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Endlich die richtigen Mitarbeiter finden

von Petra Sodtke
Freitag, 02.06.2017
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Aus Gesichtsausdruck und Verhalten sollen nun eben nicht Serientäter entlarvt, sondern die idealen Mitarbeiter identifiziert werden. Wie das geht, wollte HOGAPAGE von zwei hochkarätigen Profis wissen: von Deutschlands Gesichterleser Nummer eins, Dirk W. Eilert, und von Hotellerie- und Gastro-Coach Frank Simmeth. Ausprobieren und Trefferquote steigern!

Profiling – das weckt Bilder von echten FBI-Analytikern, die über ein Psycho-»Geheimwissen« verfügen. Und von TV-Helden aus »CSI«, »Monk« oder »The Mentalist«. Bei ihnen reichen ein Blick plus ein paar Fragen, und der Verdächtige ist durchschaut. Oder sie erstellen Profile gesuchter Krimineller, analysieren, wie diese ticken, und schon sind sie gefasst. Das ist natürlich überzogen. Aber ein Körnchen Wahrheit ist – wie so oft – auch hier zu finden. Denn nicht umsonst hat sich das Recruiting der Werkzeugkiste des FBI bedient. Dieses gar nicht so geheime »Geheimwissen« wurde in den 1970ern entwickelt, gehört zur Verhaltensanalyse und nennt sich Täter-Profilerstellung.

Umgesetzt für die Arbeitswelt, kann man sich Bewerber-Profiling wie ein Puzzle vorstellen: Die einzelnen Puzzlesteine stehen für Eigenschaften des Kandidaten (Persönlichkeit und Fachliches), die, richtig angeordnet, ein ganzes Bild ergeben: das »Bewerber-Profil«. Um dieses möglichst vollständig hinzubekommen, werden herkömmliche Techniken der Personalsuche (wie Interview-Fragen) mit innovativen Methoden ergänzt (wie bspw. die aus FBI und Fernsehen bekannte Mimik-Analyse). Jedes Puzzle braucht auch einen sicheren Untergrund, auf den man die Steinchen legt bzw. bezieht: das »Anforderungsprofil«. Der Arbeitgeber fixiert vorab: Wie ist mein idealer neuer Mitarbeiter? Welche Aufgaben, Befugnisse, Verantwortung beschreiben die vakante Stelle? Als letzter Schritt der Abgleich: Je besser Bewerberprofil und Anforderungsprofil zusammenpassen, desto geeigneter ist der Kandidat (»Job-Match«).

Wer nicht weiß, wen er will, kriegt irgendwen

Diese Methode hat viele Vorteile: Es gibt eine klare Strategie, und die hilft, neue Mitarbeiter möglichst objektiv auszuwählen. Damit schiebt man typischen Fehlerquellen der herkömmlichen Personalsuche den Riegel vor. Wie dem berühmten Bauchgefühl, einem gern genutzten, wenn auch unzuverlässigen Entscheidungshelfer. Denn dieses lässt Arbeitgeber glauben, die Kompetenz eines Kandidaten einschätzen zu können, während es in Wahrheit nur um Sympathie geht, weiß Hotellerie- und Gastro-Coach Frank Simmeth (www.simmeth-training.de): »Und so entscheiden sich viele im Bewerber-Interview meist schon nach den ersten Sekunden genau für den Kandidaten, der ihnen am ähnlichsten, und damit am sympathischsten, ist.« Eine strategisch unkluge Entscheidung, warnt er: »Man braucht ja vielmehr jemanden, der das Team ergänzt und der die offene Stelle perfekt ausfüllt.« So passt zu besonders gewissenhaften Mitarbeitern oft ein innovativer Kreativling als Chef. Und ein Team aus Extrovertierten kann in einer eher introvertierten Führungskraft den passenden Deckel finden. Das sind übrigens alles Überlegungen, die bei der Erstellung des Anforderungsprofils bedacht und konkretisiert werden sollten: Wen sollte der/die Neue ergänzen, welche Qualität fehlt im Team? Welcher Typ Mensch sollte es sein? Ein Profiling-Bewertungsbogen ist ein professioneller Helfer, der die Einschätzungen des Arbeitgebers im Job-Interview schriftlich festhält, in Relation zu den Anforderungen setzt und ermöglicht, den geeigneten Bewerber auszuwählen (siehe Info-Box: Bewertungsbogen).

Profiling, ja – aber mit welchen Bewerbern?

Neben der Erstellung des Anforderungsprofils gibt es noch eine weitere unverzichtbare Vorarbeit für Arbeitgeber: die zeitgemäße Anwerbung von Fachkräften. »Da sich oft nur wenige Bewerber auf die klassischen Recruiting-Maßnahmen melden, wird nicht der beste Bewerber eingestellt, sondern der Erstbeste«, sagt Simmeth. »Der eine oder andere Wirt oder Hotelier schüttelt ja schon allein bei der Frage ›Wie wählst du unter deinen Bewerbern aus?‹ verständnislos den Kopf und fragt sich: ›Welche Auswahl?‹« Was tun? Einerseits sollten die sozialen Netzwerke intensiv genutzt werden, wird Frank Simmeth nicht müde zu betonen: um den ­Betrieb zu präsentieren, um auf Personalsuche auf möglichst vielen Kanälen zu gehen, aber auch um Bewertungen über Kandidaten einzuholen bzw. zu er-»googeln«. »Viele Unternehmer unterschätzen auch die Chance der Gelegenheiten. Manchmal trifft man Menschen, die gerade frei sind und besondere Fähigkeiten haben, die das Team ergänzen würden. Ich empfehle: Zugreifen! Und eine Stelle kreieren, obwohl man gerade nicht gesucht hat.«

Ich sehe was, das du nicht siehst …

Die wohl faszinierendste Technik, die beim Bewerber-Profiling genutzt wird, ist die Mimikresonanz-Analyse. Das ist eine Technik, die schult, was in Zeiten von Twitter & Co., wo wir auf schnelle, oberflächliche Kommunikation in 140 Zeichen getrimmt sind, fast schon revolutionär anmutet: auf Details zu achten. Mimik- und Körpersprache-Profi Dirk W. Eilert (www.eilert-akademie.de) sagt: »Wenn man genau hinschaut, kann man aus dem Mienenspiel im Gesicht eines Kandidaten vieles herauslesen. Zwar nicht, was er denkt, aber was er fühlt und welche Motive ihn antreiben.« Entscheidend sind dabei die sogenannten Mikroexpressionen: Das sind jene Bewegungen, die einem Bewerber übers Gesicht huschen, kurz bevor er eine Frage beantwortet. Vom Emotionszentrum im Gehirn (limbisches System) ausgelöst, kann er sie nicht steuern, sie sind dadurch unverfälscht und spiegeln seine innersten Gefühle wider. Allerdings muss man sie schnell erkennen können, denn sie tauchen nur im Bruchteil einer Sekunde auf. Wer das beherrscht (und das ist mit etwas Wissen und Übung definitiv erlernbar: siehe Crashkurs Mimikanalyse im Info-Kasten), hat einen großen Vorteil beim Einschätzen von Kandidaten: Er kann Widersprüche aufdecken zwischen dem, was der Kandidat sagt, verspricht, behauptet, und dem, was er tatsächlich fühlt.

Nicht vermuten, sondern fragen!

Wer einen solchen Widerspruch bemerkt, muss nicht unbedingt einen Kandidaten vor sich haben, der bewusst lügt. Wenn dieser etwa auf die Frage »Zur ausgeschriebenen Stelle gehört auch, in der Früh die Gästetoiletten zu reinigen, wenn die Putzfrau nicht da ist. Wäre das okay für Sie?« antwortet: »Ja, kein Problem«, ihm dabei aber Zeichen des Ekels ins Gesicht geschrieben stehen (siehe Abbildung: Crashkurs), sollte der Arbeitgeber hellhörig werden. Eilert: »Für diese Diskrepanz zwischen Mimik und Worten könnte es verschiedene Gründe geben: Entweder lügt der Kandidat. Oder vielleicht hat er sich zu wenig mit den Anforderungen der Stelle auseinandergesetzt und antwortet sozial erwünscht, um sich nicht aus dem Rennen zu katapultieren.« Jetzt gilt: Statt zu vermuten, nachfragen: »Ich habe den Eindruck, dass es Ihnen unangenehm war, mir das zu sagen. Darf ich fragen, was der Grund ist?« Für die meisten Unklarheiten geeignet: »Können Sie das konkretisieren, mir ein Beispiel nennen?« Oder: »Was ­verstehen Sie darunter?« Solche Fragen bewahren mitunter vor folgenschweren Fehlentscheidungen: den Arbeitgeber davor, den Falschen einzustellen, und den Bewerber davor, im falschen Job zu landen. (Quelle: Absolut empfehlenswert ist der HR-Bestseller von Arthur Schneider: »Mit den besten Interviewfragen die besten Mitarbeiter gewinnen«, erschienen im Praxium Verlag, ISBN: 9783952271278, 39,– Euro.)

Von Columbo lernen

Genauso macht es übrigens auch TV-Inspektor Columbo: Er hat sein Auge geschult, auf Details zu achten, an denen andere achtlos vorbeilaufen. So hat er schnell Hinweise, wer der Täter sein könnte. Damit geht er auf Beweis-Suche und stellt genau dann, wenn sich sein Verdächtiger in Sicherheit wiegt, die berühmte Kultfrage: »Ach, was ich Sie noch fragen wollte …« Clever, denn: Lügen erfordert viel Konzentration, ihr Gift sind überraschende, nachbohrende Fragen. Man muss rasch die richtigen Worte finden, um sich nicht zu verraten. Diese Anstrengung sieht man: an geschürzten Lippen, angespannten unteren Augenlidern, zusammengezogenen Augenbrauen, vermehrtem Blinzeln, versteiften Bewegungen, eingehaltener Gestik, langen Sprechpausen, vielen Füllwörtern.

Wie hat Konfuzius schon vor gut 1.500 Jahren gemeint? »Beobachte, wie jemand handelt, betrachte seine Motive und
untersuche, worin er seine Ruhe findet. Wie könnte ein Mensch dir dann noch etwas verbergen

 

Dirk W. Eilert
Foto: Hans Scherhaufer

Laut Dirk W. Eilert lassen sich über Mikroexpressionen die wahren Gefühle des Gesprächspartners erkennen.

Crashkurs Mimikanalyse

Mimik- und Körperspracheprofi Dirk W. Eilert erklärt anhand dreier Beispiele, wie man Gesichter im Job-Gespräch lesen und damit den Kandidaten besser einschätzen kann. Zu achten ist besonders auf die Mikroexpressionen, die schnellen Bewegungen der Mimik (ähnlich rasch wie ein Wimpernschlag!).

SITUATION 1

Der Arbeitgeber fragt: »Zur ausgeschriebenen Stelle gehört auch, in der Früh die Gästetoiletten zu reinigen, wenn die Putzfrau nicht da ist. Wäre das okay für Sie?«

So reagiert die Kandidatin:

Mimik 1
Foto: Bettina Volke

Das sagt der Experte: »Diese Mimik zeigt das Gefühl des Ekels. Die Kandidatin zieht die Oberlippe kurz hoch, signalisiert damit Ablehnung. Würde der Ausdruck einseitig auftreten, drückt das Verachtung aus.«

SITUATION 2

Der Arbeitgeber fragt: »Sind Sie gut mit Ihrem ehemaligen Chef und Ihren Kollegen ausgekommen?«

So reagiert die Kandidatin:

Mimik 2
Foto: Bettina Volke

Das sagt der Experte: »Der Mundwinkel wird einseitig eingepresst, das kann Verachtung oder Skepsis bedeuten. Bei Verachtung unterbricht die Person in der Regel zusätzlich den Blickkontakt.«

SITUATION 3

Der Arbeitgeber bemerkt diesen Gesichtsausdruck kurz nach einer beliebigen Frage:

So reagiert die Kandidatin:

Mimik 3
Foto: Bettina Volke

Das sagt der Experte: Das sagt der Experte: »Die Mimik der Kandidatin verrät entweder Trauer oder Schuldgefühl. Diese zwei Emotionen teilen sich nämlich den gleichen Gesichtsausdruck: Die Augenbrauen-Innenseiten sind hochgezogen, wodurch sich im Stirnzentrum Falten bilden. Die Mundwinkel sind heruntergezogen, der Kinnbuckel ist angespannt.«

Wie man einen Profiling-Bewertungsbogen erstellt

Recruiting-Profi Frank Simmeth gibt Tipps für eine professionelle Vorlage

  • Schritt 1: Liste erstellen: Welche persönlichen und fachlichen Anforderungen soll der Bewerber mitbringen (im Hinblick auf die vakante Stelle: Aufgaben vorab konkretisieren!)? Gastorientierung, Computerkenntnisse, Offenheit, Teamfähigkeit, Humor, genaues Arbeiten usw.
  • Schritt 2: Gewichten: Wie wichtig sind die aufgelisteten Anforderungen? Ist bspw. Teamfähigkeit für die vakante Stelle entscheidend, diesem Punkt den Faktor von 2 geben (also den doppelten). Sind Computerkenntnisse zwar wünschenswert, aber nicht entscheidend: den Faktor von 0,5 geben (also den halben). Auch den Punkt »Sympathie« anführen (aber nur als ­einen Punkt unter vielen sehen!).
  • Schritt 3: Bewertungsskala: Die Skala kommt in die Spalten neben den Anforderungen: »nicht erfüllt: 0 Punkte«, »in Ordnung: 2 Punkte«, »gut: 4 Punkte«, »ausgezeichnet: 6 Punkte«.
  • Schritt 4: Grenze definieren: Welche Mindestpunktzahl muss ein Bewerber erreichen, um eingestellt zu werden? Hat man etwa einen Bewerber im Gespräch, der im Punkt »Gastorientierung« ausgezeichnet abschneidet, und dieser Punkt ist mit dem Faktor 2 bewertet, erhält der Bewerber also 12 Punkte. Hat man als Mindestpunkteanzahl 40 Punkte definiert und der Bewerber erreicht 42 Punkte, kann man ihn getrost einstellen!
  • Schritt 5: Fragen: Im Job-Interview für jeden dieser Punkte mindestens 2 – 3 Fragen (am besten: Situationsfragen aus dem Job-Alltag) stellen, die die jeweilige Fähigkeit oder Fertigkeit in den Mittelpunkt stellen.

Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.
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