Milch mit oder ohne Muh
Foto: Milram Food Service

Milch – mit oder ohne Muh ...

Einzigartig oder einfach von gestern?

von Gabriele Gugetzer
Dienstag, 13.07.2021
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Die Zeiten, da veganer Käse noch als Analogkäse verlacht wurde und nur die billigsten Pizzen zieren durfte, sind vorbei. Rein pflanzlicher Käse ist keine Fake News, sondern, zumindest vom Hörensagen, in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Jedoch: Ist die Frage nach dem Geschmack weniger wichtig als die nach der richtigen Haltung, die man beim Verzehr von veganem Käse in gewissen Kreisen ja doch sehr gerne zur Schau stellt? Direkt gefragt: Schmeckt das? Nun, eine clevere Idee hatte vor einem Jahr ein Start-Up namens Les Affineurs Nouveaux. Richtig, sie kommen aus Frankreich, dem Mutterland der Käsekultur und richtig, sie bezeichnen sich als Affineure, obwohl sie mit Tierprodukten nix am Hut haben. Mit Frischkäsesorten und gereiften (ähem) Sorten wollten die Gründer zeigen, dass veganer Käse »den heutigen ökologischen, ethischen und gesundheitlichen Anforderungen gerecht werden kann und trotzdem Genuss bietet.« Biocashewnüsse, fair gehandelt und GMO-freies, französisches Soja sind die Hauptzutaten, dazu kommt – ganz schön clever! – Camarguesalz.  Nun führen sie auch in Deutschland erste Gespräche mit der Gastronomie.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das Verantwortungs-
bewusstsein für Regionalität und Nachhaltigkeit immer weiter wächst

Pascal Woerlé, Panorama-hotel Oberjoch (Allgäu TopHotels) 

Hafer und anderer Milchersatz

Oatly, Platzhirsche in Sachen Hafermilch und lifestyliges Marketing, sind mit ihrer Produktpalette so erfolgreich, dass sie Ende Mai den Börsengang wagten. Richeza Reisinger vom Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft erklärt das Phänomen: »Die Vorzüge von Haferdrinks sind, dass sie die pflanzliche Ernährung unterstützen, für Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, geeignet sind, und für Menschen, die an Laktoseintoleranz leiden. Sie haben einen geringen Fettanteil. Haferdrinks enthalten zehn bis zwölf Prozent Hafer; aus diesem Anteil folgt ein Ballaststoffgehalt von 0,6 g pro 100 ml und ein Beta-Glucan-Gehalt von knapp 0,3 g auf 100 ml.«

Letzterer mag den Cholesterinspiegel im Blut senken ... aber das klingt alles noch nicht nach Genuss. Da muss dann doch ein Profi ran. Jens Rittmeyer kam schon 2013 im edlen KAI 3 auf Sylt mit Ersatzmilchprodukten in Kontakt, weil das bei den Gästen gut ankam, wie er erinnert. »Es gab damals bei uns ein Menü rund um Fleisch, Fisch und Krustentiere und ein zweites rein pflanzliches Menü.« Vegane Gäste hatten die Küche auf ein solches Angebot angesprochen. Daraus entwickelte sich eine Stammkundschaft, es entstand Mundpropaganda und plötzlich stand sogar der Veganerbund-Präsident vor der Tür und lieferte hinterher seitenweise Lobeshymnen. Heute, in seinem eigenen Restaurant, arbeitet Jens Rittmeyer gerne mit Erzeugnissen von Hafer, Buchweizen, auch Dinkel und legt auch Cashew und Mandel vor. Keine Sojamilch? »Da spielt der Kopf eine Rolle, ich denke an genveränderte Zutaten. Und das Produkt ist mir meist zu süß.«

Nuii Caramel White Chocolate und Texan Pecan
Entführt Eisfreunde auf eine Genussreise nach Texas: Nuii Caramel
White Chocolate & Texan Pecan. Foto: Froneri Schöller

Käse – mehr als nur Nahrung

Milchersatzprodukte sind gekommen, um zu bleiben, denn auch das Thema Nachhaltigkeit hat sich längst vom Trend wegbewegt und wird von der Gesellschaft flächendeckend als Thema wahrgenommen. Aber solchen Produkten fehlt etwas: Identität. Und genau daraus hat Pascal Woerlé, Direktor des Panoramahotels Oberjoch im Allgäu, einen USP gemacht. »Unsere Gäste verbinden das Allgäu nicht nur mit traumhafter Erholung, sondern auch mit leckerem Käse,« sagt er. Als sich vor einigen Jahren die Chance bot, die fußläufige Alpe Untere Schwande zu übernehmen, suchte Woerlé nach einer Möglichkeit, diese nicht nur als Eventlocation ans Hotel zu binden. Es ging quasi zurück zu den Wurzeln: Im Oberjoch-Hotel machte man sich auf die Suche nach einem regionalen Käsepartner und fand ihn in Jamei Laibspeis aus Kempten. Thomas Breckle ist dort Affineur und sehr umtriebig; so steht er alle zwei Wochen auf dem Hamburger Isemarkt, der norddeutschen Version des Münchner Viktualienmarkts. Zwar befand Breckle den Keller der Alpe als ungeeignet zum Affinieren. Macht nix, dafür hat Jamei Laibspeis genug Keller. Doch für die Lagerung der fertigen Laiber ist die Alpe ideal.

Mittlerweile werden die Käselaiber vor Ort in der Alpe serviert, im Panoramahotel und den dazugehörigen Alpin Chalets. Beim Frühstück, zur Brotzeit, zum Fondue; als Mitbringsel sind sie ebenfalls sehr begehrt. Woerlé hat erfolgreich einen Mehrwert für Gäste geschaffen und weiß aus vielen Gesprächen, dass diese den dementsprechend höheren Preis für solchen handgemachten Käse »gerne zu zahlen bereit sind, vor allem, wenn sie wissen, dass man der Region etwas Gutes tut.«

Tag der Milch

Anlässlich des Tags der Milch am 1. Juni wurde eine europaweite Webseite entworfen, die sich mit Hofkäse aus allen Ländern beschäftigt. Infos unter www.milchhandwerk.info

 

Die Hofkäse-Experten

Drei Käsereifer, 80 Hofkäser. Okay, im Ausland sind sie auch aktiv, aber ein Schwerpunkt der Drei von Käse Kober ist, »die Betreuung und der Aufbau von Hofproduzenten«, so Dobbin Lange, Director of Sales and Marketing. Gemeinsam entwickeln sie die Käse, sind sie stabil, legen die Kober Hand an: »Wir überführen die Rohlinge in die Affinage, wo sie zwischen zwei Wochen und zwei Jahren reifen ... unter unterschiedlichsten Bedingungen in Aroma und Konsistenz und auf den Punkt.« Sie haben viel Berufserfahrung, gehören zu den JRE, beliefern die Sternegastro, aber auch Kreuzfahrtküchen. Rabatte und Sonderangebote gibt’s nicht bei ihnen: »Es gibt so viele Stellschrauben, die es Charge für Charge zu drehen gilt. Bei einem neuen Hofkäser ist erst nach etwa 1,5 Jahren alles perfekt aufeinander abgestimmt, wir übernehmen Käse Woche für Woche oder Monat für Monat, reifen diese und machen den Vertrieb.«

In Deutschland ist der Norden Basis ihrer Arbeit – „es ist wie die Kornkammer der Milch von Deutschland,“ sagt Dobbin Lange und beobachtet zunehmend ein Umdenken bei den Bauern. „Mehr und mehr Höfe beginnen, ökologisch zu denken. Marschen zu sichern, Knicke zu rekultivieren, Hörner zuzulassen, Kälber bei der Mutter zu lassen.“ Ansprüche, die für ihn und seine zwei Kollegen wichtig sind.

Pasta Carbonara
Mit der Kochsahne von Debic gelingt Pasta Carbonara kinderleicht.
Foto: FrieslandCampina

Ist Milch wirklich ungesund?

Nur vier Studien aus den letzten zwei Jahren seien in diesem Zusammenhang genannt. Wer regelmäßig Milch trinkt, so eine aktuelle Studie der University of Reading, hat ein deutlich geringeres Risiko einer koronaren Herzerkankung. Bereits im letzten Jahr wurde in einer anderen internationalen Studie ein Zusammenhang zwischen dem regelmäßigen Verzehr von Joghurt und der verringerten Gefahr, an Leberkrebs zu erkranken, dargestellt. In den USA (auch dort sind Milchersatzprodukte sehr angesagt) wurde in einer Studie der Iowa State University an 1787 Erwachsenen gezeigt, dass Käse »mit Abstand« das beste Mittel gegen altersbedingte kognitive Probleme ist. 2019 legten Forscher in einer im Journal of Nutritional Biochemistry veröffentlichten Studie dar, wie die Gefahr, an Diabetes Typ 2 zu erkranken, durch Käseverzehr erheblich reduziert wird.

Sahne für das »Margenwunder«

Debic hat sich nach der Pandemie nicht auf neue Produkte fokussiert (ähnlich Milram, von denen gleich mehr), sondern sich auf einen Klassiker besonnen, ihre Kochsahne Culinare 20 Prozent. Aber die kriegte ein neues Konzept verpasst: Der praktische Küchenhelfer soll in diesem Sommer der Gastro dazu verhelfen, Standardsaucen wie Tomatensauce, Carbonara und andere Gästelieblinge unkompliziert und fix  zuzubereiten. Die Debic-Idee ist die einer Mix-und-Match-Pasta: Man hat einige Nudelsorten im Vorrat, aus denen Gäste ihre Sorte wählen können. Dann gibt’s die Basiskomponenten wie Tomate, Mozzarella, Pilze, Seafood, Rindfleisch, bereits zubereitet oder schnell gemacht. Auch unter diesen können Gäste wählen. Dann gibt’s noch einige Saucen zur Wahl, die gehen im Handumdrehen. Wie, zeigt die neue Broschüre »Pasta!«.

 

Körniger Frischkäse
Milram Körniger Frischkäse ist fettarm, vegetarisch und proteinreich
zugleich. Foto: Milram Food Service

Und in der GV?

Endlich wieder mal ein gemeinsames Mittagessen mit Kollegen oder mit den Zimmernachbarn im Altersheim! Milram hat Ideen, wie sich das zeitgemäß ausgarnieren lässt. Wie Debic setzen sie in diesem Sommer nicht auf neue Produkte – dafür waren die Zeitläufe doch zu ungewiss. Vielmehr betonen sie die gesunde und leichte Ernährung, was im Zuge der Gewichtszunahme im letzten Jahr (statistisch scheint jeder Deutsch fast 5 Kilo zugelegt zu haben) vielleicht auch die beste Lösung ist. Körniger Frischkäse, Ziegenfrischkäse, Milkshake und Milchreis sind aktuelle Milram-Themen, in der Ausgarnierung ließ man sich vom Clean Eating-Style der jungen Generation beeinflussen.

Körniger Frischkäse könnte eine Wiederentdeckung vertragen, er ist fettarm und liegt zudem im Trend einer vegetarischen proteinreichen Ernährung. Er passt in Bowls und den Salat, zu Roter Bete, Rucola, lässt sich scharf mit Sambal Oelek abschmecken und – wenn’s nicht unbedingt vegetarisch sein muss – macht Räucherlachs frisch.

Eiscremes mit und ohne

Als im letzten Sommer nix ging in der Gastro, ging immer noch das Eisgeschäft, erinnert sich Frank Scholz, Leiter des Gastro-Service-Teams bei Froneri Schöller. »Jeder, der konnte, stellte eine Eistruhe vor die Tür.« In diesem Jahr setzt er vor allen Dingen auf die Optik. »Schön dekorierte Wannen« stehen bei FS im Vordergrund, verbunden mit dem Tipp, Social Media weiterhin zu nutzen oder sogar auszubauen.

Stichworte für diesen Sommer sind nach der emotionalen Achterbahnfahrt eines ganzen Jahres nun das Aroma von Oma, wenn cremiges Aprikoseneis an den Obstgarten der Großmutter erinnert. Vegane Sorten ohne Milch sieht auch Frank Scholz auf dem Vormarsch und verweist auf die die steigende Nachfrage nach Sorbets. »Während der Sommermonate steigt die Nachfrage nach fruchtigen Varianten spürbar,« erinnert er.

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