Gut gewürzt
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Gut gewürzt

Zutaten für mehr Geschmack

von Gabriele Gugetzer
Donnerstag, 15.09.2016
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Michael Kempf vom Berliner Zweisterner Facil kommt aus einem Dorf im Schwabenländle. Aber er hantiert mit ­Gewürzen aus der ganzen Welt, als wäre es das Natürlichste der Welt. Ägyptischer Kreuzkümmel, japanischer Yuzusaft, tasmanischer Pfeffer, das war erst der Anfang, als er
sich Ende des ersten Jahrzehnts den ersten und bald darauf den zweiten Stern erkochte. Aktuell steht Kempf, der auch im ARD-Mittagsmagazin kocht, auf »japanischen Sanshopfeffer, Sarawakpfeffer, Piment d’Espelette und gerösteten grünen Anis«.

Chillischote
Foto: iStockphoto

Cross-over muss gelernt sein

Damit das nicht schmeckt wie ein Durcheinander, ist Gespür gefragt. Gewürze, das sieht man an Kempfs Herangehensweise, sind längst nicht mehr regional definiert. Mit anderen Worten: Spricht man den durchschnittlichen japanischen Koch an, weiß der natürlich, was Sanshopfeffer ist (er gehört in die aromatische Gewichtsklasse von Sichuanpfeffer und prickelt auf der Zunge). Aber würde er mit der Empfehlung von Ingo Holland etwas anfangen können, der als Gewürzelieferant bei Köchen ganz weit oben auf dem Kurzwahl-Register des Handys steht? Der befürwortet einen Hauch Sanshopfeffer als prickelndes Extra im Champagner.

Der Einsatz von Gewürzen macht die Küche aus und gibt ihr die individuelle Note

 

Anton Schmaus, Koch im Storstad Regensburg

Cross-over ist also auf jeden Fall ein Lernfach und braucht Zeit. Die nimmt sich ein Zweisterner wie Kempf, der neue Menüs über mehrere Wochen hin entwickelt. Allerdings erkennt er, der mit einem Näschen voller Fenchel und Anis (»macht süchtig«) aufgewachsen ist, eine Notwendigkeit: »Bei meinen Auszubildenden sehe ich sehr viel Schulungsbedarf im Umgang mit Gewürzen in der modernen Küche.« Klar kennen die sich trendgerecht mit Chilis aus und können Pulled Pork im Schlaf würzen. Aber Kempf arbeitet aktuell mit Genmaicha-Tee (er enthält neben grünem Tee auch geröstete und teilweise gepoppte Körner vom braunen Reis) als Infusion und mit Blütenpollen. So was kann sich ein Jungkoch nicht beim Boxenstopp am Foodtruck abgucken.

Gewürzkompetenz jenseits der Hauptstadt

Während Michael Kempf als Zwölf­jähriger die Schwarzwälder Kirschtorte revolutionieren wollte, wie er sich erinnert, saß Anton Schmaus vorm »Schweiners«. So nennt man in der Regensburger Gegend den Schweinebraten mit Knödel und Krautsalat. Heute kocht Schmaus besternt und modern im Storstad direkt neben dem Regensburger Dom.

Klar können auch die Bayern würzen, sagt er. Mehr noch: »Wir lieben es! Wir lieben Pikantes.« Kümmel, Senf, Meerrettich zählt er auf. Aber sind das nicht nur die Aromen, mit denen man übertüncht, was die Küche verschlafen hat?

Anton Schmaus
Anton Schmaus
Foto: Storstad /
Florian Hammerich

Schmaus schüttelt den Kopf. »Ich bin in einem gehobenen bayerischen Wirtshaus aufgewachsen«, sagt er. Der Vater kocht bis heute alles frisch, deshalb stand neben dem Schweinebraten auch Petersfisch mit Rotkohl auf der Speisekarte. Schmaus senior setzte seit jeher Saucen und Brühen selber an. Denn auch das gehört zum richtigen Würzen, kein Wunder, dass sich japanische Köche und ernst zu nehmende Kochbücher aus Japan mit diesem Thema jahrelang und kapitelweise beschäftigen.

Sein Tipp: »Ingwer und Chili für die gewisse Grundschärfe, kombiniert mit frischen Kräutern.«

Da fragen wir mal nach: »Kann man sich mit dem gekonnten Einsatz von Gewürzen einen Namen machen?« – »Definitiv«, sagt Schmaus, »der Einsatz von Gewürzen macht die Küche aus und gibt ihr die individuelle Note.« – »Machen Gewürze kreativ?« – »Mehr noch, sie befeuern die Kreativität, weil man so den Gerichten immer wieder eine neue Richtung geben kann.« Er selbst liebt, dem urigen Bayern-Look zum Trotz, asiatische Aromen.

Sein Favorit? »Currymischungen, denn da ist die Bandbreite von fruchtig bis extrem scharf unheimlich groß.«

Rosmarin
Foto: iStockphoto

Was trinkt man denn dazu?

Schmaus hat eine Sommelière, Alexandra Himmel. »Ich denke,« sagt er, »man braucht ein großes Wissen und Erfahrung, um gewürzgeprägte Gerichte durch einen Wein nochmals zu steigern.«

Und wenn man keine Sommelière hat? Dann fragt man Sabine Ernest-Hahn, die ist auch eine, überdies studiert, mehr noch, sie ist Fachfrau, weil sie selbst ein kleines Restaurant (das Vitus im oberbayerischen Iffeldorf) führt.

»Je mehr Würze eine Speise hat«, weiß sie, »desto schwieriger wird es auch für kräftige Weine, zur Geltung zu kommen.« Die Lösung? »Vor dem Würzen entscheiden, ob der Wein oder das Gericht die Hauptrolle spielt.«

Jenseits der Sterneküche

Und was geht jenseits der Sterneküche? Genauso viel! Benjamin Zehetmeier verantwortet die Gastronomie im Severins Resort & Spa auf Sylt. Auf Deutschlands Lieblingsinsel hat die Sterneküche vor ­einigen Jahren erst für Furore gesorgt, um dann – von Holger Bodendorf und Johannes King natürlich abgesehen – wie ein bedröppelter Hund heim Richtung Festland zu juckeln. Was nicht heißt, dass die Gäste der Insel kein Fine Dining wollen, betont Zehetmeier. Es soll halt nur entspannter zugehen. Im Tipken’s hat man sich auf korrespondierende hochwertige Weine im Glas spezialisiert, im Hoog, dem Bistro, stehen regionale Gerichte im Vordergrund. Gewürzt wird »saisonal«, sagt Zehetmeier knapp.

In beiden Restaurants wird ausschließlich mit frischen Kräutern hantiert – bis nach Hamburg ins Vierlande-Gebiet reicht das Lieferantennetz. Noch pingeliger wird ­Zehetmeier bei den Chilis. Wie Kempf legt er selbst Hand an. »Wir räuchern in Eigen­regie, da wir so den Rauchgrad selber bestimmen können.«

Sein Tipp: »Wir verwenden vom normalen Sylter Meersalz und dem geräucherten Maldon-Salz bis hin zum selbst gemachten Kräutersalz eine große Bandbreite.«

Was rät er Einsteigern? »Das Wichtigste ist das Hauptprodukt der Küche. Beim Lamm beispielsweise würzen wir abhängig von der Zubereitungsart. Ich nehme Lavendel, Rosmarin, Thymian und Kerbel, wenn wir Lamm als Hauptgericht anbieten. Man könnte aber auch mit Vadouvan einen orientalischen Touch kreieren.«

Für die Nichteingeweihten: Vadouvan ist eine Gewürzmischung, unter anderem mit Urdbohnen, Linsen, Bockshornklee, Kreuzkümmel, Fenchel, Kurkuma, Curryblättern, Zwiebeln, Knoblauch.

Wacholderblatt
Foto: iStockphoto

Auch mit Kräutern lässt sich würzen

Im Karnerhof am Faaker See ist der hoteleigene Kräutergarten schlappe 500
Qua­dratmeter groß. Okay, der angeschlossene Park misst 10 Hektar – da hat also jemand richtig Platz. Aber für die Haubenküche von Marco Rabensteiner hat das dennoch Signalwirkung. Im Seerestaurant Götzlstube tischt er einen wortwörtlich ausgezeichneten Mix aus mediterran, kärntnerisch und international auf. Und zwar taufrisch geerntet, da kann man ihn schon beneiden (um die Lage des Hauses im Sonneneck an der Grenze zu Slowenien und Italien sowieso).

Sein Tipp: »Kräuter beim Kochen erst zum Schluss zugeben.«

Einen eigenen Gärtner leistet sich das Restaurant. Und bei über 50 Kräuter- und diversen Obstsorten und Gemüsen hat der auch genug zu tun. Sauerampfer, Kärntner Nudelminze, Zitronenverbene, das Oldschool-Kraut Liebstöckel oder Kapuzinerkresse sind »nicht nur Dekoration, sondern das A und O für den Geschmack«, sagt Rabensteiner. Noch ein weiterer Aspekt des Würzens ist ihm wichtig. Nicht nur Chilis sind gesund (sie enthalten viele Vitamine und überdies Antioxidantien). »Die ätherischen Öle der Kräuter gelten in der Phytotherapie als gesundheitsfördernd.«

Was rät er Einsteigern? »Für Fisch und Fleisch mit Rosmarin, Thymian, Salbei, Zitronenthymian und Zitronenbasilikum arbeiten.«

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