Auf ein Bier
Foto: iStockphoto

Auf ein Bier!

Schöne neue Brauwelt ...

von Daniela Müller
Donnerstag, 14.04.2016
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Der deutsche Biermarkt befindet sich auf einer Durststrecke. Im letzten Jahr wurde hierzulande so wenig Bier getrunken wie nie. Die Hopfenträgheit der Bundesbürger lässt sich mit Zahlen belegen: Der Absatz in Deutschland fiel um 0,7 Prozent auf ein Rekordtief von 79,5 Millionen Hektolitern. Gerettet hat diese Statistik vor allem die Tatsache, dass deutsches Bier im Ausland noch immer geschätzt wird. Die Bier-Exporte stiegen 2015 um 4,0 Prozent, und im Gesamtergebnis gibt es nun insgesamt ein leichtes Wachstum zu vermelden.

Wirklich überraschend kommen diese Zahlen nicht. Lange Zeit wurde das Bier als »unser Nationalgetränk« gefeiert – aus Tradition und natürlich wegen des Reinheitsgebots. Doch auch Tradition muss sich weiterentwickeln – tut sie das nicht, läuft sie Gefahr, vom bösen Zeitgeist gefressen zu werden. Analog zu den aktuellen Dauer-Food-Trends »Regionales«, »Gesundheit« und »Individualismus« sind auch bei den Getränken die Ansprüche der jungen Konsumenten-Generation stetig gewachsen. Sie erwarten heute nicht nur eine hohe Qualität und einen unverwechselbaren Geschmack, sondern vor allem auch Abwechslung auf der Bier­karte. Massenprodukte und die sogenannten »Fernsehbiere« haben es bei dieser Klientel ohnehin schwer.

Hintergrund:
Brauwirtschaft in Deutschland

Die deutsche Brauwirtschaft setzt sich aus mehr als 1.300 Braustätten zusammen, die einschließlich alkoholfreier Sorten mehr als 95.000 Hektoliter Bier im Jahr erzeugen. Weltweit stehen deutsche Brauereien damit nach Ausstoß an vierter Stelle ­hinter China, den USA und Brasilien; in Europa sind sie führend. Ein ­regionaler Schwerpunkt der Biererzeugung liegt in Bayern, wo sich fast jede zweite Braustätte befindet.

Mehr als die Hälfte der Betriebe sind kleine Brauereien

Trotzdem geht es irgendwie wieder bergauf mit dem Bier: Es ist wohl nicht zuletzt der Verdienst der kleinen Craft-Bier-Brauer, dass in den letzten zehn Jahren die Zahl der deutschen Braustätten von 1.281 (2005) um 107 Betriebe auf stolze 1.388 Brauereien (2015) gestiegen ist. Das sei vor allem den kleinen Betrieben mit einer Jahresproduktion von bis zu 5.000 Hektolitern zuzuschreiben, vermeldet der Deutsche Brauer-Bund. Sie machen inzwischen die Hälfte der Brau-Unternehmen aus und beleben den Biermarkt fernab der Preis- und Marktkämpfe der Bier-Goliaths. Verlässliche Absatzzahlen der Craft-Bier-Branche sucht man leider noch vergeblich.

Industriebiere haben es schwerer als früher

Ein Vertreter der jungen rebellischen Bierbrauer-Szene, der mit seinen Craft-Bier-Kreationen die Münchner Bierszene aufmischt, ist Tilman Ludwig. Er ließ sich in Weihenstephan zum Braumeister ausbilden und machte sein Hobby zum Beruf. Im vergangenen Jahr gründete er in München seine Marke »Tilmans Biere«. Produziert wird z. B. ein Münchner Helles, das wie ein amerikanisches Pale Ale gehopft ist. Seine Sicht auf den deutschen Biermarkt schildert er so: »Die Industrie-Brauereien schrumpfen jedes Jahr und halten sich häufig mit alkoholfreien Getränken über Wasser! Ganz anders sei die Situation dagegen bei den kleinen Brauereien und Bier-Konzepten. »Uns werden ja die Biere quasi aus den Händen gerissen. Die Leute haben keine Lust mehr auf diesen ganzen Industrie-Quatsch«, ist er überzeugt.

Bier mit Namen Prototyp
Foto: Kehrwieder Kreativbrauerei

Das Land der unbegrenzten Bier-Möglichkeiten

Die Überzeugung, dass die Zukunft nicht allein im Industriebier liegen kann, führte auch Oliver Wesseloh ins Craft-Bier-Business. Nach dem Abitur studierte der Hamburger, der übrigens 2013 die Weltmeisterschaft der Bier-Sommeliers gewonnen hat, in Berlin das Brauwesen. »Als Brauer hat man natürlich immer den Traum von der eigenen Brauerei. Allerdings fehlte mir die zündende Idee«, erinnert er sich. »Noch eine 08/15-Hausbrauerei war mir zu lahm und der Biermarkt mit seinen ruinösen Preiskämpfen leider völlig kaputt.« Wesseloh entschied sich, zunächst ins Ausland zu gehen, erst in die Karibik und schließlich nach Nordamerika. »Dort habe ich dann auch ›das Licht gesehen‹ – die Kreativität und Geschmacksvielfalt der amerikanischen Craft-Brewer hat mich tief beeindruckt«, erzählt er. Schnell war dem Hamburger klar, dass er mithelfen wollte, die Biervielfalt zurück nach Deutschland zu bringen.

Zurück in der Heimat, begann er 2012 mit dem Aufbau seiner Kehrwieder Kreativbrauerei. Sein Konzept: anders sein. Das schafft er, indem er seine eigenen Rezepte entwickelt und alte Bierstile neu interpretiert – ausschließlich mit natürlichen Rohstoffen, versteht sich. Das erste Bier der Kehrwieder Kreativbrauerei trug übrigens den Namen »Prototyp« – ein starkes, kalt gehopftes Lager, das die Leichtigkeit eines Pils mit der Fruchtigkeit eines Pale Ale verbindet. Das Bier hat Ludwig immer noch im Sortiment.

Nicht jedermanns Bier ...

Auch er merkt nichts, von der deutschen Biermüdigkeit, die von den Brauerei-Konzernen beklagt wird. »Wir spielen einfach in verschiedenen Ligen«, erklärt er. »Wir kleinen kreativen Brauer haben mit viel Herzblut und Engagement endlich Abwechslung in einen Markt gebracht, der durch die Mainstream-Biere doch sehr eintönig geworden war.« Dass sein Bier deswegen jedem schmecken muss, erwarte er nicht. »Wie bei jedem Genussmittel gilt: Wenn ein Produkt einen geschmacksintensiven Charakter hat, kann es für Entzücken sorgen, aber genauso anecken«, sagt er. Und genau hier bestehe der entscheidende Unterschied zwischen den großen industriellen Brauereien und den Kreativbrauern: Die einen wollen möglichst viele Menschen erreichen und so billig wie möglich produzieren, die anderen wollen aromatische Biere brauen, die begeistern.

Lieblingsbier der Deutschen im Jahr 2015

Pils, Pilsener36,4 %
Weizen/Weißbier10,5 %
Biermix (mit Limo)10,3 %
Export, Lager, Helles8,1 %
Biermix (mit Cola)6,4 %
Alkoholfreies Bier5,0 %
Malzbier3,7 %
Mildbiere (Becks Gold)3,0 %
Kölsch2,7 %
Schwarzbier2,4 %
Importbiere2,0 %
Quelle: VuMA, © Statista 2016

Und was machen die Großen?

Einen schönen Nebeneffekt hat der Wirbel um die Craft-Bier-Szene zudem auch noch: Die Begeisterung für neue Bierkreationen schwappt gezwungenermaßen auch auf die Brau-Riesen über. So hat jüngst Anheuser-Busch InBev, die weltweit größte Brauereigruppe, seine deutsche Vorzeigemarke Beck’s mit drei neuen Sorten ausgestattet, das »Pale Ale«, das »1873 Pils« und das »Amber Lager«. Man habe damit nicht den Anspruch ein kleines, lokales Craft-Bier zu präsentieren, sondern ziele mit den Produkten in die Kategorie internationale Biere, ließ die Bremer Brauerei verlauten.

Deutlich mehr Selbstvertrauen beweisen die Brauer von Hofbräu München: »Als traditionelle Spezialitätenbrauerei stehen wir natürlich in erster Linie für typische Münchner Biere. Dass wir als kleinste der international bekannten Münchner Biermarken durchaus in der Lage sind, ein eigenes Craft-Bier zu produzieren, beweisen wir seit einigen Jahren mit der Herstellung einer eigenen Kreation für das Braukunst Live Festival in München (zuletzt im Februar 2016)«, so Pressesprecher Stefan Hempl. In diesem Jahr heißt dieses »Kaltgehopfter Weissbier Hallodri«. Stefan Hempl: »Dieses Bier wird klassisch eingebraut. Neben Wasser aus dem eigenen Tiefbrunnen kommen Weizenmalz aus Wasserschutzgebieten in Unterfranken, helles Gerstenmalz und ausgewählter Mandarina-Bavaria-Hopfen sowie Hefen aus einem brauereieigenen Hefestamm zum Einsatz. Das naturtrübe Weißbier  wird beim Kalthopfen mit einer weiteren Gabe Aromahopfen doppelt veredelt.« Das Ergebnis überzeugte auch die kritischen Festival-Besucher.

Fakten: Rund um den deutschen Biermarkt

Bierabsatz in Deutschland (2015):

  • 79,49 Mio. hl
  • Anzahl der Braustätten in Deutschland (2015): 1.388
  • Bierausstoß der Brauereien in Deutschland (2015): 95,6 Mio. hl
  • Export von Bier aus Deutschland (2015): 16,09 Mio. hl

Ein Bier für jeden Tag?

Freilich darf man fairerweise die Bayerische Staatsbrauerei nicht in den gleichen Braukessel wie die Bremer Kollegen von Beck’s stecken. Schließlich ist Hofbräu eine von zwei lokalen Traditions-Brauereien, die wie eh und je fest in »bayerischer« Hand sind. Anders als die meisten ihrer international aktiven Mitbewerber müssen sie deshalb nicht unter dem Gewinndruck der Aktionäre brauen – was förderlich für die Kreativität sein dürfte.

Bei aller Euphorie für den frischen Wind, den die Craft-Bier-Brauer in den Biermarkt bringen, ist es dennoch wahrscheinlich, dass mittelfristig die Mehrzahl der Konsumenten ihrer bislang bevorzugten Marke, sei sie regional oder überregional, treu bleibt. Das gilt zumindest für das »Bier für jeden Tag«. Den zunehmenden Wettbewerb unter den Großbrauereien erleichtert diese Tatsache nicht wirklich. Manches bleibt dann eben doch beim Alten in der schönen neuen Brauwelt.

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