Die unschlagbare Bohne
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Die unschlagbare Bohne

Ob schwarz, mit Schaum, doppelt geröstet oder instant – über kein Getränk wurde so viel geforscht und geschrieben. Wir entführen Sie in die belebende Welt der Kaffeekultur ...

von Daniela Müller
Freitag, 16.09.2016
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Nirgendwo gibt es für Kaffee so viele Kosenamen und Zubereitungsarten wie in Österreich: Fiaker, Kapuziner, Konsul, Biedermeier, Phari­säer, Melange, Einspänner etc. Logisch, dass die Wiener Kaffeehauskultur mit ­ihren Marmortischchen und Thonet-Stühlen von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe erklärt wurde: »Die Kaffeehäuser sind ein Ort, in dem Zeit und Raum konsumiert werden, aber nur der Kaffee auf der Rechnung steht.« Um der Auszeichnung gewissermaßen Rechnung zu tragen, findet alljährlich das »Vienna Coffee Festival« statt. Die Besten der Kaffeeszene präsentieren an vier Tagen Trends und Wissen rund um die Kaffeekirsche. 2016 zählte das Festival über 12.000 Besucher.

Was gut war, kommt wieder ...

Wenngleich die Kaffeekultur in Deutschland nicht so vielfältig ist: Immerhin ­verfügt man über das weltweit einzige »Original Wiener Kaffeehaus« außerhalb Österreichs. Das Café Maldaner, 1859 in Wiesbaden eröffnet, war seinerzeit erster Kunde der Hamburger Rösterei Darboven. Die guten Geschäftsbeziehungen bestehen noch heute. Ins Maldaner kommen viele Stammkunden und internationale Gäste. »Normaler Filterkaffee ist derzeit unser Topseller. Menschen mögen nun mal, was sie kennen«, bekräftigt Geschäftsführerin Renate Schulz-Winkel. Die Sache mit den Zielgruppen hält sie jedoch für überbewertet: »Wir haben alle Generationen vertreten. Kommt die Oma mit der Enkelin, bestellen beide oft das Gleiche: Filterkaffee oder Cappuccino.«

Frischer Kaffee auf frisch gerösteten Kaffeebohnen
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Kaffee als Gesamtkonzept

Für Nassim Schäfer, Inhaberin der Limburger Kaffeerösterei »Fare Tredici«, zeichnet sich beim Kaffeekonsum eine positive Entwicklung ab: weg von der »Geiz ist geil«-Mentalität, hin zu mehr Wertigkeit. »Wir haben eine Erlebnisrösterei mit gläserner Produktion. Das sinnliche Erleben – sehen, riechen, schmecken – begeistert unsere Kunden. Denen ist nachhaltiger Genuss wichtiger als der Preis. Allerdings ist diese Entwicklung nach Einschätzung der Gildemeisterin noch nicht überall angekommen: »Guter Kaffee ist in Hotels noch Mangelware. Gastronomen und Hoteliers sollten mit Röstereien kooperieren und sich eigene Mischungen kreieren lassen. Aber viele sind schlichtweg zu geizig. Obwohl sie bei uns für eine hochwertige Mischung mit Branding nur knapp zehn Cent pro Tasse mehr zahlen würden. Das ist schwer nachvollziehbar.« Schäfer berät Gastronomen und zeigt, wie man Kaffee als Gesamtkonzept ansprechend umsetzen kann.

Transparenz gewinnt für die Konsumenten an Bedeutung

Kaffee aus nachhaltigem Anbau ist bei den Kunden angesagt. Ebenso Transparenz über Herkunftsländer und Röstverfahren. Über diese Entwicklung freut sich Michaela Wahl, Hepa-Rösterei- und Kaffeehausinhaberin. Sie vertreibt Kaffee ohne ­Samenhäutchen. »Das Häutchen in der Mitte der Kaffeebohne enthält Bitterstoffe, die Magenreizungen verursachen«, erklärt Wahl. Bei Hepa werden die Bohnen zerkleinert und mittels findiger Vorrichtung von den Häutchen befreit. Das Patent ist 50 Jahre alt. Hepa führt über 30 Sorten von kleinen Plantagen aus mehr als 20 Ländern. Alle sind UTZ-zertifiziert. »Alle Sorten kann man bei uns probieren, wir servieren stets in einer kleinen French Press, das kommt super an«, so die Kaffee-Expertin. Der ­Kilopreis von 20 Euro sei Gastronomen allerdings meist zu hoch.

Soziale Verantwortung: bei J.J.Darboven gelebte Kultur

Auch das Röstunternehmen J.J.Darboven sieht einen klaren Trend hin zu hochwertiger Qualität – eng verknüpft mit Transparenz in Bezug auf Erzeugung und Konzepte, die die soziale Verantwortung dokumentieren. Die Nachfrage reicht dabei von kleinen Cafés bis zu Hotelketten, ­erläutert Frank Hilgenberg, Geschäftsführer Marketing: »Das kommt uns als lang­jährigem Fairtrade-Pionier entgegen, und es ist uns sehr wichtig, das weiter auszu­bauen. Als hanseatisches Familienunter­nehmen ist die Übernahme von Verantwortung bei uns gelebte Kultur. Deshalb ­haben wir kürzlich H.E.L.P. (Honduras Education Life Project) ins Leben gerufen, ein langfristig angelegtes Förderprojekt, das in Honduras durchgeführt wird.«

Latte Macciato
Foto: fotolia.com: Boris Ryzhkov

Premiumkonzepte und Filterkaffee sind gefragt

Ebenso sind Premiumkonzepte im Kommen und werden auch bei J.J.Darboven verstärkt nachgefragt. »Gastronomen sind immer auf der Suche nach neuen, hochwertigen Produktqualitäten und Zeremonien, die sie ihren anspruchsvollen Gästen anbieten können«, so Hilgenberg. »Unsere Antwort hierauf ist ein Komplettangebot für Pour-over-Coffee mit unserer Marke ID Blue oder z. B. das Lifestyle-Konzept von Sansibar für trendorientierte Gastronomen.«

Für Hilgenberg ist zudem die Rückkehr des Filterkaffees in Verbindung mit dem Trend Handbrühmethoden aktuell ein großes Thema: »Besonders gut eignet sich für diese Art der Zubereitung auch hier die ID-Blue-Linie. Die vier hellen bis mittleren Röstungen verfügen über zahlreiche würzige und fruchtige Nuancen, die gerade bei der Kaffeezubereitung von Hand intensiv hervortreten.« Die Premiumkaffees bestehen aus 100 % Arabica-Bohnen und sind Single-Origin-Kaffees aus Brasilien, Kolumbien, Nicaragua und Äthiopien.

Julius Meinl entwickelt French-Press-Konzept

In Österreich zeichnen sich ähnliche Tendenzen ab, wie uns Tanja Falter, Marketingleiterin Julius Meinl Österreich, bestätigt: »Menschen, die gerne Kaffee trinken, werden anspruchsvoller und neugieriger. Das Qualitätsbewusstsein steigt. Wie beim Wein vor 15 Jahren entsteht auch beim Kaffee ein Expertentum, das nun in breiteren Bevölkerungsschichten angekommen ist.« Sie ist überzeugt: »Weltweit findet derzeit ein absolutes Revival statt. Angeführt von den USA und Großbritannien ist Filterkaffee wieder up to date.« Gleichzeitig zähle Mahlkaffee momentan zu den spannendsten Themen in der Kaffee-Community, weil er die Aromavielfalt neu und intensiv erleben lässt. Dabei gibt es viele Brühmethoden sowie entsprechende Röstungen, Mahlgrade, Filter, Cold Drip oder French Press.« Voll im Trend bei Gastronomie und Hotellerie liege derzeit das French-Press-Konzept – eigens dafür hat Meinl Österreich ein stilvolles Set designt. Die Zubereitung erfolgt direkt am Tisch oder im Hotelzimmer.


Werner Ulrich Lange
Foto: Melitta Professional

Nachgefragt: Werner-Ulrich Lange, Melitta Professional Coffee

Welche Strömungen beeinflussen die Kaffeekultur in Deutschland? Wir fragen nach bei Werner-Ulrich Lange, Leiter Vertrieb & Technischer Kundendienst und Mitglied der Geschäftsleitung, Melitta Professional Coffee Solutions GmbH & Co. KG.
Welche Marktentwicklung beobachten Sie auf dem Kaffeemarkt?
Es gibt zwei sehr deutliche Trends, die sich fortsetzen werden und die auch miteinander verknüpft sind: den Trend zur Qualität und den Trend zu Bio- und Fairtrade-Produkten.
 

Qualität muss in die Tasse!

 

Werner Ulrich Lange

Welche Rolle spielt Filterkaffee in diesem Zusammenhang?
Der Filterkaffee rückt wieder stärker ins Bewusstsein, denn trotz der langjährigen Fokussierung auf Kaffeespezialitäten und des Wachstums in diesem Bereich hat der Klassiker seine herausragende Bedeutung .

Ihr Kaffeesortiment ist enorm groß, was haben die unterschiedlichen Varianten gemeinsam?
Ob Filterkaffee, Espresso, Latte macchiato oder Cappuccino: Was mehr denn je zählt, ist die Qualität in Tasse, Becher oder Glas. Das beginnt bei Rohware und Röstung, geht weiter über die mittels Filter angemessen eingestellte Wasserqualität und wird vollendet durch die Zubereitung mit einer gründlich gereinigten Kaffeemaschine, die zuverlässig, schnell und flexibel funktioniert. An Profi-Technik geht im professionellen Kaffeegeschäft kein Weg mehr vorbei.

Foto: Hallwag Verlag 

Buchtipp:

James Hoffmann
Der Kaffeeatlas
29,99 Euro, 256 Seiten
Hallwag Verlag
ISBN: 9783833845321

 

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