Vielseitige Rollenspiele
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Vielseitige Rollenspiele

Wie man verschiedene Funktionen authentisch und glaubwürdig ausfüllt.

von Sebastian Bütow
Donnerstag, 16.09.2021
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Wenn Anita Wandinger, die erst 30-jährige Gründerin des AWA-Hotels in München, auf die harten Phasen der Coronazeit zurückblickt, spürt man den immensen Stress, dem sie ausgesetzt war: »Ich war immer erreichbar. 24/7, wurde auch nachts oft angerufen von Gästen, die ein Zimmer suchten. Zu solchen Zeiten war ich am Telefon manchmal nicht so professionell wie tagsüber, weil die Belastung einfach enorm war«, gesteht sie ehrlich.

Wer kennt solche Phasen nicht: immer nervös, der mentale Akku ziemlich leer, trotzdem steht man unter Dauerstrom. Für Wandinger galt bis vor nicht allzu langer Zeit: »Ich tickte immer perfektionistisch, wollte immer alles möglichst selbst machen, zumal wir ein kleines Familienhotel sind und immer schauen, wo wir sparen können.«

Wenn einen die Job-Rolle auffrisst, muss Veränderung her

Mittlerweile gibt sie immer mehr an ihre Kollegen ab. »Ich musste erst lernen, dass dies der bessere Weg ist. Wenn mir ein Mitarbeiter ab einer gewissen Uhrzeit schreibt, dann lese ich es einfach nicht mehr sofort, sondern erst später. Dann denke und sage ich: Finde selbst eine Lösung! Wenn ich immer weiter antworte, nehmen die Anliegen kein Ende.« Wandinger hat auch eine Rolle als Ehefrau – und möchte in dieser nicht immer erschöpft und gestresst sein.

So ziemlich jeder von uns spielt verschiedene Rollen im Leben: als Mitarbeiter(in), Führungskraft, Ehemann oder -frau, Vater oder Mutter, um nur mal einige zu nennen. Es sind Rollen, die wir nicht selten gleichzeitig und im besten Fall glaubwürdig verkörpern (müssen), um mit unseren Mitmenschen klarzukommen. Doch wie bekommen wir all diese Rollen unter einen Hut? Wie gelingt es uns, authentisch zu sein, ohne uns zu verstellen?
Mit diesen Fragestellungen beschäftigt sich der Schweizer Kommunikationstrainer und Autor Stefan Häseli intensiv, etwa in seinem Fachbeitrag »Am Morgen Abteilungsleiter, am Abend Party-Löwe. Verschiedene Rollen im Leben authentisch und glaubwürdig ausfüllen«.

Elisabeth Hauser Benz
Elisabeth Hauser-Benz setzt auf durchdachte Organisation, um ihren
Aufgaben gerecht zu werden. Foto: Stanglwirt

Probleme nicht aussitzen, sondern handeln!

Eine seiner wichtigsten Botschaften: »Viele Führungskräfte laufen Gefahr, sich Konflikten nicht zu stellen. Einige haben davor Angst und hoffen, dass es mit der Zeit einfach so besser wird.« Was, wie wir alle wissen, aber meist nicht von allein geschieht. »Eine gefährliche Nicht-Angriffskultur«, findet Häseli. »Die Machtrolle lieber nicht ausüben, stattdessen die Problematik aussitzen sollte nicht die Lösung sein.«

Das gilt auch für eine drohende Überbelastung. Lieber etwas verändern vor einem Burnout-Super-GAU. Elisabeth Hauser-Benz leitet das Personalmanagement im legendären Kitzbühler Familienhotel Stanglwirt und ist die wichtigste Ansprechperson für insgesamt 320 Mitarbeiter im Haus. Zudem ist sie noch Mutter, züchtet Lipizzaner (Pferderasse), hat einen Hund und vieles mehr.

»Wie schaffe ich es bestmöglich, Führungskraft, Mutter und Ehepartnerin gleichzeitig zu sein? Plus zusätzlich noch etwas Zeit für mich selbst zu haben?« So lautet die Fragestellung, deren Antworten sie immer zu optimieren versucht. Ihr Ehemann unterstützt sie als moderner Vater, Freitag ist Papa-Tag, der ihr dann ein wenig mehr Freiräume ermöglicht.

Präventiv an die Themen herangehen

Klar, dass ihre Tage ziemlich ausgefüllt sind bei dieser Vielzahl an Rollen, die Elisabeth Hauser-Benz im Leben so spielt und miteinander vereinen muss. »Ich habe für mich die Strategie entdeckt, dass ich sehr präventiv an die verschiedenen Themen herangehe. Ich schaue, dass ich gesund bleibe, mich viel bewege. Für mich ist wichtig, eine Routine, eine Struktur zu haben, sonst komme ich an meine Grenzen. Ich mache sehr viel Yoga, das kann man auch mal zehn Minuten machen.« Weil Hauser-Benz sehr früh mit dem Reiten begonnen hat, lernte sie schon in jungen Jahren, eine Struktur für ihr Leben aufzubauen. »Das hat mir auch für mein späteres Berufsleben geholfen, um Hobby und Schule zu vereinen.«

Stefan Häseli liegt noch eine wichtige Botschaft am Herzen: »Es geht nicht darum, Rollen zu spielen, sondern die Rolle auch tatsächlich zu sein.« Wenn jemand nur versuche, eine Rolle zu verkörpern, mit dieser aber in seinem Innersten nicht im Einklang sei – »dann stimmt etwas nicht«, so Häseli. Zudem bedeute dieses »falsche« Rollenspiel einen enormen Stressfaktor. »Es gibt Führungskräfte, die verkörpern diese Rolle so, wie sie es aus Seminaren und Büchern erlernt haben. Dabei bleibt oft ihre Authentizität auf der Strecke.« Wenn etwa jemand nicht der Typ sei für eine lautstarke Gardinenpredigt, solle man auch nicht auf diese Weise Autorität zeigen, wenn es nicht zur Persönlichkeit passt und im schlimmsten Fall sogar lächerlich rüberkommt.

Viel zielführender sei es laut Häseli, eine Methode zu finden, die sich schon einmal bewährt hat, mit der man sich wirklich identifizieren kann: »Dann rate ich, sich zu erinnern: Wann hast du dich in deinem Leben mal richtig durchgesetzt? Auf welche Weise ist dir dies gelungen?« Oft höre er dann, dass es ein persönliches Gespräch mit feinen Argumenten war statt mit zorniger Stimme und die Konfliktsituation so entschärft werden konnte. Alles eine Frage der Rolle – und wie man sie richtig interpretiert.

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