Seafood bietet unendlich viele Möglichkeiten, vor dem Gast aufzutrumpfen
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Fisch, Meeresfrüchte und ... Meeresfenchel?

Seafood bietet unendlich viele Möglichkeiten, vor dem Gast aufzutrumpfen

von Gabriele Gugetzer
Mittwoch, 22.01.2020
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Der Trend für 2020? Trend ist, was gefällt«, sagt Benedikt Faust vom Kuno 1408 in Würzburg, befragt nach dem, was in diesem Jahr in der Fischküche angesagt ist. Das sei der Macht der Influencer geschuldet. Der Michelin-Koch ist selbst in den sozialen Medien unterwegs. Er weiß, wovon er redet: »Wenn es genug Follower für Waller mit Senfsoße und eine für Selfies optisch anmutende Präsentation gibt, wäre auch das absolut im Bereich des Möglichen.« Wie sich als Koch gegen diese Beliebigkeit stemmen? Nun, Faust findet, dass zu viel in der Küche getüftelt wird. »Hand auf’s Herz: Wer kann sich erinnern, das letzte Mal einen frischen Meeresfrüchtesalat gegessen zu haben?« Weg von Konsistenzen und Texturen und hin zum Unverfälschten? Er ist nicht der Einzige, der so denkt.

Anja Schröder, Planet Wein:

»Spätburgunder und Pinot noir sind tolle Begleiter für leichte Gerichte.«

Geschichten und Erzeuger – zwischen Fischaktie und Fischmann Micha

Die Kollegen von Transgourmet haben in ihrer Ursprungs-Range ein neues Thema umgesetzt: Die Fischaktie für verantwortungsvolle Aquakultur. Fischzüchter Gunnar Reese aus Schleswig-Holstein arbeitet mit frischem Quellwasser und einem übersichtlichen Besatz in seinen Erdteichen, der für Fischwohl und Fischqualität sorgt. Dank der Fischaktien, die seine Kunden (kostenlos) erwerben, weiß er schon im Vorfeld, wie viele Fische beim Tagesfang benötigt werden, und kann den Besatz entsprechend einplanen. Großcaterer, Kindergärten und Restaurants sind bei diesem Projekt dabei, welches überdies beinhaltet, dass die frisch filetierten Saiblinge, Bachforellen und Goldforellen wenige Stunden nach der Schlachtung auf Eis gekühlt an die Abnehmer verschickt werden. »Tierwohl«, erklärt Projektmanager Arsalan Ghadiri Pour, »ist neben dem verantwortungsvollen Umgang mit der Natur das Hauptaugenmerk der Marke Ursprung. Durch die Fischaktie wollen wir Kunden, Gastronomen und deren Gäste möglichst nah an die nachhaltige Fischzucht heranbringen und sie zum Teil der Idee machen.« Geschichten erzählen, den Erzeuger kennen – das geht also auch im Großen.

Im Kleinen macht das Fischmann Micha (Wickert). In der Uckermark betreibt der studierte Agrar- und Fischereiwissenschaftler eine kleine Fischräucherei. Im Sommer stehen die Endverbraucher, die oft einen Ausflug aus der Hauptstadt mit einem Einkauf verbinden, Schlange bei ihm. Im Winter wird nur – kalt – geräuchert, nicht verkauft und wandert die Ware in gehobene Berliner Fischtheken und Restaurants wie Lode + Stijn oder die Edelpizzeria Standard, die damit ihre Pizzen belegt. Seine Ware bezieht er aus dem sogenannten Lachsforellenzirkel (Süßwassergebiete in Frankreich, Norddeutschland, Polen). Der Aufwand ist zwar erheblich, aber: »Der Betrieb funktioniert nur, wenn ich immer selbst vorne stehe. Ich bin das Gesicht, ich räuchere, ich verkaufe.«

Fischkunst im Süden
Im Fritz & Friedrich steht Alpine-Asian-Fusionsküche auf der Karte
ein ganzheitliches Genusserlebnis. Foto: Rigele Royal

Fischkunst im Süden

Der Norden müsste die Nase vorn haben beim zeitgemäßen Zubereiten von Fisch und Meeresfrüchten. Thomas Kellermann, Chefkoch der Egerner Höfe am Tegernsee, ist da anderer Meinung. Trotz hochpreisigen Umfelds fällt bei seiner Klientel der Kaviar eher durch, dafür ist nach den fleischlastigen Festtagen eine beeindruckende Bandbreite auf der Karte zu finden: Lachsforelle, Saibling, Stör, Austern, Seezunge, Makrele, Meerbarbe, Kaisergranat. Was ihnen gemeinsam ist? Auf den ersten Blick nix, auf den zweiten, dass sie die ganze Klaviatur zwischen nachhaltig, regional und exklusiv spielen. Genau das wollen die Gäste nämlich, die sich »sehr gerne« regionale Produkte bestellen, die er dank der Tegernseer Fischerei auch liefern kann. Was ihm jedoch auch auffällt? »Klassische Gerichte sind gefragt, Tatar, Forelle im Ganzen, Forelle Müllerin.« Kein Wunder, dass Crêpe Suzette der Dauerbrenner auf der Dessertkarte ist.

Wakame, Queller & Co.: Meer und Küste können vegan

Algen lernten viele Gäste erstmals als Einwickelpapier von Sushirollen kennen. In den letzten Jahren bieten Sushishops zusätzlich würzige Salatzubereitungen mit Wakame an. Algen sind Würze für Reiscracker, aromatisieren Bier oder Kaviar-Ersatzprodukt. Benedikt Faust würde Algen auch in Kombination mit Insekten bringen und verarbeiten; Stichwort: Proteingewinnung. Euler Fine Food hat sich neben Algen auf Strand-Sode, Salzmelde, Meeresfenchel und andere Exotika spezialisiert und beliefert damit die Top-Gastronomie wie Werneckhof, Burg Schwarzenstein, Althoff Hotel am Schlossgarten und Victor’s Fine Dining. Die Samen des Küstengemüses werden aus Naturschutzgebieten entnommen und in Gärtnereien kultiviert. Die Meeresalgen sind biozertifiziert.

Benjamin Maerz:

»Wir haben einen Dry Ager zum japanischen Reifer umfunktioniert. Das Ergebnis ist super, aber für Gäste ist ein Reifer im Gastraum optisch noch nicht überzeugend, da viele beim Fisch das Frischekrite­rium im Kopf haben.«

»Auf die Ökologie achten«: Benjamin Maerz

Gerade hat der Youngster mit Stern sein erstes Kochbuch »Heimat – weite Welt geschrieben«, und auch das ist wie die Philosophie des Hauses (Hotel Rose + Restaurant MAERZ) von klaren Worten geprägt. Trendige Zubereitungen wie Dry Aging oder Fischhaut im Dehydrator sind ein Markenzeichen seiner Küche, die eng gesteckte, regionale Vertrautheit ein anderes. Zwar bezieht auch er Fische nervenschonend von großen Lieferanten, hat aber mit Fischerei Meichle am Bodensee und Forellenzucht Calmbach aus dem Schwarzwald zwei regionale Lieferanten und setzt grundsätzlich auf Bodensee-Produkte wie die alte Zwiebelsorte Höri-Bülle. Engpässe umgeht er praktisch: »Wenn ein Produkt verfügbar ist, bestellen wir eine größere Menge, verarbeiten es bei uns und kon­servieren es mit einem Schockfroster. So vermeiden wir Qualitätsverluste und haben uneingeschränkten Zugriff.« Trotz der regionalen Verbundenheit hat Maerz kein Problem mit Zuchtware. Ganz im Gegenteil: »Ich finde es spannend, wie man mit Hilfe von Technik und Digitalisierung mittlerweile oftmals ganze Zuchtanlagen betreiben kann. Das schont Ressourcen und Logistik.«

Kreation von Benedikt Faust
Benedikt Faust vom Kuno 1408 in Würzburg macht seine
Kreationen nicht nur lecker, sondern auch »instagrammable«.
Foto: Kuno 1408

Lachs mal neu denken

13,7 Kilogramm Fisch und Meeresfrüchte verzehrten die Deutschen im Jahr 2018. Lachs ist dabei das Lieblingsprodukt. Und dank immer besser werdender Zuchtbetriebe (Glen-Douglas-Lachs vor der schottischen Whiskyküste bei Oban ist wohl das beste Beispiel) wird auch die Qualität immer besser. Das wiederum schlägt sich in einer größeren Küchenbandbreite nieder. Carmelo Greco, Sternekoch aus dem gleichnamigen Frankfurter Restaurant, schlägt die rohe Variante vor. »Der Lachs muss hochwertig sein, dann kann man ihn wunderbar als Carpaccio oder Tatar servieren. Vor der Zubereitung schockfrosten, das tötet die Bakterien.« Kurz gegart, serviert er ihn zum Kartoffelsalat, auch in der veredelten Variante mit Kaviar oder mit einer klassischen Salsa ruggine (Mayonnaise, Chiliöl, Paprikapulver). Der Glen-Douglas-Lachs, ein QSFP-Produkt aus dem Frischeparadies, mag auch stärkere Aromen, beispielsweise Shiitake-Pilze, sautierten Pak Choi, eine prägnante Asiasauce.

Thomas Kellermann, Egerner Höfe:

»Bei uns stehen vermehrt Süßwasserfische auf der Karte, Saibling, Lachsforelle, Renke. Auch Zander und Waller sind interessant.«

Nose to tail in Österreich

Lukas Nagl vom haubenbekrönten Restaurant Bootshaus im Hotel Das Traunsee ist nicht nur sehr innovativ (von österreichischer Fischsauce gleich mehr), sondern macht aus der Not eine Tugend. Er bekommt Wildfangfisch von den Fischern auf dem Traunsee, aber dabei sind auch kleine Mengen, die es gar nicht in die Karte schaffen. Der Vorteil: Gäste kommen zu überraschenden Zwischengängen. Denn verkommen soll nichts, die Verwertung des ganzes Tieres sieht Lukas Nagl als Topthema für 2020, überdies Frische und die Reduktion auf das Wesentliche. Damit das dann geschmacklich nicht übersichtlich bleibt, hat sich Nagl eine kleine Produktrange gebastelt, die wirklich beeindruckt. Mehrere Misopasten mit österreichischen Grundprodukten wie Mohn und Kürbiskern, Fischsauce aus dem Beifang (»der hieß bei uns immer Katzenfisch, weil man trotz viel Arbeit und Wissen wenig damit anfangen konnte und es dann doch die Katze kriegte«), Sojasauce... Das kommt so gut an, dass Händler, Gäste und andere Gastronomen die Produkte mittlerweile im Onlineshop beziehen.

Lachs auf Holzteller
Fotos: Lukas Kirchgasser

Wichtig ist Nagl auch die enge

Zusammenarbeit mit Winzern. Weinverkostungen bietet Das Traunsee häufig an, unter seiner Ägide wurde der Keller erweitert. »Mut zur Lücke«, sagt er, sei das Motto bei der Weinkartengestaltung, kleinen, innovativen Winzern, die sehr produktbezogen arbeiten, gibt er gerne eine Bühne. Apropos Wein: »Ich würde mir ein Comeback von Weinsaucen wünschen.« Anja Schröder betrieb mit ihrem Lebensgefährten Lars Rutz die deutschlandweit bekannte Weinbar Rutz. Seit 2005 führt sie den Weinladen Planet Wein in einladender Kulisse am Gendarmenmarkt. Was sind Wine-Pairingklassiker? »Farbkombinationen... helles Fleisch und Fisch mit Weißwein, rotes Fleisch mit Rotwein. Aber mit einem Weißburgunder kann man ein Gericht selten schlecht begleiten.« Wie führt man Gäste ans Weinthema heran? »Genussbereite Menschen lassen sich leichter führen; also in der Lieblingsweinrichtung bleiben. Weine mit persönlicher Geschichte lassen sich immer empfehlen. Und die Empfehlung auf das Gericht aufbauen.« Dass sich Weinsaucen in der Gastronomie wieder zeigen, würde sie »sehr begrüßen, denn das macht es in der Begleitung etwas einfacher.«

Fischmann Michas drei Gastro-Tipps für Lachs

  • Selbst beizen, mit Whisky oder Gin und Zesten. Das geht für große Mengen, ist schnell, man kann eine persönliche Note reinbringen.
  • Dry Aging im Kühlschrank, mindestens zwei Tage.
  • Im Kochtopf räuchern. Mit Provence-Kräutern kann man den Räuchergeschmack individualisieren.

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