

Jakob Schäfer

Für Jakob Schäfer, Küchenchef des Novotel und Ibis Regensburg Zentrum, sind Service und Tischkultur wesentliche  Bestandteile eines  unvergesslichen Restaurantbesuchs – fehlt dies, gleicht es einem Schnellimbiss.

Wenn ich als Gast viel Geld für ein Menü zahle, erwarte ich, dass das Wasser eingeschenkt wird, der Gastronom eine gewisse Tischkultur zelebriert. Ich möchte den bestmöglichen Service, und Tischkultur ist für mich die Basis eines erfolgreichen Restaurants, meiner Meinung nach ist sie nach wie vor wesentlicher Bestandteil eines unvergesslichen Restaurantbesuchs. 

Besteckkästen am Tisch erzeugen für mich persönlich einen Schnellimbisscharakter. So kann ich ein Ambiente nicht genießen! Ich erwarte ein schönes Geschirr, einen perfekt gedeckten Tisch, eine ansprechend gestaltete Tischdekoration und einen aufmerksamen Service, der keine Wünsche offenlässt. Nur auf diese Weise wird aus der Nahrungsaufnahme ein Erlebnis mit Wohlfühlcharakter. 

Aus unternehmerischer Sicht mag es sinnvoll sein, etwa den Nachschenkservice und das eingedeckte Besteck zu streichen. Aber ich weiß aus vielen Gesprächen mit Gästen, dass ihnen die Kombination aus gutem Service und einem perfekt gedeckten Tisch mindestens genauso wichtig ist wie die Qualität der Speisen auf dem Teller. Es ist einfach charmant, wenn ich im Restaurant bin, der Kellner am Tisch vorbeikommt und mir Wein und Wasser nachschenkt. 

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