Kündigungsschutz auch bei späterer Kenntnis der Schwangerschaft
Recht so? Expertenkolumne, was Unternehmen jetzt wissen müssen!
von Kristina Harrer-Kouliev/Alexandra SchmidtDarunter fällt auch der besondere Kündigungsschutz. Gemäß § 17 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) darf einer Frau während der Schwangerschaft nicht gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft bekannt ist oder wenn sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird.
Aber wie sieht es aus, wenn die schwangere Arbeitnehmerin zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs noch nichts von ihrer Schwangerschaft weiß? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 3. April 2025 (2 AZR 156/24) entschieden, dass der besondere Schutz auch dann gilt, wenn die Schwangere zum Zeitpunkt der Kündigung keine Kenntnis von der Schwangerschaft hat.
Der Sachverhalt
Um sich gegen eine Kündigung zu wehren, müssen Beschäftigte innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage erheben. Nach Ablauf dieser Frist gilt die Kündigung rechtlich als wirksam. Im konkreten Fall wurde der Klägerin am 14. Mai 2022 zum 30. Juni gekündigt. Zwei Wochen später erfuhr sie durch einen positiven Test von ihrer Schwangerschaft. Obwohl sie sich sofort um einen Termin beim Frauenarzt bemühte, erhielt sie diesen erst am 17. Juni und der Arzt bestätigte die Schwangerschaft.
Was Unternehmen
jetzt wissen müssen!
Die Klägerin hatte am 13. Juni Kündigungsschutzklage eingereicht und einen Antrag auf nachträgliche Zulassung gestellt. Mit dem Antrag machte sie geltend, dass sie erst nach Fristablauf von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte. Die beklagte Arbeitgeberin war jedoch der Ansicht, dass die Frau durch den positiven Test bereits während der Frist Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hatte und die Klage daher präkludiert sei. Sie beantragte daher, die Klage abzuweisen. Das Arbeits- und das Landesarbeitsgericht gaben der Klägerin Recht. Mit der Revision beantragte die Beklagte die Klageabweisung.
Die Entscheidung des BAG
Vor dem BAG hatte die Revision keinen Erfolg. Obwohl die Klagefrist in diesem Fall nicht eingehalten wurde, bestätigte das BAG, dass die Klage nachträglich zugelassen wird. Die Klägerin hätte erst mit der frühestmöglichen Untersuchung beim Arzt positive Kenntnis davon erlangt, dass sie bereits zum Zeitpunkt der Kündigung schwanger war. Der Test habe diese Erkenntnis nicht sicher vermitteln können, so das BAG. Ihr sei nicht anzulasten, dass sich der Termin beim Arzt verzögert hat. Daher war die Kündigung der Klägerin aufgrund ihrer Schwangerschaft unwirksam.
Die Handlungsempfehlung
Mit der Entscheidung betont das BAG, dass Schwangere auch dann noch Kündigungsschutzklage erheben können, wenn sie erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist durch einen Arztbesuch gesicherte Kenntnis von ihrer Schwangerschaft erlangen. Ein Schwangerschaftstest zu Hause vermittele noch keine gesicherte Kenntnis. Arbeitgeber können nicht immer alle Umstände vorhersehen – zum Beispiel eine bisher unentdeckte Schwangerschaft.
Arbeitgeber müssen dennoch die Vorgaben des Mutterschutzes unbedingt einhalten. Sowohl die Vorschriften im Kündigungsschutzgesetz als auch das gesamte Mutterschutzgesetz spiegeln die europäischen Mutterschutzrichtlinie wider – den Gerichten bleibt nur wenig Spielraum für Abweichungen.

Foto: BdS
Die Autorinnen
Kristina Harrer-Kouliev
Kristina Harrer-Kouliev ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Leiterin der Rechtsabteilung des BdS sowie ehrenamtliche Richterin am Arbeitsgericht in Berlin. Ihr Jurastudium hat sie an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen absolviert.
Alexandra Schmidt
Alexandra Schmidt ist seit Januar 2023 als Syndikusrechtsanwältin und Referentin beim Bundesverband der Systemgastronomie in München tätig. Sie studierte Jura an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg und an der Ludwig-Maximilians-Universität in München