Eine neue Generation isst anders
Kolumne mit Pierre Nierhaus
von Pierre NierhausPlötzlich sind nicht mehr Sterne oder Restaurantkritiken ausschlaggebend, sondern Likes, Shares und die visuelle Inszenierung eines Gerichts. Ist das nun ein Fluch oder ein Segen für die Gastronomie?
Hauptsache stylisch
Foodtrends entstehen nicht mehr in den Küchen großer Chefköche, sondern auf den Smartphones der Gäste. Ein knallig-blauer Latte, dampfendes Essen mit Trockeneis, eine perfekt geschichtete Torte – wer auffällt, gewinnt. Optik gewinnt an Bedeutung. Restaurants setzen immer häufiger auf Gerichte, die sich gut inszenieren lassen, anstatt auf handwerkliche Perfektion oder komplexe Aromen.
Gleichzeitig sorgt Social Media dafür, dass eine Generation, die mit Fast Food und Convenience-Produkten aufgewachsen ist, die Gastronomie neu entdeckt. Junge Menschen interessieren sich für internationale Küchen, exotische Zutaten und kulinarische Handwerkskunst. Der Hype um Sushi-Burritos, koreanische Corn Dogs oder Matcha-Drinks zeigt, dass sich nicht nur die Ästhetik, sondern auch die geschmacklichen Vorlieben verändern.
Das Gasterlebnis schüren
Besonders profitieren Streetfood-Konzepte und innovative Gastronomien, die verstanden haben, dass Essen nicht einfach nur schmecken, sondern auch unterhalten muss. Das Erlebnis steht im Vordergrund – sei es durch Live-Cooking, durch außergewöhnliche Inszenierung oder durch Speisen, die überraschen. Die Traditionsgastronomie kann sich dieser Entwicklung nicht entziehen. Gerade klassische Gerichte haben das Potenzial, mit moderner Präsentation auf Social Media zu glänzen. Ein perfekt zubereiteter Kaiserschmarrn oder ein kreativ interpretiertes Wiener Schnitzel können – ansprechend in Szene gesetzt – ebenso viral gehen wie ein japanischer Soufflé-Pancake.
Tipps aus der Praxis:
- Optik & Storytelling beherrschen: Restaurants müssen ihre Gerichte geschmacklich wie auch visuell optimieren. Ein gutes Gericht erzählt eine Geschichte – durch die besondere Anrichteweise, eine unerwartete Farbgebung oder den Einsatz von Texturen.
- Digital denken, real genießen: Social Media sollte nicht zum Selbstzweck werden. Ein Restaurant mag mit einem viralen Gericht für kurze Zeit im Rampenlicht stehen, die langfristig beste Werbung ist jedoch Essen, das nicht nur auf Instagram funktioniert, sondern auch am Tisch überzeugt.
- Food-Inszenierung trainieren: Restaurants können gezielt mit Food-Influencern zusammenarbeiten, eigene Social-Media-Strategien entwickeln und Mitarbeiter in der Präsentation von Speisen schulen.
- Geschmack nicht vernachlässigen: Der größte Fehler wäre es, nur aufs Visuelle zu setzen. Wer junge Gäste gewinnen will, muss sie mit dem ersten Bissen überzeugen – denn nur so kommen sie wieder.
Vorsicht ist geboten
In der digitalen Welt lauern auch Gefahren. Wer sich zu sehr auf den optischen Effekt verlässt und den Geschmack vernachlässigt, verliert seine Gäste schnell wieder. Gastronomen müssen den Spagat zwischen Inszenierung und echtem Geschmackserlebnis meistern. Wer die visuelle Kraft von Social Media nutzt, ohne die kulinarische Qualität aus den Augen zu verlieren, wird nicht nur geklickt und geteilt, sondern vor allem eines: genossen.

Unser Autor
Pierre Nierhaus ist Trend- und Change-Experte für die Hospitality-und Lifestylebranche. Er beobachtet und bereist regelmäßig die 30 inspirierendsten Metropolen weltweit, zu denen er interessierten Unternehmern Trendexpeditionen anbietet und ihren Betrieb als Coach unterstützt.